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Begrenzung der Managergehälter?
"Willkürlicher Eingriff in die Vertragsfreiheit"

Die von der SPD ausgelöste Debatte über Managervergütungen sei "übertrieben", sagte Unternehmensberater Alexander von Preen im DLF. "Ausreißer" bei VW und Deutscher Bank würden in den Vordergrund gestellt. Grundsätzlich gebe es bereits Instrumente zur Begrenzung von Gehältern.

Alexander von Preen im Gespräch mit Christiane Kaess | 23.02.2017
    Eine Reihe von Männern in Anzügen, der Blick geht auf Hosen und Schuhe.
    Verdienen Vorstände in deutschen Unternehmen zu viel? (picture alliance / dpa / Grigoriy Sisoev)
    Die Vergütung von Vorständen in deutschen Unternehmen betrage in der Regel das 17-fache eines durchschnittlichen Gehaltes, betonte der Geschäftsführer von Kienbaum Consultants International. Bei einer auf "drei bis fünf Jahre festgeschriebenen Aufgabe", sei dies "keine große Kluft". Dafür gebe es auch "großes Verständnis", schätzt von Preen.
    Nach einer Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung hatten 2014 Vorstände von Dax-Unternehmen im Mittel 57-mal so viel wie im Schnitt ein Beschäftigter ihrer Firma erhalten - und damit 12-mal mehr als neun Jahre zuvor.
    Von Obergrenzen halte er nicht viel, diese seien ein "willkürlicher Eingriff in die Vertragsfreiheit" der Unternehmen, sagte der Unternehmensberater. Grundsätzlich sei der Anstieg der Vorstandsgehälter "in den vergangenen Jahren auch zurückgegangen", zudem seien Maßnahmen wie die Rücknahme von Bonuszahlungen geschaffen worden.
    Bei der Begrenzung der Bezüge handele es sich um die "Königsdisziplin des Aufsichtsrats" und in den "meisten Fällen wird der Job gut gemacht", so von Preen. Nur in wenigen Einzelfällen gebe es "Exzesse", so hätten die Deutsche Bank und Volkswagen ihren Vorständen als einzige Unternehmen mehr als zehn Millionen Euro gezahlt.

    Das Interview in voller Länge:
    Christiane Kaess: Dass Managergehälter in den vergangenen Jahren in die Höhe geschnellt sind, das ist eindeutig, das lässt sich mit Zahlen belegen. Wie gerecht das ist, darüber gehen die Meinungen weit auseinander. Die SPD, die sich gerade im Aufwind des Schulz-Effektes die Gerechtigkeit auf die Fahnen geschrieben hat, macht sich nun an ein weiteres Thema, das belegen soll, dass sie es damit ernst meint: Sie will die Gehälter von Managern begrenzen.
    Und darüber sprechen möchte ich jetzt mit dem Unternehmensberater Alexander von Preen, er ist Geschäftsführer der Kienbaum Consultants International und er ist jetzt am Telefon, guten Morgen!
    Alexander von Preen: Schönen guten Morgen, Frau Kaess!
    Kaess: Herr von Preen, haben Sie auch Verständnis dafür, dass die Politik jetzt versucht, Managergehälter wieder in ein normales Maß zu bringen?
    von Preen: Also, ich habe bedingt dafür Verständnis, weil dieses Thema leider immer wieder vor den Wahlen aufkommt und dann sehr emotional und unreflektiert diskutiert wird. Wir haben in den letzten Jahren sehr viele Aktivitäten gesehen durch die deutsche Corporate-Governance-Kommission zum Beispiel, durch die Institutsvergütungsverordnung im Bereich Finanzdienstleistungen, die da sehr viel an der Struktur und Begrenzung der Vorstandsvergütung gemacht haben. Leider haben wir natürlich in Deutschland – da gebe ich Ihnen vollkommen recht – ein, zwei Ausreißer, die über die zehn Millionen Euro Vorstandsbezüge gehen. Dass die eine gesamte Diskussion rechtfertigen, halte ich für völlig überzogen.
    Kaess: Warum gibt es denn diese, wie Sie es nennen, Ausreißer?
    "Es sind immer einzelne Ausreißer, die stark in den Vordergrund geschoben werden"
    von Preen: Ja, da muss man sich natürlich die Frage stellen, wie es zu dieser Festigung der Vorstandsbezüge kommt. Und da ist das Organ, um dieses zu tun, der Aufsichtsrat. Wir erleben gerade bei den ganz Großen, dass dort auch die Politik – interessanterweise auch die SPD – mit in den Aufsichtsräten vertreten ist, und dieses gute Instrument der Mitbestimmung bei voll mitbestimmten Unternehmen wie zum Beispiel VW, dort die Politik jedoch keinen Einfluss nimmt auf hohe Bezüge. Sie hätte direkt die Möglichkeit. Also, die Instrumente, um Begrenzung vorzunehmen, haben wir.
