Zum Auftakt des Treffens von 30 Friedensnobelpreisträgern in Bogotá verkündete Präsident Juan Manuel Santos letzten Donnerstag die Freilassung der Geisel Odín Sánchez durch die ELN Guerilla. Der Zeitpunkt hätte wohl kaum besser sein können. Nach Monaten des Wartens war der Weg endlich frei für offizielle Verhandlungen mit der zweiten Guerillagruppe des Landes. "Kolumbien kann jetzt auf vollständigen Frieden hoffen."
Dazu sollen ab heute im ecuadorianischen Quito die Weichen gestellt werden. Das Nationale Befreiungsheer, ELN, ist in den sechziger Jahren auch von Befreiungstheologen gegründet worden und zählt noch knapp 2.000 Kämpfer in seinen Reihen. Mit Entführungen und Attacken auf Ölpipelines hat diese Guerilla bis zuletzt für Schlagzeilen gesorgt. Das Friedensabkommen mit den FARC soll zwar als Blaupause dienen. Denkbar ist, dass die Übergangsjustiz mit Teilamnestie und Höchststrafen von acht Jahren Freiheitsentzug bei Kooperation mit den Behörden Anwendung findet. Das ELN will jedoch ganz bewusst eigene Akzente setzen. Verhandlungsführer Pablo Beltrán:
Der Verhandlungsprozess ist vom Scheitern bedroht
"Weder die Verhandlungsdelegation der Regierung noch die des ELN wird festlegen, welche dringenden Veränderungen unsere Gesellschaft braucht. Das ist Aufgabe der Kolumbianerinnen und Kolumbianer. Überall in Kolumbien sollen sich deshalb die Friedensaktivisten versammeln, um zu sagen, in welcher Form sie beteiligt werden sollten." Das ELN setzt also auf Basisdemokratie. Nicht allein deshalb ist der Verhandlungsprozess kompliziert und vom Scheitern bedroht.
"Es herrscht großes Misstrauen gegenüber dem ELN. Anders als die FARC ist das ELN sehr dezentral organisiert. Das erschwert die Verhandlungen. Außerdem hat das ELN sich noch nicht offiziell von Praktiken wie Entführungen verabschiedet – und das könnte jeden Augenblick zum Bruch der Gespräche führen", glaubt Präsidentenberater Juan Lucas Restrepo. Die Demobilisierung der FARC erhöht indes den Druck auf die ELN’os – wie die Guerilleros des Befreiungsheeres genannt werden. Mehr als 6.000 Kämpfer der FARC haben sich in den letzten Tagen in Bewegung gesetzt.
Entwaffnung der FARC soll in einigen Monaten abgeschlossen sein
Per Boot, Lastwagen… zu Fuß sind sie in den 26 Sonderzonen eingetroffen. "Das ist nicht der letzte Marsch der FARC, sondern der Beginn des Marsches der Hoffnung des kolumbianischen Volkes zur Versöhnung, zum Frieden, zu sozialer Gerechtigkeit, zu einem würdigen Leben für alle", erklärte Guerillaführer Iván Márquez. Noch soll in einigen Lagern Chaos herrschen, es gibt Versorgungsenpässe. Der Anfang freilich ist gemacht.
"Niemand hätte doch gedacht, dass die FARC eines Tages im Gänsemarsch in Lager marschieren, um ihre Waffen abzugeben und sich wieder in die Gesellschaft zu integrieren, damit wir nach 52 Jahren Krieg wieder Frieden und Ruhe haben könnten."
In einigen Monaten, so Präsident Juan Manuel Santos soll die Entwaffnung der FARC abgeschlossen sein. Bis dahin hofft der Friedensnobelpreisträger auch auf Fortschritte mit dem ELN, damit tatsächlich wahr wird, was mit dem Costa Ricaner Óscar Arias ein anderer Friedensnobelpreisträger dieser Tage so formulierte: "Kolumbien verwandelt sich in ein Licht für die Welt."