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Begriffskritik
Zum Niedergang des Wortes "Freiheit"

Ausschnitte des Ibiza-Videos zeigen, welche Gesinnung zwei ehemalige österreichische FPÖ-Parteigrößen haben: Parteispenden am Rechnungshof vorbei, die "Krone" kaufen lassen, dafür Bauaufträge versprechen. Wofür steht da eigentlich nochmal das "F" im Parteinamen? Ausführungen von Autor Florian Werner.

Von Florian Werner |
Eugène Delacroix’ Gemälde "Die Freiheit führt das Volk" von 1830 zeigt die barbusige, Trikolore-schwenkende Marianne in den Wirren der Juli-Revolution.
Eugene Delacroix' Gemälde "Die Freiheit führt das Volk" von 1830 (imago stock&people)
Es entbehrt nicht der Ironie, dass die derzeit bekanntesten österreichischen Filmstars, Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus, ausgerechnet Mitglieder einer Partei sind, die das Wort "Freiheitlich" im Namen führt - schließlich schwadronierten die beiden unter Einfluss von Wodka-Red-Bull und Machtgeilheit unverhohlen über die Aussetzung der freiheitlich-demokratischen Ordnung.
Aussetzung der freiheitlich-demokratischen Ordnung
Allerdings sind sie damit beileibe nicht allein: Die AfD plakatiert sich derzeit mit dem Slogan "Freiheit statt Brüssel" durch den Europawahlkampf. Und Anhänger der rechtsextremen Identitären Bewegung stimmen bei Kundgebungen bevorzugt das Volkslied "Die Gedanken sind frei" an. Ausgerechnet jene Politiker und Gruppierungen, die mit illiberalem Gedankengut flirten, so scheint es, schreien am lautesten nach der Freiheit.
Der Schrei nach Freiheit
Ein Paradox? Nun: Nicht, wenn man die Freiheit beim Wort nimmt. Sprachgeschichtlich geht der Begriff frei auf die indogermanische Wurzel *peri- zurück, die so viel wie "nahe", "bei" oder "eigen" bedeutet. Der Begriff der Freiheit war demnach ursprünglich eng mit dem Begriff des Eigentums verknüpft: Der freie Mensch war Herr über sein Leben, sein Land, sein Hab und Gut. Er konnte, so der Staatsrechtler John Locke, "über seinen Besitz und seine Person (…) verfügen (…), ohne von dem Willen eines anderen abhängig zu sein." Dies ist der Grundgedanke des Liberalismus.
Freiheit nicht mit Egoismus verwechseln
Aber, liebe Freiheitskämpfer: Diese Bestimmung ist nun auch schon stattliche 330 Jahre alt und seither aus gutem Grund vielfach ergänzt worden. Schließlich ist der freie Mensch nicht allein auf der Welt, sondern von Milliarden anderer Individuen umgeben, die verständlicherweise ebenfalls auf ihre Freiheitsrechte pochen. Freiheit gilt daher niemals uneingeschränkt: Sie stößt stets dort an ihre Grenzen, wo sie das Leben, die Rechte, das Wohlbefinden der Mitmenschen beeinträchtigt. Wer ohne Rücksicht auf Andere den Besitz seiner Partei, seiner Wähler, seines Klüngels oder seiner Kleingartenkolonie zu mehren versucht, der handelt nicht liberal, sondern egoistisch.
Einschränkungen immer mitdenken
Dies gilt umso mehr in einer globalisierten Welt, in der man mal kurz zum Surfen nach Sri Lanka oder zum Geschäftsbesäufnis nach Ibiza fliegt. Je mehr Freiheiten wir uns nehmen, desto größer ist auch die Zahl derjenigen, die davon berührt sind - und deren Freiheitsrechte wir daher mitdenken müssen. Ein Kennzeichen des wahren Liberalismus, so die Philosophin Judith Shklar, sei es daher, "kosmopolitisch zu sein und die Verletzung von Leben und Freiheit der Mitglieder jedweder Rasse oder Gruppe überall auf der Erde zu seiner ureigenen Angelegenheit zu erheben."
Ganz konkret: Freiheit ist eben nicht nur Freiheit von Flüchtlingen - sondern auch die Freiheit der Geflüchteten. Liberalismus beinhaltet nicht nur das Recht auf uneingeschränkten Konsum, sondern auch die Rechte kommender Generationen, die mit den Folgen dieses Verhaltens leben müssen. Dies ist das eigentliche Paradox: Wer sich freiheitlich nennt oder nach Freiheit schreit, der muss sich auch hin und wieder beschränken.