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Bedingungsarmes Waldeinkommen
Warum es Waldbesitzer derzeit gut haben

Die Politik hat es zuletzt gut gemeint mit Forstbesitzern: Unter anderem gibt es eine halbe Milliarde Euro "Waldprämie", zwischen 100 und 120 Euro pro Hektar. Einzige Bedingung: ein Siegel des Verbandes PEFC oder das aufwändigere FSC-Siegel. Doch es regt sich Protest an der "Gießkannen"-Methode.

Von Maike Rademaker | 28.12.2020
Höchst im Odenwald am 18.Dezember 2020 v.l., Sonne und Nebel, Nebeldecke am Waldrand über Höchst im Odenwald, Herbstimmung, Winter Foto: Joaquim Ferreira
Für Waldbesitzer in Deutschland gibt es gerade einige Fördertöpfe (picture alliance / Joaquim Ferreira)
Bei Michael Duhr fällt Weihnachten diesmal etwas üppiger aus als sonst. Der Förster nennt rund 200 Hektar Wald im brandenburgischen Havelland sein eigen. Er wirtschaftet nachhaltig und darf deswegen das Siegel des FSC (Forest Stewardship Council) an sein Holz anbringen. In diesen Tagen bekommt Duhr von der Bundesregierung nun 24.000 Euro überwiesen, 120 Euro pro Hektar Wald: die Waldprämie, die er Ende November beantragt hat. Was er mit dem Geld macht, ist ihm überlassen, und Duhr hat sich schon entschieden.
"Ich nehme das Geld vor allem, um daraus neue Pflanzen für Maßnahmen im Waldumbau zu finanzieren, und vor allem auch, um andere betriebliche Aufwendungen wie zum Beispiel die Beträge, die ich an den Boden-Wasserverband zahle – man nennt das die Fixkosten im Forstbetrieb – daraus zu finanzieren. Also ich könnte am Holz verdienen, müsste aber viel mehr Holz einschlagen, um die gleichen Erlöse zu haben. Die Waldprämie hilft mir, Leistungen zu erbringen und zu bezahlen, die ich aus Holz bezahlt habe, und auf das kann ich jetzt verzichten."
Vertrocknete und von Borkenkäfern befallene Fichten in Oderbrück, im Juli 2020.  Die grauen Silhouetten abgestorbener Fichten ragen in den Himmel oder liegen wild übereinander. 
"Wir müssen uns von der Fichte im Tiefland verabschieden"
Die Fichte werde durch den Klimawandel in ihr natürliches Verbreitungsgebiet zurückgedrängt, in Hochlagen wie beispielsweise die Alpen, sagt Maike Wanders von der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald.

Bereits 24.000 Anträge auf "Waldprämie"

Als die Waldprämie vom Bundestag in einer Nacht Anfang November bewilligt wurde, setzte sofort ein Run auf das Geld ein. 500 Millionen Euro wurden hier für private Waldbesitzer und kommunale Forsten zur Verfügung gestellt. Einzige Bedingung: ein Siegel entweder des von Waldbesitzern dominierten Verbandes PEFC oder das aufwändigere FSC-Siegel. Ob der Wald tatsächlich geschädigt wurde; ob die Coronapandemie die Einnahmen aus dem Holzverkauf einbrechen ließ, das ist alles kein Kriterium. Was man mit dem Geld macht, ebenso wenig. Kein Wunder, dass bei der zuständigen Anlaufstelle bereits über 24.000 Anträge auf die Prämie eingelaufen sind. Viele Waldbesitzer, die noch kein Zertifikat haben, beantragen es derzeit auch noch schnell, wie PEFC-Geschäftsführer Dirk Teegelbekkers berichtet.
"Wir waren eigentlich schon immer ganz zufrieden damit, dass wir zwei Drittel der deutschen Waldfläche PEFC-zertifiziert hatten, aber durch die Bundeswaldprämie gibt es einen richtigen Schub vor allem in den Ländern, Regionen, in denen wir bisher nicht so stark vertreten waren, vor allen Dingen im Nordosten, also Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, Da gibt es viele mittelgroße, aber auch kleinere Waldbesitzer, die ihren Wald jetzt PEFC-zertifizieren lassen."

Fehlende Anreize oder gar Fehlanreize?

