Überschwemmungen, Dürren, Buschbrände, Wirbelstürme - das sind typische Wetter- oder Witterungsextreme, die Menschen dazu bringen können, ihre Heimat aufzugeben und fortzuziehen. Treibt der Klimawandel die Zahl solcher Flüchtlinge in die Höhe? Das ist weiterhin eine heiß diskutierte Frage. Nicht allerdings für Francois Gemenne. Der Politikwissenschaftler lehrt an der Universität von Versailles in Frankreich. Einer seiner Forschungsschwerpunkte ist die Migration durch klimatische Einflüsse:
"Sie werden immer noch als ein Problem angesehen, das uns erst in der Zukunft erwartet. Dabei sind sie schon heute Realität!"
Auf der Bonner Klimakonferenz war Gemenne jetzt einer der Referenten bei einem begleitenden Fachsymposium zum Thema:
"Jedes Jahr werden mehr als 30 Millionen Menschen allein durch Naturkatastrophen vertrieben. Bei Erdbeben oder Vulkanausbrüchen spielt die Klimaerwärmung natürlich keine Rolle. Aber in anderen Fällen schon, etwa bei Taifunen oder Hurricanes. Sie würden auch so auftreten. Aber es ist klar, daß die Klimaerwärmung solche Stürme verstärken kann."
Das vergangene Jahr lieferte ein anschauliches Beispiel dafür. Im November traf der Taifun Haiyan auf die Philippinen. Rund 6000 Einwohner starben, vier Millionen verloren ihre Bleibe. Ein halbes Jahr später leben mehr als 200.000 Menschen noch immer in Notunterkünften. Und wissen nicht, ob sie an ihre Wohnorte zurückkehren können. Der Einfluß der Klimaerwärmung ist hier offensichtlich. Im Westpazifik, dem Seegebiet vor den Philippinen, steigt der Meeresspiegel besonders stark. So steht es auch in einem Jahresrückblick der Welt-Meteorologie-Organisation. Ihr Generalsekretär Michel Jarraud:
"Wir können zwar den Taifun nicht dem Klimawandel zuschreiben - den Anstieg des Meeresspiegels aber schon! Die Schäden durch Haiyan waren dadurch viel größer, als sie es vor 50 oder 60 Jahren gewesen wären. Denn der Meeresspiegel ist seither um über 35 Zentimeter gestiegen."
Francois Gemenne nennt ein anderes Beispiel: Kenia. Schlagzeilen macht das Land in Ostafrika meist dann, wenn es zu politisch bedingten Verfolgungen und Flüchtlingsströmen kommt. Tatsächlich sind Vertreibungen durch Wetterextreme in dieser Region viel häufiger. Die Zahl von Umweltflüchtlingen in Kenia ist nach jüngsten Schätzungen mehr als dreimal so hoch wie die Zahl politischer Flüchtlinge ...
"Nehmen sie zum Beispiel das Flüchtlingscamp Dadaab im Norden Kenias. Es ist das größte auf der Welt. Dort leben viele Kriegsflüchtlinge und Verfolgte. Aber auch immer mehr Menschen, die durch Hunger, Dürren und Wüstenbildung aus ihrer Heimat vertrieben wurden. Dort gibt es eine schleichende Zuwanderung infolge anhaltender Dürre."
Experten wie Francois Gemenne sehen sich in einer Zwickmühle. Die Politik hätte gerne konkrete Angaben über die Zahl der Klimaflüchtlinge. Doch die Forschung kann sie nicht liefern. Weil es schlicht unmöglich ist zu sagen: Der Klimawandel hat dieses und jenes Wetterextrem so und so stark verstärkt. Und das hat die Leute dazu gebracht, zu fliehen. Aber daß das Problem stärker auf die klimapolitische Agenda gehört, betont auch Justin Ginnetti vom Internal Displacement Monitoring Center in Genf, einer Einrichtung, die Flüchtlingsbewegungen weltweit beobachtet:
"Was wir sagen können, ist: Die meisten Vertreibungen durch Naturkatastrophen haben mit Überschwemmungen, Dürren und Stürmen zu tun, also mit Klimarisiken."