Der Mond dreht sich in 28 Tagen [*] einmal um seine Achse und weist der Erde immer die gleiche Seite zu. Daher kannte der Mensch dessen Rückseite erst seit dem Raumfahrtzeitalter. Obwohl ihn bis heute viele Mondsatelliten aus Russland, den USA, Japan, China, Indien und Europa umkreist haben, dauerte es ganze sechs Jahrzehnte, bis schließlich auch eine Raumsonde auf der erdabgewandten Seite landete:
"Es ist das erste Mal, dass wir solche robotischen Untersuchungen auf der Mondrückseite durchführen können. Und das zeigt schon, dass dafür eine sehr spezielle Infrastruktur nötig ist."
Patrick Pinet ist Planetologe an der Universität Toulouse und wie alle seiner Kollegen allein schon von den technischen Leistungen seiner chinesischen Kollegen begeistert: China postierte im Mai 2018 den Relais-Satelliten "Queqiao" auf einem Lagrange-Punkt, von dem aus ein ständiger Funkkontakt zwischen der Mondrückseite und der Erde möglich wurde. Am dritten Januar dann landete "Chang‘e 4" mit dem Rover "Jadehase-2" im 2.500 Kilometer großen Südpol-Aitken-Becken, dem größten Einschlagsbecken im Sonnensystem. Hier ist die sonst dutzende Kilometer dicke Kruste des Mondes extrem dünn, hatten Schwerefeld-Studien ergeben. Und das machte sie interessant:
"Die bisherigen globalen Studien haben uns gezeigt, dass es einen Ort gibt, von dem wir bislang keine repräsentativen Proben besitzen und der liegt im Südpol-Aitken-Becken."
Aufschlussreiche Untersuchungen des Mondmantels
Der "Jadehase-2" machte sich Anfang Januar auf den Weg und untersuchte mit einem Infrarot-Spektrometer den Mondstaub. Allein dessen erstes Ergebnis war den chinesischen Forschern nun eine wissenschaftliche Studie wert: Der Staub bestehe laut Dawei Liu vom Shanghai Institut für Technische Physik aus den Mineralen Olivin und einem Kalzium-armen Pyroxen: Diese Kombination von Mineralen ähnelt sehr stark einem Gestein namens Peridotit, aus dem der Mantel in der Tiefe der Erde besteht. Damit wird Forschern dank "Jadehase-2" nun ein Blick in den Mantel und somit den Schalenbau des Mondes möglich. Und der hier wohl zutage liegende Mondmantel wiederum, ist bei Planetologen ein heiß begehrtes Gestein. Denn er entstand während einer nur schwer zu untersuchenden Phase des frühen Sonnensystems: Als globale Ozeane aus glühend heißer Magma viele planetare Oberflächen bedeckten:
"Das wäre ein großer Fortschritt: Denn der Mond gilt als eine Art Paradebeispiel für die Entstehungszeit aller inneren Planeten, inklusive Erde, Mars, Merkur oder Venus, nur dass dort aktive geologische Prozesse die Zeugnisse dieser Magma-Ozean-Phasen ausgelöscht, verändert oder stark gestört haben."
Die chinesischen Forscher schränken ein, dass ihr erstes veröffentlichtes Messergebnis lediglich von Mondstaub stamme, der durch Einschläge oder Einflüsse der Sonne chemisch verändert worden sein könnte. Auch vulkanische Prozesse könnten das Gestein der Mondkruste nachträglich mit dem Mantelgestein vermischt haben. Ob im Südpol-Aitken-Becken also wirklich die Zeugnisse eines uralten Magma-Ozeans zutage liegen, muss der "Jadehase-2" erst noch beweisen.
[*] In einer früheren Version des Textes hatte sich ein Fehler bei der Zeitangabe eingeschlichen. Dies haben wir korrigiert.