In einigen Medien war zudem von einer "Studie" zu lesen. Es handelte sich aber um eine Befragung, die zudem über das Internet vorgenommen wurde, was zu Verzerrungen geführt haben könnte.
Intensivpädagoge Baumann: Online-Befragungen bieten Grund zur Skepsis
Menno Baumann, Professor für Intensivpädagogik, schrieb auf Twitter, zwar seien traditionalistische Familien- und Geschlechterrolleninszenierungen ein großer Risikofaktor für familiäre Gewalt auf allen Ebenen; dies betone die interdisziplinäre Gewaltforschung seit Jahren. Einen Medienbericht dazu, ohne dass ein Blick auf Studiendesign und Daten möglich sei, finde er aber schwierig.
Bei Online-Befragungen sieht Baumann Grund zur Skepsis - etwa weil diese "gekapert" worden sein könnten, also der Link zur Umfrage innerhalb einer "Blase" gleichgesinnter Menschen mehrfach geteilt worden sein könnte. In dem Bericht zur Studie seien die Aussagen zur Methodik dünn, die Darstellung des Zugangs zur Umfrage fehle, bemängelte der Professor an der Fliedner-Fachhochschule Düsseldorf.
Dlf-Wissenschaftsredakeurin: Redaktionen stehen unter Druck - niemand will Themen hinterherlaufen
Die Dlf-Wissenschaftsredakeurin Kathrin Kühn wurde nach eigener Aussage stutzig, als sie von der Umfrage hörte. Es seien viele Fragezeichen aufgekommen, sagte Kühn in der Sendung @mediasres. Diese hätten sich später beim Lesen der Ergebnisse auch bestätigt, etwa was den Begriff "repräsentativ" angeht. Kühn, früher selbst als Nachrichtenjournalistin tätig, verwies unter anderem auf die Dynamik in Redaktionen. Diese seien häufig an Wochenenden personell dünner besetzt. Zudem schafften bestimmte Themen von Vornherein mehr Aufmerksamkeit. "Eigentlich hat kein Medium ein Interesse daran, bei wichtigen Themen hinterher zu stehen", erläuterte sie.
Zuvor hatte die Wissenschaftsredakeurin bei Twitter eine Analyse vorgenommen. Die Ergebnisse der Umfrage seien überraschend gewesen. Überraschung sei ein "Alarmglöckchen", solche Aussagen zu prüfen. Am Umfragedesign kritisierte Kühn, dass Frauen und Männern unterschiedliche Fragen gestellt wurden.
Für die Erhebung haben den Angaben von Plan International zufolge im März jeweils 1.000 Männer und Frauen zwischen 18 und 35 Jahren an einer standardisierten schriftlichen Online-Befragung teilgenommen und über ihre Vorstellungen von Männlichkeit Auskunft gegeben. Themen waren unter anderem die Rollenverteilung in Beziehungen, der Umgang mit Gefühlen, Gewaltanwendung, der Umgang mit Problemen und Selbstfürsorge.
Kaum Unterschiede zwischen verschiedenen Alters- und Bildungsgruppen
Man habe junge Erwachsene mit unterschiedlichen Bildungsabschlüssen aus allen Regionen des Landes repräsentativ befragt, erklärte Alexandra Tschacher, Sprecherin von Plan International Deutschland, auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur. Auch nach Alter sei noch einmal in drei Gruppen unterschieden worden (18-24, 25-29, 30-35). Nennenswerte Unterschiede zwischen den Alters- und Bildungsgruppen habe es nicht gegeben.
Um keine Vorurteile zu schüren, habe man bewusst darauf verzichtet, nach Religion, Nationalität und Migrationshintergrund zu fragen, fügte sie hinzu. Genau danach wurde in zahlreichen Kommentaren im Internet nach der Veröffentlichung häufig gefragt.
Den Teilnehmern wurden Aussagen vorgelegt, die sie auf vier Weisen beantworten konnten: stimme gar nicht zu, stimme eher nicht zu, stimme eher zu, stimme voll und ganz zu. In den Ergebnissen wurden dann "stimme eher zu" und "stimme voll zu" zusammengefasst.
33 Prozent finden es "akzeptabel", wenn einem die Hand ausrutscht
Die Befragung kommt unter diesen Umständen unter anderem zu dem Ergebnis, dass traditionelle Rollenbilder bei jungen Männern offenbar teils für eine hohe Akzeptanz von Gewalt in der Partnerschaft führen. Demnach gaben 33 Prozent der befragten Männer an, es "akzeptabel" zu finden, wenn ihnen im Streit mit der Partnerin gelegentlich "die Hand ausrutscht". 34 Prozent seien gegenüber Frauen bereits handgreiflich geworden, um ihnen Respekt einzuflößen. 14 beziehungsweise 17 Prozent der befragten Frauen stimmen diesen beiden Aussagen zu männlicher Gewalt ebenfalls zu.
Hinweis: Auch in den Deutschlandfunk-Nachrichten haben wir über die Umfrage berichtet, ohne die Methodik zu erläutern.
(Mit Material der KNA)
Diese Nachricht wurde am 13.06.2023 im Programm Deutschlandfunk gesendet.