Das blaue Boot liegt mit dem Kiel nach oben am Ufer. Damit es bei Regen nicht vollläuft. Ein guter Platz für eine Pause, doch Miguel Angel Bravo, warnt: Das Gepolter auf dem Boot könnte Tiere alarmieren, die darunter dösen. Schlangen zum Beispiel. Doch dann setzt sich der Biologe doch hin.
"Die werden leider auch immer weniger. Der Klimawandel. Außerdem geht der Bestand an Kaninchen seit 20 Jahren zurück. Das führt dazu, dass bestimmte Raubtiere jetzt mehr von Amphibien oder Reptilien leben. So sehen wir immer weniger Schlangen oder auch Echsen."
Nachdenkliche Töne, obwohl der Blick von hier aus über ein Paradies wandert: Santa Olalla, eine Lagune, etwa einen Quadratkilometer groß, umsäumt von hohem Gras und Schilf. Vögel lassen sich im Wasser nieder, Flamingos stochern mit ihren dünnen Beinen und langen Schnäbeln nach Krebsen. Dahinter wachsen knorrige Kiefern aus dem Sand, vor ihnen enorme Wanderdünen. Eine Messlatte im Wasser zeigt einen Pegel von zwei Metern an.
Die Lagunen von Doñana sind ein direkter Gradmesser für den Grundwasserspiegel, erklärt Miguel Angel Bravo, ihr Pegel steigt und sinkt stark mit den Jahreszeiten:
"Im Winter und Frühling, wenn es mehr regnet und das Wasser auch nicht verdunstet, ist auch mehr Wasser in den Lagunen. Im Sommer ist es anders. Dann kommen zur Trockenheit und hohen Temperaturen auch noch die Touristen in der Nähe hinzu. Manche Lagunen trocknen dann ganz aus. Aber bei dieser hier sinkt der Wasserspiegel zwar stark, aber nur bei längeren Dürren wie zuletzt in den 1990er-Jahren führt sie kein Wasser mehr."
"Wir können am Grundwasserspiegel sehen, wann die Sommersaison losgeht"
Vor 30 Jahren kam der heute 54-Jährige nach Abschluss seines Biologiestudiums in Madrid in den Naturpark. Der Oberste Wissenschaftsrat Spaniens, abgekürzt CSIC, betreibt hier einen seiner ältesten Stützpunkte. Auch nach 30 Jahren habe der Ort nichts von seiner Faszination für ihn verloren. Auch nicht für seine Partnerin, sagt Miguel Angel Bravo. Sie sei wegen Doñana gekommen, aber vielleicht ja wenigstens seitenwegen geblieben, meint er schmunzelnd durch den dichten Vollbart.
Die Lagunen von Doñana sind nicht isoliert von den Problemen, die sich draußen vor den Zäunen abspielen. Dort liegt zum Beispiel der Ferienort Matalascañas, der in jedem Sommer dramatisch wächst - von 3.000 gemeldeten Einwohnern auf 100.000 Menschen.
"Wir können anhand des Grundwasserspiegels sehen, wann Wochenende ist, wann Ostern, wann die Sommersaison losgeht und wann sie zu Ende ist. Am Wochenende sinkt die Kurve in den Aufzeichnungen zwei Tage lang. Wenn es dann mal vier Tage sind, wissen wir, dass muss die Semana Santa gewesen sein."
Eine Woche mit vielen Feiertagen. Das spüren die Lagunen sofort. Dann sinkt der Grundwasserspiegel, weil die Touristen viel Wasser verbrauchen. In Santa Olalla sei das weniger anschaulich als an anderen Orten des Naturparks, sagt Bravo, und steigt vom Boot in den Geländewagen. Er fährt nur wenige Minuten, dann hält er an:
"Dieses Gestrüpp mit den gelben Blüten dort sind Zistrosen. Das ist eine typische Vegetation für Dünen. Sie benötigen eigentlich gar kein Wasser aus dem Boden. Man muss sich klar machen: Wir stehen hier vor einer Lagune. Und diese Pflanze, spezialisiert für extrem trockene Böden, überzieht schon einen großen Teil des Grunds. Wenn es hier wenigstens noch ein bisschen feucht wäre, wäre hier eine ganz andere Vegetation."
Dieser Beitrag gehört zur fünfteiligen Reportagereihe "Andalusien - Ausbeutung der Wasserreserven".
Seltene Entenarten, die im Schutz von Uferpflanzen brüteten, seien in Doñana kaum noch zu sehen, erzählt er. In nur ein paar hundert Metern Entfernung beginne der Tourismuskomplex Matalascañas, der den Lagunen das Wasser abpumpt. Und weil zusätzlich die Landwirtschaft illegale Pumpen betreibe, trockneten auch die wichtigsten Zuflüsse vor Doñana aus.
"Diese Lagune hat schon seit 15 Jahren kein Oberflächenwasser gehabt. Und das war früher eine Lagune mit einem Meter Wasser. Mit Enten. Eine Lagune eben. Das macht einen schon hoffnungslos. Wir haben ein Problem. Ein großes Problem."
Am Tor zum Naturpark bewacht ein Wärter den Zugang zum Gelände, neben ihm eine in Stein gemeißelte Statue des iberischen Luchses. Die Spanier sind stolz darauf, dass sie dem Tier, das noch vor wenigen Jahren vom Aussterben bedroht war, hier ein letztes Refugium bieten konnten. Nun konnte sich die Population wieder über die ganze iberische Halbinsel ausgebreiten. Das gebe Hoffnung, auch für die Lagune, sagt Miguel Angel Bravo zum Abschied:
"Der Luchs ist ein Symbol. Für die Erhaltung der Arten. Er ist auch das Symbol der Biologischen Forschungsstation in Doñana. Für mich ist der Luchs auch ein Erfolgsbeispiel. Er hat eine gute Zukunft vor sich. Ohne solche Beispiele wäre unsere Arbeit schon sehr traurig."