Gegen diese Methode, Geld in die Fläche zu verteilen, mehrt sich die Kritik. So monierte der Bundesrat in seinem Beschluss, dass qualifizierte Kriterien fehlten, und die Flächenprämie keine Lenkungswirkung habe. Der Präsident des Naturschutzbundes NABU Jörg-Andreas Krüger wird noch deutlicher.
"Das eigentlich Schlimme ist eben, dass der PEFC nur den gesetzlichen Mindeststandard zertifiziert, und dafür wird jetzt Geld gezahlt. Das ist für uns vom NABU aus ein Einstieg in eine ähnliche Fehlentwicklung, wie wir sie auch in der Agrarpolitik ja haben, da ist es ja so, dass wir über die europäischen Agrargelder ganz, ganz viele Direktzahlungen an Landwirte dafür geben, dass sie einfach Landwirtschaft machen im Rahmen der gesetzlichen Regeln. Wir finden, dass dieses Verteilen von Geld nach der Gießkanne so nicht sein kann, und das muss der Bundesrechnungshof sich angucken."

Geld sprudelt aus mehreren Töpfen

Das Bundeslandwirtschaftsministerium sieht allerdings keinen Nachbesserungsbedarf, und auch der Vorsitzende des Agrarausschusses im Bundestag, Alois Gerig, verteidigt die Prämie mit Hinweis auf die Pflicht, ein Zertifikat zu haben und zehn Jahre zu halten. Die Waldbesitzer bräuchten die Hilfe jetzt dringend:
"Die sogenannten kleinen Waldbesitzer, die verlieren im Moment komplett die Motivation, die sagen, warum soll ich überhaupt noch was in meinen Wald machen, wenn ich ohnehin nichts verdienen kann."
Allerdings ist die Waldprämie nicht die einzige Finanzquelle für die Waldbesitzer, das Geld sprudelt auch aus anderen Töpfen – und es wird schnell abgefragt. Das gerade erst Anfang November aufgelegte Programm mit dem Titel "Digitalisierung und Technik für nachhaltige Waldbewirtschaftung" in Höhe von 50 Millionen Euro ist bereits ausgeschöpft. Die millionenschwere erste Tranche des Bund-Länder-Programms, beschlossen auf dem Waldgipfel 2019, ist ebenfalls schon überzeichnet – erst ab 2021 können neue Anträge gestellt werden. Über beide Programme erhalten Waldbesitzer Zuschüsse für Investitionen. Im Gegensatz zur Waldprämie sind die Auflagen hier allerdings teilweise hoch: Mit dem Geld dürfen zum Beispiel keine Holzvollernter gekauft werden, und wer neu pflanzt, muss Mischwälder aufbauen.
Kiefernsämling, Gemeine Kiefer, Rotföhre, Weißkiefer, Forche (Pinus sylvestris), wächst auf Baumstamm | Verwendung weltweit, Keine Weitergabe an Wiederverkäufer.
Wie Deutschlands Wäldern zu helfen wäre
Der Staat nimmt viel Geld in die Hand, damit Deutschland wieder mehr klimastabile Mischwälder bekommt. Allerdings lässt eine große Zahl Rehe und Hirsche die jungen Bäume vielerorts nicht weit genug kommen. Helfen könnte eine veränderte Bejagung.

"Zu viel Aktionismus"

Aber NABU-Präsident Krüger ist skeptisch, ob das Geld richtig ausgegeben wird:
"Wir vom NABU kritisieren, dass da viel zu sehr auf großflächige Räumung der Fläche gesetzt wird. Das ist momentan zu viel Aktionismus, zu viel Schnelligkeit mit zu viel Geld versehen. Jetzt dann noch der Schluck aus der Pulle aus dem COVID-19-Rettungsschirm, um den Waldbesitzern und Waldbetrieben, die von dem Wald leben müssen, aus der Liquiditätsfalle zu helfen, die durch den zusammengebrochenen Holzmarkt entstanden sind, das kann man gut oder schlecht finden, das ist auch eine gesellschaftliche Entscheidung, wie man das machen will, aber es hat mit einer nachhaltigen Steuerung und einer nachhaltigen Entwicklung von Wald nichts zu tun."

Vorbild für geplante Klimaprämie?

Krügers Sorge ist vor allem, dass die Waldprämie Vorbild werden könnte für ein wichtiges zukünftiges Finanzierungsinstrument, das die Waldbesitzerverbände seit Monaten vehement fordern: Die Klimaprämie, die Waldbesitzer für Ökosystemleistungen erhalten sollen, wie Wasserschutz, Freizeitangebot, Artenvielfalt und CO2-Bindung. Denn mit Holz werden die Waldeigentümer angesichts der Menge und der dadurch eingebrochenen Preise vorerst nicht viel verdienen können.
Wie diese Prämie aussehen soll, daran wird derzeit gearbeitet. Die Waldprämie sei dafür keine Blaupause, heißt es beim Landwirtschaftsministerium. Viel Zeit bleibt nicht: Die Klimaprämie soll in die Waldstrategie 2050 einfließen, die noch in dieser Legislaturperiode beschlossen werden soll.