Die Musik aus den Lautsprechern klang so pompös, als ob auf dem Krönungsweg zwischen Dom und Römer in Frankfurt am Main wieder ein deutscher Kaiser auf den Thron gehoben werden sollte - wie so oft im Mittelalter an dieser Stelle. Doch es war der sozialdemokratische Oberbürgermeister Peter Feldmann, der von Fanfarenstößen begleitet das rote Band durchschnitt, um die Teilrekonstruktion der im Krieg zerstörten Altstadt der Mainmetropole offiziell zu eröffnen:
"Wir eröffnen feierlich diese Altstadt, ich freue mich, dass zahlreiche Gäste mitgekommen sind. Ich habe mir selbst persönlich erlaubt, mich - ich will jetzt nicht übertreiben, untertreiben - ein gutes dutzend Mal inzwischen als Stadtführer hier zu betätigen. Weil dieses Stadtquartier mir tatsächlich, bei aller anfänglichen Skepsis, doch sehr ans Herz gewachsen ist."
Ursprüngliche Kritiker sind begeistert
Der Frankfurter Oberbürgermeister hatte das Projekt zu Planungsbeginn abgelehnt, wie viele andere Kritiker einer historisierenden Rekonstruktion der kriegszerstörten Altstadt. Auch Projektleiter und Architekt Michael Guntersdorf war zunächst nicht der Fan der "neuen" Altstadt Frankfurt am Main, der er heute ist. Es ist vor allem die handwerkliche Ausführung der Bauten, die ihn heute restlos vom Projekt überzeugt:
"Was an alter Handwerkskunst hier noch gezeigt wird, die Schieferdeckereien, die Schnitzerei da vorne am Haus und was hier an Steinmetzarbeiten gemacht wurde: Im Prinzip könnte man jetzt hier duale Bildung hoch zehn machen und könnte hier jetzt mit den Handwerksinnungen durchgehen und könnte zeigen, wie toll die das gemacht haben. Also, ich bin wirklich begeistert."
Außerordentliche Qualität
"Eine begehbare und bewohnbare Fiktion von Vergangenheit" nennt der Schriftsteller Andreas Maier die "neue" Altstadt in Frankfurt am Main. Und der in der Mainmetropole lebende Romancier Eckhart Nickel betont das für ihr gelungene Nebeneinander einerseits des Bewahrens der mittelalterlichen Struktur des Quartiers sowie des Erneuerns etwa der Fassaden und der Art und Weise der Nutzung andererseits. Architekturkritiker sprechen deutlich kritischer von einem "aseptischen und idealisierten Geschichtsbild" oder gar von "Heile-Welt-Gebaue".
Befürworter und Kritiker der "neuen" Altstadt Frankfurt am Main sind sich jedoch weitgehend darüber einig, dass die bauliche Qualität der meisten Häuser in dem engen Quartier zwischen dem Frankfurter Rathaus "Römer" und dem Dom der Stadt außerordentlich ist. Projektleiter Michael Gunterdorf verspricht, dass vereinzelte technische Probleme vor allem beim Innenausbau in der nächsten Wochen behoben werden:
"Das sind ja alles im Prinzip innen neue Häuser, außen - wie soll man sagen - auf antik, auf alt gemacht. Ich kann mir vorstellen, dass manche Sachen, weil das innen ein Stahlbetongerüst ist, dass es innen noch hier und da klemmt. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass das irgendwelche systematischen oder wesentlichen Geschichten sind. Das sind so Einzelfälle, hoffe ich."
"Quartier aller Frankfurterinnen und Frankfurter"
Die meisten Besucher der "neuen" Frankfurter Altstadt zeigen sich am Eröffnungswochenende begeistert. Das Argument, die Rekonstruktion sei doch auch in bisschen wie ein Mittelalter-Disneyland, schreckt sie nicht ab: "Walt Disney ist in den USA ein Wort für Qualität. Ich kann dazu immer nur grinsen, wenn hier Walt Disney gesagt wird. Ich finde das Bild falsch und Disneyland ist auch nicht so schlecht." - "Retro oder nicht oder Avantgarde oder rückwärtsgewandt – das ist eigentlich alles Blödsinn. Es gibt einfach nur Architektur, die gibt es gute oder schlechte. Und ich hoffe, das hier das meist gut ist."
Oberbürgermeister Feldmann: "Und die Menschen, die herkommen, sagen überwiegend, es ist das Quartier aller Frankfurterinnen und Frankfurter geworden." Eröffnet allerdings mit ein bisschen Adels-Pomp.