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Befristung von Lehrern
"Am ersten Ferientag ist der Termin beim Arbeitsamt"

Zum dritten Mal wird Lehrerin Irina Schaefer zu den Sommerferien arbeitslos - so wie knapp 5.000 Lehrkräfte in Deutschland. Die Befristung der Verträge erschwere die Arbeit mit den Kindern und ihre eigene Lebensplanung, so Schaefer im Dlf. Deshalb denke sie auch darüber nach, den Beruf zu wechseln.

Irina Schaefer im Gespräch mit Regina Brinkmann |
    Eine Lehrerin sitzt vor einer leeren Tafel und schaut aus dem Fenster
    In den Sommerferien werden viele angestellte Lehrer in die Arbeitslosigkeit entlassen (imago/Xu Grabowsky)
    Regina Brinkmann: Sechs Wochen Sommerferien, um die werden Lehrer ja meistens eher beneidet. Allerdings gibt es bundesweit fast 5.000 Lehrkräfte, die sich mit Beginn der großen Ferien erst einmal auf den Weg zur Arbeitsagentur machen müssen, mehrheitlich in Bundesländern in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz werden sie über die Ferienzeit nicht weiter bezahlt, und erst mit Beginn des nächsten Schuljahrs wieder neu eingestellt. Allein Baden-Württemberg spart mit dieser Personalpolitik nach eigenen Angaben 12,5 Millionen Euro.
    Und von dieser Praxis ist auch Irina Schaefer betroffen, Lehrerin an einer Realschule in Baden-Württemberg. Guten Tag, Frau Schaefer!
    Irina Schaefer: Guten Tag!
    "Die letzten zwei Jahre gab es Hartz-IV oder gar nichts"
    Brinkmann: Frau Schaefer, was erwartet Sie in diesen Sommerferien?
    Schaefer: Am ersten Ferientag ist tatsächlich schon der festgelegte Termin beim Arbeitsamt, um mich arbeitslos zu melden, das dritte Jahr jetzt in Folge. Immerhin diesmal mit der Aussicht auf Arbeitslosengeld. Die letzten zwei Jahre gab es Hartz-IV oder gar nichts.
    Brinkmann: Warum gab es nur Hartz-IV?
    Schaefer: Direkt nach der Ausbildungszeit - die Ausbildungszeit wird nicht gerechnet, und wir werden als Lehrer in Baden-Württemberg immer erst mal entlassen nach dem Referendariat. Da wir aber im Referendariat verbeamtet sind, bekommen wir danach kein Arbeitslosengeld, weil wir ja nicht in die Arbeitslosenkasse gezahlt haben. Dann wurde ich für elf Monate eingestellt als Krankenvertretung und pünktlich zu den Sommerferien natürlich wieder entlassen. Und da das nur elf Monate waren und keine zwölf, reicht das immer noch nicht für Arbeitslosengeld.
    Spontan in der Schule irgendwie zurechtfinden
    Brinkmann: Jetzt ist es ja das dritte Mal in Folge. Das heißt, Sie haben in gewisser Weise eine traurige Routine schon mit dieser Situation. Wie geht es denn dann meistens nach diesen Sommerferien weiter für Sie?
    Schaefer: Ich hatte ganz ehrlich das Glück, schon immer vor den Sommerferien zu erfahren, dass ich auch nach den Sommerferien im September wieder eingestellt werde. Also es war klar, es ist ein Bedarf da, man wird auch eingestellt, aber trotzdem erst zum Beginn des Schuljahres. Und meistens habe ich auch die Information dann, an welche Schule es geht, welche Fächer ich dann dort unterrichten werde und ähnliche Dinge, erst sehr kurz vor Ende der Sommerferien oder tatsächlich zu Beginn des neuen Schuljahres dann erfahren und musste mich dann halt spontan in der Schule irgendwie zurechtfinden.
    Brinkmann: Wie beeinflusst das Ihre Arbeit als Lehrerin?
    Schaefer: Es macht es auf jeden Fall schwerer, es macht es auch anstrengender, sowohl für mich, als auch natürlich für die Schüler, für die Eltern, sich sehr kurzfristig da immer auf neue Personen einzulassen. Es macht Beziehungsarbeit, die ich viel wichtiger natürlich erst mal finde als diesen fachlichen Inhalt, der dann eigentlich noch kommt, viel schwieriger. Es macht das Einleben in ein Kollegium, die Arbeit außerhalb des Unterrichts wesentlich schwerer. Es geht natürlich trotzdem alles, aber nur mit mehr Aufwand, mit mehr Engagement und immer mit der Aussicht, na ja, ich werd ja hier demnächst auch dann wieder rausgerissen. Und dann muss ich von vorne anfangen.
    "Man tut sich schwer, irgendwo Geld beiseite zu legen"
    Brinkmann: Ist das auch eine Haltung, die Sie dann im Kollegium oder auch bei den Eltern spüren, die ist ja eh nach den Ferien wieder weg oder vor den Ferien?
