Zu Beginn der Planung des Beethoven-Jubiläumsjahres habe die Frage gestanden: Braucht es überhaupt ein Jubiläum, sagte Malte Boecker, Künstlerischer Geschäftsführer der Jubiläumsgesellschaft "BTHVN 2020" und Direktor des Vereins Beethoven-Haus Bonn, im Deutschlandfunk.
"Wir haben für uns die Entscheidung gefällt: Wir wollen es feiern, aber nicht indem wir noch mehr Sinfonien, Klaviersonaten und Quartette aufführen, sondern indem wir Beethoven in einen ganz neuen Kontext stellen wollen."
Beethoven "in heutige Zeit übersetzen"
Denn abseits des Kanons an Werken, die immer wieder in Konzertsälen aufgeführt werden, gebe es viel auch bei Beethoven selber zu entdecken.
"Wir wollen Beethoven in die heutige Zeit übersetzen, und fragen: Das wofür er stand, die Freiheitswerte, die Brüderlichkeit aller Menschen, wie verträgt sich das mit jüngeren Entwicklungen von Nationalismen und der 'Festung Europa'?"
Dabei solle kein bestimmtes Beethoven-Bild vorgegeben werden. In 300 Projekten mit tausenden von Veranstaltungen deutschlandweit sollten vielmehr unterschiedliche Perspektiven auf Beethoven eröffnet werden. Darin enthalten sei die Einladung: Lasst Euch neu auf Beethoven ein, versucht, ihn neu zu entdecken.
Deswegen gebe es darunter auch viele Projekte, die das Konzerthaus und den roten Teppich verließen und an Orte gingen, in denen Beethovens Musik keine Rolle spiele und zu Menschen, die seiner Musik noch nie begegnet seien.
Ein junger Künstler, der die Welt verändern will
Dadurch solle auch die Bedeutung klassischer Musik gefördert werden: "Wer Beethoven feiert, feiert klassische Musik an sich."
Beethoven transportiere ein positiv besetztes Wertesystem und eigne sich dazu, die "guten Absichten der europäischen, demokratischen, freiheitlichen Entwicklung" auf ihn zu projizieren. Das Times Magazine habe Beethoven einmal zu den 100 einflussreichsten Persönlichkeiten der Menschheitsgeschichte ernannt und so sehe auch er, Malte Boecker, den Stellenwert des Komponisten.
In seinem ersten Lebensdrittel sei Beethoven nicht der alte, taube, grimmige Misanthrop gewesen, als der er häufig dargestellt werde. "Da ist ein junger Künstler, der will die Welt verändern, der entdeckt, dass Musik ein Mittel ist, um mit Menschen in großer Zahl kommunizieren zu können. Er griff damals nach den Sternen."
Mit Beethoven zu den "Kernfragen unserer Gesellschaft"
Das sei der Künstler, den er besonders interessant finde, sagte Malte Boecker: Ein Künstler, der erkenne, dass sich die Gesellschaft verändert.
Beethoven brauche das Jubiläumsjahr nicht – er sei der am meisten gespielte Komponist. Das Jubiläumsjahr diene aber dazu, uns zu vergewissern, welche Bedeutung die bürgerliche Revolution von 1789 hatte, auf die Beethoven reagiert habe und deren Werte er in seiner Musik hervorhebe: die Freiheit des Einzelnen, Brüderlichkeit aller Menschen, die Frage nach dem Verhältnis von Mensch und Natur.
"Wir werden über Beethoven zu Kernfragen unserer Gesellschaft geführt."
Von dem Jubiläumsjahr erhofft sich Malte Boecker, "dass sich im öffentlichen Bewusstsein durchsetzt, dass es tatsächlich eine Beethoven-Stadt Bonn gibt. Ich glaube, dass die Vielen nicht geläufig war." Vor allem aber:
"Ich hoffe, wir werden ganz viele Menschen neugierig machen, sich mit Beethoven neu zu befassen. Den alten Titanen über Bord werfen und sich auf den Menschen und das Werk einlassen - das ist sehr, sehr spannend."