Bedeutender Sammlungszuwachs zu Bach-Söhnen
Bach-Archiv Leipzig zeigt Kulukundis-Schenkung

Das renommierte Bach-Archiv Leipzig wird in diesem Jahr 75 Jahre alt. Zum Jubiläum erhielt es jetzt die wertvollste Schenkung seiner Geschichte: die Sammlung des New Yorker Reeder Elias Kulukundis zu Bachs Söhnen. Nun sind einige Stücke zu sehen.

Von Claus Fischer |
Blick auf handschriftliche Noten, die von einem Menschen mit weißen Handschuhen präsentiert werden.
Die wertvolle Sammlung ist ab sofort in Leipzig „zu Hause“. (picture alliance / dpa / Jan Woitas)
Elias Kulukundis, der Amerikaner mit griechischen Wurzeln, vermachte der Einrichtung rund 130 Notenhandschriften, Briefe und Erstdrucke der vier komponierenden Söhne Johann Sebastian Bachs. Einige der interessantesten Dokumente sind nun im Leipziger Bachmuseum zu sehen.
Dass die 10 Millionen Euro wertvolle Sammlung Kulukundis nun in Leipzig liegt, hat mit dem Bach-Sohn Wilhelm Friedemann zu tun. Peter Wollny, der heutige wissenschaftliche Direktor des Bacharchivs studierte 1993 an der renommierten Harvard University in den USA und schrieb an seiner Dissertation über den ältesten Bach-Sohn.

Kontakt zu einem Kenner

Dafür nahm er Kontakt mit dem Großreeder Elias N. Kulukundis in New York auf. Er gilt als Bach-Sohn-Kenner. Wollny erinnert sich: „Ich hatte einen Vortrag gehalten und hab ihm das Vortragsmanuskript geschickt und ein bisschen was dazu geschrieben, wer ich bin und woran ich arbeite. Dann kam zwei Tage später ein Brief von ihm zurück und er sagte dann. Es könnte sein, dass er ein oder zwei Dinge besitzt, die für meine Dissertation von Interesse wären.“
Beide trafen sich dann in dem Bankgebäude, in dem die Sammlung damals lagerte. Wollny ist der Gang über die Mamortreppe in den Keller noch gut im Gedächtnis. „Er hat eine große Metallkiste aus dem Safe holen lassen und da eins nach dem anderen angeguckt. Und es waren eben zwei Autographe von Wilhelm Friedemann Bach dabei, die eben seit dem zweiten Weltkrieg als verschollen galten.

Aufbau der besonderen Sammlung

Wie kommt ein Großreeder eigentlich dazu, ab den 1950er Jahren akribisch Handschriften und Drucke der Söhne Johann Sebastian Bachs zu sammeln? Diese Frage hat Peter Wollny ihm damals gestellt: „Er hat ja auch ein paar Semester Musikwissenschaft studiert, und ihn hat immer fasziniert, wie sich die Musik vom Barock zur Klassik wandelt. Er sagte: Damals hätte ja kein Mensch über die Bach-Söhne Bescheid gewusst so richtig, und für ihn war das die Erkundung eines ganz unbekannten Terrains.

Ausschlaggebend für das Sammelinteresse von Elias N. Kulukundis waren aber auch finanzielle Gründe. Manuskripte vom Bach-Vater waren damals schon hochpreisig und damit zu teuer. Aber für die Bach-Söhne interessierte sich damals noch kein Mensch. Der Markt hatte hier einiges zu bieten

Ausleihe ans Archiv

Der Kontakt zwischen Peter Wollny und Elias N. Kulukundis blieb über die letzten 32 Jahre bestehen. Und so überließ der Reeder die Sammlung bereits vor zehn Jahren dem Leipziger Bacharchiv als Depositum zum Zwecke der Erforschung, sie blieb aber sein Eigentum.
Informationskatalog zur Sammlung: hier.
Doch dann, vor einigen Wochen, bekam Peter Wollny in seiner Eigenschaft als wissenschaftlicher Direktor des Bach-Archivs eine ziemlich überraschende E-Mail, in der der nunmehr 91-jährige Milliardär die Schenkung ankündigte. Die Sammlung gehöre einfach in die Bachstadt Leipzig, die er seit 2006 regelmäßig mit ihren Sehenswürdigkeiten besucht hat.

Blick der Söhne auf den Vater

Zu den Preziosen der Sammlung Kulukundis, die in der Sonderausstellung im Leipziger Bachmuseum zu sehen sind, gehört auch ein Brief des zweitältesten Bachs-Sohns Carl Philipp Emanuel, gerichtet an Johann Nikolaus Forkel, der die erste Biographie über Vater Bach verfasst hat. Darin überliefert der Sohn eine Anekdote. Er beschreibt wie er mit seinem Vater in Berlin das neue Hoftheater Friedrichs II. besucht. Museumsleiterin Kerstin Wiese zeigt mit dem Finger auf die betreffende Stelle:

„Natürlich ist Johann Sebastian Bach sofort aufgefallen, was das Besondere an der Architektur war! Sie waren im Speisesaal auf der Galerie und er hat erkannt, dass das so eine Art ‚Flüstergalerie‘ war. Wenn man in der einen Ecke stand und gegen die Wand flüsterte, dann hörte man das gegenüber in der anderen Ecke ganz genau, aber an anderen Stellen überhaupt nicht!“ Johann Sebastian Bach war also auch Raumakustik-Experte, nur eine von vielen Erkenntnissen, die die Sammlung Kulukundis unmittelbar vermittelt.

Herzstücke der Sammlung

Die wertvollste Handschrift des Bestandes stammt übrigens von Wolfgang Amadeus Mozart, sagt Kerstin Wiese. Und sie hat mit dem Oratorium „Die Auferstehung und Himmelfahrt Jesu“ von Carl Philipp Emanuel Bach zu tun, so Wiese:
„Hier hat sich Wolfgang Amadeus Mozart eine Bläserstimme eingerichtet zu einer Arie. Er hat dieses Oratorium nämlich selbst aufgeführt in Wien, im Palais des Grafen Esterhazy.“ In der Pause dieser Aufführung, also zwischen Auferstehung und Himmelfahrt, ließ Mozart ein Ölgemälde mit dem Konterfei von Carl Philipp Emanuel Bach durch die Besucherreihen gehen, nach dem Motto: „Seht, was für ein Genie!“
Die Sonderausstellung mit den wertvollsten Exponaten ist im Leipziger Bachmuseum am Thomaskirchhof zu sehen, Dienstag bis Sonntag, 10-18 Uhr. Die Dokumente sind bereits digitalisiert und kostenlos einsehbar auf der Internetseite des Bach-Archivs.