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Bedrohte Journalisten in Dortmund
"Wir sind der schwächste Gegner"

Gaspistole, Helm und Sicherheitsweste gehören eigentlich nicht zur Standardausrüstung eines Journalisten. Doch der Dortmunder Marcus Arndt hat allen Grund, sich zu schützen: Er wurde Opfer einer Attacke von Rechtsextremen, mehrere Tage verbrachte er im Krankenhaus. Doch Arndt will sich nicht einschüchtern lassen.

Von Moritz Küpper |
    Menschen demonstrieren am 31.08.2013 gegen einen Aufmarsch von Rechtsextremen in Dortmund (Nordrhein-Westfalen). Rund 350 Rechtsextreme demonstrieren am Samstag in Dortmund.
    Demo gegen Rechtsextremismus in Dortmund im August 2014: "Die linke Szene ist zu stark geworden für die Nazis," meint der Journalist Marcus Arndt. (dpa / Marius Becker)
    Das "Café Kleinmann" in der Dortmunder Innenstadt, nur ein paar hundert Meter entfernt vom Hauptbahnhof. An der Wand hängen Blumensträuße, vor den Tischen stehen rostrot-gepolsterte Stühle. Auf einem von ihnen sitzt Marcus Arndt und berichtet. Wie viele Steine es letztendlich waren, die nach ihm geworfen wurden, weiß auch er nicht mehr:
    "Ich kann nur von drei Steinen sprechen, weil drei mich getroffen haben, wie viele es jetzt letztendlich waren, kann ich nicht sagen. Zwei haben mich dann an der Brust getroffen. Ich trage ja diese Weste, die das abgefangen hat, und einer hat mich nur am Kopf gestreift, nur ist gut, aber er hat mich halt gestreift. Eine Person hat dann gerufen: Linke Sau, wir töten dich. Und war für mich klar, jetzt wird es richtig ernst und hatte dann die Waffe gezogen, hatte die dann durchgeladen und das hatten sie auch bemerkt, sie stutzen sehr, der eine rempelte den anderen an, so hatte ich das noch im Gedächtnis gehabt - und dann sind sie weggerannt."
    Vielleicht war es die Gaspistole, die Arndt rettete. Wenn er alleine ist, trägt er diese bei sich, nachdem Anfang Februar im Internet Todesanzeigen auftauchten, auf denen sein Name stand, trägt er diese mit sich rum, wenn er alleine ist. "Nach seinem hoffnungslosen Kampf gegen nationale Aktivisten bedeutet sein baldiger Tod mehr als eine Erlösung", hieß es da, wohl von Nazis verfasst. Die Polizei in Dortmund sprach von einer neuen Eskalationsstufe - bis zu dieser Woche, bis zu dem Überfall auf Arndt.
    "Körperlich geht es mir gut, aber seelisch versuche ich jetzt mit vielen Personen im Hintergrund dieses aufzuarbeiten und wegzuarbeiten. Es ist schon was anderes."
    Linke Szene ist zu stark für die Nazis
    Seit über 20 Jahren dokumentiert der 43-Jährige Aktionen der rechten Szene, erhielt auch schon früher Todesdrohungen, beispielsweise über das Telefon bei seinen Eltern, aber die jetzige Situation habe doch noch eine neue Qualität. In Dortmund gebe es zwar schon seit Jahren eine aktive Neonazi-Szene, aber auch der Bürgermeister-Rücktritt von Tröglitz in Sachsen-Anhalt nach NPD-Demos vor seinem Haus in dieser Woche passe ins Bild:
    "Es sind Einschüchterungsversuche und ja, ich sehe das schon so in einer Linie. Da steckt auch die typische Methode dahinter, Menschen einfach einzuschüchtern, um sie von ihrem Tun einfach abzuhalten."
    Zusammen mit Arndt ist auch Sebastian Weiermann zu dem Termin gekommen. Gemeinsam waren sie diese Woche auch schon beim Staatsschutz, auch Weiermann berichtet seit Jahren über Neonazis in Dortmund, auch er ist schon bedroht worden, auch sein Name stand auf den virtuellen Todesanzeigen. Für ihn ist es kein Zufall, dass es nun verstärkt Journalisten trifft, denn die linke Szene in Dortmund sei mittlerweile zu stark für die Nazis:
    "Die können nicht einschätzen, was passiert, wenn sie jemanden, den sie als Antifa-Aktivisten outen, angreifen. Und bei uns Journalisten wissen sie, hinter uns steht vielleicht eine Redaktion beziehungsweise bei uns als Freien steht da nicht viel hinter außer ein paar Freunden. Wir sind halt der schwächste Gegner. Und andererseits reihen sie sich damit natürlich auch in so eine bundesweite Tendenz ein. Das ist ja einmal Pegida, Hogesa und so weiter, die gegen die Lügenpresse hetzen."
    Smartphone-App für Kriegsreporter
    Bereits am morgigen Samstag wird es wohl weitergehen: Auch Arndt und Weiermann wollen nach Wuppertal fahren, um zu berichten, wenn erstmals in Deutschland Salafisten, die "Pegida"-Bewegung, Rechtsextreme, Hooligans sowie linke und bürgerliche Gegendemonstranten alle zeitgleich demonstrieren wollen. Es ist Arndts erster Arbeitstag seit dem Vorfall, aber:
    "Für mich ist das ein Demo-Tag wie jeder andere auch. Der einzige Unterschied ist, dass ich vorsichtiger sein werde bei der Anreise, bei der Abreise, mich mit vielen Leuten absprechen werde, wie wir anreisen werden."
    Denn obwohl die Polizei nun verstärkt Streife an seinem Wohnort fährt und auch Weiermann und andere Kollegen in Kontakt mit den Beamten stehen, sichern sich die Journalisten nun verstärkt selbst ab. Seit den virtuellen Todesanzeigen trägt Arndt, wenn er alleine ist, eben eine Gaspistole mit sich rum, auf Demonstrationen zieht er eine stichhemmende Weste an. Durch eine besondere Smartphone-App, eigentlich für Kriegsreporter entwickelt, lassen sich Hilferufe absetzen.
    Doch während diese Schutzmaßnahmen nun präventiv sind, ist Arndt guter Hoffnung, dass - im Nachgang zu Montag - nun auch die Täter ermittelt werden. Er setze auf das Bildmaterial von Videokameras. Der Effekt, so Arndt, wäre jedenfalls groß - auch und gerade in Dortmund:
    "Dass man nicht mehr machen kann, was man möchte. Die Neonazis haben bisher eigentlich immer das getan, was sie wollten, weil sie sich immer auch am Rande der Legalität bewegt haben."