Schon im 18. Jahrhundert kannte der namhafte Naturforscher Carl von Linné Korallen, die auch in den kalten Tiefen des Nordatlantik Riffe bilden. Allerdings konnte der passionierte Biologe damals noch nicht ahnen, welche riesigen Gebilde noch für weitere Jahrhunderte in den unwirtlichen Tiefen verborgen bleiben sollten. "Diese Riffe finden wir überall entlang der norwegischen Küste: in fast allen tiefen Fjorden, im tiefen, kalten Wasser und dort, wo der Kontinentalsockel in die Tiefsee abfällt bis hinab zu 500 Metern Wassertiefe", schildert Jan Helge Fossa vom Institut für Marineforschung in Bergen. Lophelia pertusa heißt der Erbauer der Kunstwerke - eine Korallenart, deren Zentimeter lange Individuen zu Kugeln mit einem Radius von bis zu zwei Metern heranwachsen können und so jene kaum erforschten Riffe vor den Küsten Norwegens, Schottlands und Irlands erschuf. Nur mit Hilfe unbemannter U-Boote der Ölindustrie konnten die Meeresbiologen diese Riffe bislang untersuchen. Dabei stießen die Wissenschaftler vor den Lofoten auf das bislang größte Nordatlantikriff seiner Art: Lophelia pertusa baute dort einen Riffkörper von 35 Kilometern Länge, drei Kilometern Breite und 300 Metern Höhe auf. Datierungen konnten zeigen, dass die Korallen sich nach dem Ende der jüngsten Eiszeit hier ansiedelten und die ältesten der bekannten Riffe es auf 8500 Jahre bringen.
Trotz der Kälte ist der Nordatlantik ein Paradies für Lophelia: Die heftigen Strömungen reißen den störenden Sand fort und spülen überdies reichlich das Hauptnahrungsmittel Plankton heran. Weil Lophelia im Gegensatz zu tropischen Korallen nicht mit Algen in Gemeinschaft lebt, ist sie auf Licht nicht angewiesen. Nur so konnte sie die lichtlosen Meerestiefen für sich erobern. Doch damit ist das Wissen der Biologen schon fast erschöpft, denn Biologie und Ökologie der in 200 bis 300 Metern Tiefe lebenden nordischen Kaltwasserriffe sind weitgehend unbekannt. "Wir katalogisierten bislang rund 800 Arten, sowohl Fische als auch vor allem Wirbellose. Weil dort kein Licht hinkommt, ist die Fischvielfalt geringer und es gibt keine Algen. Das ist der wichtigste Unterschied zu den tropischen Riffen", resümiert Fossa. Dagegen sei die Vielfalt bei den Wirbellosen in etwa gleich mit den tropischen Verwandten. Die von eintönigen Sandflächen umgebenen Tiefwasserriffe gehörten zu den vielfältigsten Lebensräumen im Nordatlantik: In und an den Tiefwasserriffen leben Muscheln und andere Korallenarten, die keine Riffe bauen, Brachiopoden, Garnelen und etliche Krustentiere. So bilden die Riffe eine wichtige Lebensgrundlage für Fische, die dort Nahrung sowie Schutz suchen. Videoaufnahmen der Forscher zeigen etwa viele "schwangere" Rotbarschweibchen. Die lebendgebärenden Fische scheinen sich dort sicher zu fühlen.