    Kaess: Aber über dieses Thema haben wir ja im Deutschlandfunk auch schon gesprochen, aber ein Manager muss solche Bezüge ja auch vor sich selber rechtfertigen können. Und da sagt SPD-Fraktionschef Oppermann, man habe in Deutschland keinen Raubtierkapitalismus, sondern das Leitbild der sozialen Marktwirtschaft, und in manchen Vorstandsetagen scheint aber Maß und Mittel verloren gegangen zu sein. Da rückt er die Manager ja in ein ziemlich düsteres Bild. Zu Recht?
    von Preen: Nein, überhaupt nicht zu Recht. Der Multiple-Durchschnitt sind das Siebzehnfache eines durchschnittlichen Gehaltes. Wie gesagt, es sind immer einzelne Ausreißer, die sehr stark in den Vordergrund geschoben werden. Aus meiner Sicht ist das überzogen. Und ich erinnere noch mal daran: Gerade in mitbestimmten Unternehmen haben wir die Möglichkeit, auch über die Arbeitnehmervertreter, auch über Gewerkschaftsvertreter Einfluss zu nehmen. Das wird in den weit überwiegenden Fällen auch so gehandhabt und sehr erfolgreich gehandhabt.
    Kaess: Ich möchte noch einmal zurückkommen zu dieser moralischen Rechtfertigung. Wie tun das die Manager, die tatsächlich solche hohen Bezüge haben, die Sie jetzt als Ausreißer oder als Sonderfälle bezeichnet haben?
    von Preen: Am besten fragt man die Manager selber. Gerade in Fällen, wo es zu großen wirtschaftlichen Herausforderungen kommt, ist das natürlich schwer zu verargumentieren. Es gibt da immer die internationale Sichtweise, dass man sagt, der Marktwert eines Managers ist XY, aber Sie haben natürlich recht und ich sage noch mal, in der Finanzindustrie ist man dem auch nachgekommen: Man hat mittlerweile Rahmenbedingungen geschaffen, die es auch möglich machen, Managergehälter zurückzuholen, wenn die Leistung nicht entsprechend war.
    Kaess: Aber dennoch gibt es – das haben Sie gerade selber auch gesagt –, es gibt nach wie vor eine relativ große Kluft. Wie ist die eigentlich zu begründen?
    von Preen: Eine große Kluft zwischen Angestelltengehältern und Vorstandsgehältern, meinen Sie?
    Kaess: Ja.
    "Ich halte nicht viel von Obergrenzen"
    von Preen: Eine große Kluft, das ist immer relativ. Das Siebzehnfache bei einer Verantwortung, die auf drei bis fünf Jahre festgeschrieben ist, halte ich nicht für eine große Kluft. Ich glaube, diese Kluft ist – und da kann man sicherlich auch die Angestellten fragen – angemessen, wenn der Vorstand den richtigen Job macht und die Absicherung der Beschäftigungsverhältnisse sowie die Ausrichtung des Unternehmens gestaltet. Ich glaube, dann hat man auch in der Bevölkerung sehr großes Verständnis. Das spiegelt sich bei den allermeisten Hauptversammlungen. Denn heutzutage müssen Sie ja auch durch eine sogenannte Say-on-Pay-Darstellung in den Hauptversammlungen deutscher Aktiengesellschaften über die Vorstandsbezüge berichten.
    Kaess: Es ist sicherlich schwierig, über konkrete Summen zu sprechen, aber es gibt jetzt Vorschläge. Der Präsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz Ulrich Hocker ist auch der Meinung, dass grundsätzlich Vorstandsbezüge in einer, er nennt es: Gesunden Relation zu den Durchschnittslöhnen im Unternehmen stehen sollten. Und er ist da relativ tolerant, zumindest hört sich das so an, denn er sagt, es könne je nach Branche durchaus auch mal das Zwanzig- oder das Fünfzigfache sein. Aber er schlägt eine absolute Obergrenze vor von zehn Millionen Euro. Ist das sinnvoll?
    von Preen: Also, ich halte nicht viel von Obergrenzen, das ist so ein willkürlicher Eingriff in die Vertragsfreiheit. Aber ich sage noch mal: In Deutschland haben wir, ich glaube, bei VW und der Deutschen Bank die einzigen Unternehmen, die über zehn Millionen Euro Bezüge zahlen. Also, diese Grenze wäre keine schwierige Grenze, die man einziehen würde. Ich halte trotzdem nicht zu viel davon, wenn die Politik jetzt auch wieder im Vorfeld des Wahlkampfes zu stark Einfluss nimmt in Themen, die eigentlich der Arbeitgeber zu erledigen hätte.
