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Bedrohte irakische Kulturgüter
"Kunsthandel sollte transparent und legal sein"

Der Internationale Museumsrat hat für bedrohte Kulturgüter aus dem Irak eine sogenannte Rote Notfall-Liste erarbeitet. "Es gibt bereits seit 2003 eine EU-Verordnung, die den Handel damit verbietet", sagte Markus Hilgert, Direktor des Vorderasiatischen Museums der Staatlichen Museen zu Berlin, im DLF. Deutschland bemühe sich nun, sie umzusetzen.

Markus Hilgert im Gespräch mit Burkhard Müller-Ullrich | 15.01.2016
    Die auf einen fragmentarischen Tonziegel gestempelte Widmungsinschrift des legendären babylonischen Herrschers war der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in einem Päckchen kürzlich anonym zugesandt worden.
    Die auf einen fragmentarischen Tonziegel gestempelte Widmungsinschrift des legendären babylonischen Herrschers war der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in einem Päckchen kürzlich anonym zugesandt worden. (dpa / picture alliance / Britta Pedersen)
    Burkhard Müller-Ullrich: In Berlin wurde gerade eine Rote Liste bedrohter irakischer Kulturgüter präsentiert. Es handelt sich dabei, um genau zu sein, um die deutsche Fassung einer Roten Liste, die vom Internationalen Museumsrat ICOM aufgestellt wurde. Markus Hilgert, Direktor des Vorderasiatischen Museums der Staatlichen Museen zu Berlin, solche leporelloartigen Listen werden ja schon seit etlichen Jahren für alle möglichen Weltgegenden angefertigt. Jetzt geht es um den Irak. Was genau steht auf der Liste?
    Markus Hilgert: Im Fall des Irak handelt es sich um gut 30 Objekte, die auch die gesamte Bandbreite des materiellen Kulturguts, das relevant ist im Irak, dokumentieren. Da geht es beispielsweise um Keilschrift-Tafeln aus dem dritten und dem zweiten Jahrtausend vor Christus. Es geht um Schmuck, Alltagskeramik. Es geht aber auch um Objekte aus der islamischen Epoche, also Dinge, die tatsächlich auch im Moment ganz akut durch die politische Instabilität im Irak bedroht sind.
    Müller-Ullrich: Also es sind nicht Dinge, die jetzt schon verschollen sind?
    Hilgert: Nein. Das muss man ganz dezidiert sagen. Es sind nicht Objekte, die bereits gestohlen oder geplündert worden sind, sondern es sind Objekte, die stellvertretend für Objekttypen oder Objektkategorien stehen, die sensibilisieren sollen für diejenige Art von archäologischem Kulturgut, was besonders bedroht ist. Das ist ja auch der Grund, warum das Vorderasiatische Museum hier tatsächlich aktiv mitarbeiten konnte, denn wir haben eine Großzahl von Objekten für diese Liste zur Verfügung gestellt, Objekte, die aus regulären archäologischen Grabungen im Irak stammen.
    Müller-Ullrich: Nun sagen Sie "sensibilisieren" und der Kunsthandel, von dem wir einerseits wissen, dass er natürlich schon sehr aufmerksam geworden ist auf diese Problematik, und andererseits trotzdem vielleicht noch damit handelt, der wird sich für das Proseminar bedanken.
    Hilgert: Ich glaube, dass der Kunsthandel ja durchaus ein Interesse daran hat, ein transparenter und vor allen Dingen ein legaler Kunsthandel zu sein, und im Falle des Irak ist es ja so, dass wir durch EU-Verordnungen beziehungsweise durch eine EU-Verordnung aus dem Jahr 2003 ohnehin schon uns in einer rechtlichen Situation befinden, in der wir mit archäologischen Kulturgütern aus dem Irak, die 1990 ausgeführt worden sind, nicht mehr handeln dürfen. Entscheidend ist es ja, dass Deutschland auch als Staat insgesamt seiner Verpflichtung nachkommt, diese EU-Verordnung umzusetzen, und deswegen ist es ja so wichtig, dass an den Grenzen geprüft werden kann, ob es sich bei Kulturgütern um illegal ausgeführte Kulturgüter handelt, und genau da setzen die Roten Listen ICOM an.