    Schaefer: Ich hab es schon in einem Kollegium erlebt, hatte aber das Glück, auch zwei andere Kollegien zu erleben, in denen ich trotzdem sehr gut aufgenommen wurde, die mich sehr unterstützt haben, damit es funktioniert. Und von der Elternseite eher eigentlich natürlich ein Unverständnis, wie kann so was sein? Warum können Sie nicht bleiben?
    Brinkmann: Wie beeinflusst das Ihre Lebensplanung?
    Schaefer: Wenn man natürlich nie weiß, wo geht es im nächsten Frühjahr hin, bekomme ich irgendwann eine feste Stelle? Habe ich irgendwann mal die Möglichkeit, irgendwas mir aufzubauen? Das fängt ja schon an, wenn man die Aussicht immer wieder hat, mit befristetem Vertrag, mit Arbeitslosigkeit, keine Möglichkeit natürlich, jemals einen Kredit aufzunehmen. Man tut sich schwer, irgendwo Geld beiseite zu legen, wenn man jedes Jahr zwei Monate Arbeitslosigkeit überbrücken muss. Also, die liegt so ein bisschen auf Eis, die Planung.
    "In der Privatwirtschaft gibt es selten solche Verträge"
    Brinkmann: Haben Sie unter diesen Umständen auch schon mal darüber nachgedacht, Ihren Beruf aufzugeben?
    Schaefer: Ja. Ich bin im Moment tatsächlich an dem Punkt – ich hatte jetzt innerhalb vom Schuljahr noch eine Abordnung, das heißt, ich wurde mitten im Schuljahr auch noch mal an eine andere Schule geschickt und habe da zu dem Zeitpunkt beschlossen, entweder, es klappt jetzt mit einer festen Anstellung nach den Sommerferien, oder ich versuche es natürlich erst mal in der privaten Bildungswirtschaft, und wenn sich da nichts findet, dann tatsächlich in der Privatwirtschaft. Da gibt es selten solche Verträge.
    Brinkmann: Das Kultusministerium in Baden-Württemberg, wir haben es gestern angefragt, weist den Eindruck, Lehrkräfte würden ohne Grund in die Arbeitslosigkeit entlassen, entschieden zurück. 3.300 Lehrer mit einem befristeten Arbeitsvertrag sind in Baden-Württemberg betroffen. Der Mehrzahl könne keine unbefristete Anstellung angeboten werden, da sie ihre Ausbildung noch nicht abgeschlossen haben oder keine Lehramtsausbildung absolviert hätten. Einige seien Pensionäre, die gar nicht arbeitslos werden könnten, heißt es in der schriftlichen Erklärung, und unter den restlichen rund 650 Lehrkräften seien durchaus auch solche, die sich bewusst für diese Situation entschieden haben. Rechnet sich die Landesregierung die Situation schön, oder wie würden Sie den Umgang mit Lehrkräften wie Ihnen bewerten?
    Schaefer: Ich kenne jetzt natürlich deren Statistiken nicht, erst, als Sie es jetzt gesagt haben. Ich kann nur aus meiner privaten Erfahrung sprechen. Ich habe ein Lehramtsstudium absolviert, ich habe einen Abschluss gemacht. Der war jetzt nicht der supertolle Mega-Abschluss, aber mit etwa 2,5 also auch nicht völlig daneben. Und die Vertretungskräfte, die ich sonst bislang kennengelernt habe, hatten auch alle einen regulären Lehramtsabschluss. Also, ich kann aus der privaten Erfahrung dieser Argumentation nicht folgen.
    Von Stuttgart bis hoch auf die Alb
    Brinkmann: Das heißt, Sie würden sich keiner dieser Gruppen zuordnen?
    Schaefer: Nein, und auch nicht denen, die sich bewusst entschieden haben. Da war ja wirklich auch bei dieser bewussten Entscheidung die Ansicht, man würde sich nur auf einen ganz kleinen Kreis bewerben. Ich habe mich – das sind Regierungsbezirke in vier verschiedenen Schulamtsbezirken beworben, da ist unter anderem auch die Schwäbische Alb mit dabei, die eigentlich schon seit Jahren über mangelnde Lehrkräfteversorgung klagt. Da war auch Stuttgart dabei, die auch an Brennpunktschulen teilweise wirklich auch Leute suchen. Also ich kann es mir schwer vorstellen. Mein Bewerbungsbereich ging wirklich von Stuttgart bis hoch auf die Alb.
    Brinkmann: So weit Irina Schaefer, Lehrerin an einer Realschule in Baden-Württemberg, die auch in diesem Jahr mit Beginn der Sommerferien am 26. Juli ihren Job verliert und sehen muss, wie sie sich in den nächsten Wochen finanziell über Wasser hält. Vielen Dank, Frau Schaefer!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.