    Kaess: Ja, aber wenn Sie über Vertragsfreiheit und Einfluss der Politik sprechen: Der SPD-Vorschlag sieht ja genau eigentlich vor, dass dieser Einschnitt eben da nicht greift, denn die Eigentümer würden ja entscheiden, und das könnte man dann über das Aktienrecht regeln. Macht das Sinn?
    von Preen: Sie meinen die Verlagerung …
    Kaess: Die Hauptversammlung soll dann mitbestimmen.
    von Preen: Die Verlagerung dieser Entscheidung in die Hauptversammlung?
    Kaess: Genau.
    von Preen: Auch da, der Aufsichtsrat … Die Königsdisziplin des Aufsichtsrates ist die Festlegung auf Vorstands- und Aufsichtsratsbezüge sowie die …
    Kaess: Aber das funktioniert eben in Richtung Begrenzung oft nicht, wie wir gesehen haben.
    von Preen: Ja, genau da sage ich ja, dass dem nicht so ist. Es ist in wenigen Einzelfällen so, dass es Exzesse gibt, unbestritten, ganz sicher. Aber in den allermeisten Fällen wird dieser Job sehr, sehr gut gemacht und auch heute ist schon in den Angemessenheitsgutachten, die der Aufsichtsrat vorlegen muss und auch der Hauptversammlung berichten muss, dieser Multiple schon mit in den Gutachten enthalten und führt auch dazu, dass der Anstieg der Vorstandsgehälter in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen ist. Und ich sage es noch mal: Das Siebzehnfache, was wir so im Durchschnitt sehen, ist ja auch etwas, was in der Relation dem entspricht, was Ulrich Hocker entsprechend vorgeschlagen hat.
    "Ich glaube nicht, dass es einen Herdentrieb aus Deutschland ins Ausland gibt"
    Kaess: Ein weiterer Hebel, den die SPD da ansetzen will, ist, dass sie sagt, Leistungen über 500.000 Euro im Jahr sollen nicht mehr von der Steuer absetzbar sein, weil, das geht sonst auf Kosten der Allgemeinheit. Leuchtet Ihnen das ein?
    von Preen: Ich glaube nicht, dass Steuer das richtige Instrument ist, um gestalterisch in Vergütung einzugreifen. Es ist auch interessant, dass man im ersten Entwurf, der mir zumindest vorgelegen hat, sich ausschließlich auf die Variablenbezüge und Altersversorgung fokussieren wollte und nunmehr von der Gesamtvergütung spricht. Man muss wissen, dass, wenn man die Gesamtvergütung nimmt, sind alle Vergütungen betroffen, die im DAX, MDAX, TecDAX als Vorstände arbeiten, das halte ich für deutlich überzogen.
    Kaess: Halten Sie auch für überzogen, dass man bei schlechten Leistungen Boni entzieht?
    von Preen: Nein, das halte ich nicht für überzogen, das ist ein Thema, welches wir auch schon in der Finanzdienstleistungsindustrie haben, durch die Erfahrung der Banken- und Wirtschaftskrise. Dort gibt es diese sogenannten Clawback-Systeme, die sind eingeführt, es ist ein großer Nachteil, sie sind sehr komplex, sie müssen verstanden werden, aber ich halte das für ein Instrument, welches durchaus legitim ist. Im Übrigen werden auch in den meisten Verträgen der Vorstände, die jetzt neu geschlossen werden, solche sogenannten Clawback-Klauseln schon mit aufgenommen.
    Kaess: Sagen Sie uns noch zum Schluss, Herr von Preen: Welche Befürchtungen haben Sie, wenn das Ganze kommt? Kann es auch passieren, dass gute Manager einfach ins Ausland abwandern?
    von Preen: Da muss man glaube ich auch realistisch sein. Ich glaube nicht, dass es einen Herdentrieb dann aus Deutschland ins Ausland gibt. Aber ich glaube, dass der eine oder andere sich sehr wohl überlegt, ob das noch attraktiv ist, ob Auslandsgesellschaften, internationale Gesellschaften dann auch in Deutschland ihr Topmanagement zum Beispiel für eine Zentrale in Europa hier in Deutschland besetzen … Das mag mit in die Diskussion einfließen, aber ich glaube, wie so vieles, es wird nichts so heiß gegessen, wie es besprochen wird.
    Kaess: Der Unternehmensberater Alexander von Preen, er ist Geschäftsführer der Kienbaum Consultants International. Danke für das Gespräch heute Morgen!
    von Preen: Vielen Dank!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.