Doch die Idylle ist bedroht: Bei der Analyse kommerzieller Fänge zweier Trawler vor Irland und Schottland fanden die Meeresbiologen heraus, dass die massiven Netze, die mit Metallreifen über den Grund gezogen werden und an deren Öffnungen tonnenschwere Metallplatten montiert sind, wie gewaltige Pflüge auf den Meeresgrund wirken. Metergroße Riff-Fragmente landeten im Netz. Die Trawler verlassen zerstörte Riffe und ihre schweren Netze hinterlassen kilometerlange Narben. Dazu Jan Helge Fossa: "Diese Korallen wachsen vielleicht gerade zehn Millimeter im Jahr. Eine Kolonie mit zwei Metern Durchmesser zu bilden, dauert Jahrhunderte. Wenn die Trawler die Riffe bis zur Basis aufreißen, die aus toten Korallen besteht und auf der die Lebenden siedeln, kann es Jahrtausende dauern, ehe dort wieder ein neues, komplettes Riff entsteht. Wir sind sehr besorgt. In unseren Augen sind das dauerhafte Schäden." Die Wissenschaftler fordern jetzt die sofortige Kontrolle der Tiefseefischerei. Rund 50 Prozent der Riffe sollen seit dem Ende der 80er Jahre zerstört worden sein, lauten norwegische Schätzungen. Dort sind die Riffe jetzt geschützt – aber nur, so weit sie bekannt sind.
[Quelle: Dagmar Röhrlich]
Trotz der Kälte ist der Nordatlantik ein Paradies für Lophelia: Die heftigen Strömungen reißen den störenden Sand fort und spülen überdies reichlich das Hauptnahrungsmittel Plankton heran. Weil Lophelia im Gegensatz zu tropischen Korallen nicht mit Algen in Gemeinschaft lebt, ist sie auf Licht nicht angewiesen. Nur so konnte sie die lichtlosen Meerestiefen für sich erobern. Doch damit ist das Wissen der Biologen schon fast erschöpft, denn Biologie und Ökologie der in 200 bis 300 Metern Tiefe lebenden nordischen Kaltwasserriffe sind weitgehend unbekannt. "Wir katalogisierten bislang rund 800 Arten, sowohl Fische als auch vor allem Wirbellose. Weil dort kein Licht hinkommt, ist die Fischvielfalt geringer und es gibt keine Algen. Das ist der wichtigste Unterschied zu den tropischen Riffen", resümiert Fossa. Dagegen sei die Vielfalt bei den Wirbellosen in etwa gleich mit den tropischen Verwandten. Die von eintönigen Sandflächen umgebenen Tiefwasserriffe gehörten zu den vielfältigsten Lebensräumen im Nordatlantik: In und an den Tiefwasserriffen leben Muscheln und andere Korallenarten, die keine Riffe bauen, Brachiopoden, Garnelen und etliche Krustentiere. So bilden die Riffe eine wichtige Lebensgrundlage für Fische, die dort Nahrung sowie Schutz suchen. Videoaufnahmen der Forscher zeigen etwa viele "schwangere" Rotbarschweibchen. Die lebendgebärenden Fische scheinen sich dort sicher zu fühlen.
Doch die Idylle ist bedroht: Bei der Analyse kommerzieller Fänge zweier Trawler vor Irland und Schottland fanden die Meeresbiologen heraus, dass die massiven Netze, die mit Metallreifen über den Grund gezogen werden und an deren Öffnungen tonnenschwere Metallplatten montiert sind, wie gewaltige Pflüge auf den Meeresgrund wirken. Metergroße Riff-Fragmente landeten im Netz. Die Trawler verlassen zerstörte Riffe und ihre schweren Netze hinterlassen kilometerlange Narben. Dazu Jan Helge Fossa: "Diese Korallen wachsen vielleicht gerade zehn Millimeter im Jahr. Eine Kolonie mit zwei Metern Durchmesser zu bilden, dauert Jahrhunderte. Wenn die Trawler die Riffe bis zur Basis aufreißen, die aus toten Korallen besteht und auf der die Lebenden siedeln, kann es Jahrtausende dauern, ehe dort wieder ein neues, komplettes Riff entsteht. Wir sind sehr besorgt. In unseren Augen sind das dauerhafte Schäden." Die Wissenschaftler fordern jetzt die sofortige Kontrolle der Tiefseefischerei. Rund 50 Prozent der Riffe sollen seit dem Ende der 80er Jahre zerstört worden sein, lauten norwegische Schätzungen. Dort sind die Riffe jetzt geschützt – aber nur, so weit sie bekannt sind.
[Quelle: Dagmar Röhrlich]