    Müller-Ullrich: An den Grenzen, sagen Sie? Das heißt, das geht nicht nur zu Händen des Kunsthandels, sondern auch des Zolls?
    Hilgert: Genau. Es geht zunächst einmal tatsächlich darum, dem Zoll und Ermittlungsbehörden eine Handreichung zur Verfügung zu stellen, denn Sie müssen sich ja folgendes vorstellen: Der Zollbeamte, die Zollbeamtin sind ja in der Regel nicht in Altertumswissenschaften ausgebildet. Sie sind ja darauf angewiesen, sehr schnell im Einzelfall zu entscheiden, ob es sich um ein legal oder illegal ausgeführtes Stück handelt, und das geht natürlich am besten mit bebilderten Listen, und es gibt ja auch schon eine wirklich beachtliche Reihe von Erfolgen, wo die Verwendung von Roten Listen dann auch zur Sicherstellung von illegal ausgeführten Kulturgütern geführt hat.
    Müller-Ullrich: Wie verbindlich ist das Ganze denn? Die Stücke kommen ja wahrscheinlich nicht per Direktflug aus Mossul, sondern sagen wir mal, jemand hat das in London gekauft und sagt, wieso, habe ich in London gekauft, ist doch okay, ist EU.
    Hilgert: Das kann er natürlich so sagen. Gleichzeitig ist es wie gesagt aber auch so, dass wir ja für die EU insgesamt tatsächlich für irakisches Kulturgut eine Verordnung haben aus dem Jahr 2003, die den Handel mit irakischen Kulturgütern, die nach 1990 ausgeführt worden sind, unterbindet. Insofern ist es auch wichtig, darauf hinzuweisen, dass wir für den Schutz von archäologischen Kulturgütern insgesamt eine europäische Einfuhrregelung benötigen. Das was die Novellierung des deutschen Kulturgutschutz-Gesetzes jetzt auf nationaler Ebene versucht, nämlich eine Zertifizierungspflicht einzuführen für archäologische Kulturgüter, genau das brauchen wir natürlich für den europäischen Binnenmarkt. Da gelten im Moment nur entsprechende Regelungen für Irak und Syrien, aber wir brauchen das für die archäologischen Kulturgüter der gesamten Welt, denn die archäologischen Kulturgüter sind ja von den jeweiligen Ländern in der Regel geschützt. Es gibt kaum ein Land, was die Ausfuhr, die legale Ausfuhr von archäologischen Kulturgütern vorsieht, und es ist natürlich unsere Verpflichtung, national, aber auch auf europäischer Ebene die entsprechenden Länder dabei zu unterstützen.
    Müller-Ullrich: Herr Hilgert, Hand aufs Herz. Ist das auch ein Versuch, das ja doch hier sehr umstrittene Kulturgutschutz-Gesetz zu promoten?
    Hilgert: Ich glaube, es ist wichtig zu verstehen, dass das Kulturgutschutz-Gesetz eine längst überfällige Antwort auf ein Problem ist, was seit Jahrzehnten beziehungsweise seit mehr als 100 Jahren besteht, und das Kulturgutschutz-Gesetz ist ja deswegen so bedeutsam auf der einen Seite und auf der anderen Seite aber auch deswegen so kontrovers diskutiert, weil es ein Umdenken erforderlich macht, ein Umdenken, was jetzt beispielsweise auf Seiten der Museen, auf Seiten der Wissenschaft nicht mehr so notwendig ist, was aber in der breiten Bevölkerung und vielleicht auch bei Teilen des Handels und der Sammler notwendig ist, weil wir begreifen müssen, dass archäologische Kulturgüter eben nicht nur eine reine Handelsware sind, sondern sie haben etwas mit nationaler kultureller Identität zu tun. Sie haben auch etwas mit den Wurzeln der jeweiligen Gesellschaft zu tun und insofern, glaube ich, ist es kein Promoten, sondern es ist einfach die logische Konsequenz aus einem Problem, das tatsächlich weltweit existiert und auf das Kulturgutschutz-Gesetz, die Novellierung des deutschen Kulturgutschutz-Gesetzes jetzt sehr effektiv antworten will.
    Müller-Ullrich: Markus Hilgert, Direktor des Vorderasiatischen Museums in Berlin.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.