In vielen Bereichen müssen Behinderte weiterhin gegen Vorurteile und Benachteiligungen kämpfen. Einer davon ist der Kulturbetrieb. Deshalb haben der Beauftragte der Bundesregierung, Dusel, und der Deutsche Kulturrat "Teilhabeempfehlungen für eine inklusive Kultur" erarbeitet. Darin heißt es, niemand dürfe laut Grundgesetz wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Das gelte insbesondere auch für Kunst, Kultur und Medien, die das Bild von der Welt prägen könnten. Menschen mit Behinderungen brauchten auf allen Ebenen Zugang – als Publikum, Beschäftigte und in den Programmen.
Es bestünden weiterhin Barrieren, die beseitigt werden könnten - etwa bei Grundlegendem wie der Erreichbarkeit von Räumen, der Berücksichtigung bei der Programmplanung und der Qualifizierung für den Arbeitsmarkt. Der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats, Zimmermann, forderte gesetzliche Rahmenbedingungen und eine auskömmliche Finanzierung, um Maßnahmen umzusetzen. Bund, Länder und Kommunen seien jetzt gefragt. Kulturstaatsministerin Roth, Grüne, betonte, Ziel sei eine Kultur für und von allen.
Auch im Gesundheitssektor besteht weiterhin Handlungsbedarf. Bundesgesundheitsminister Lauterbach legte einen Aktionsplan vor, durch den der barrierefreie Umbau von Arzt- und Zahnarztpraxen gefördert und die Belange von Menschen mit Behinderungen ausdrücklich als Bestandteil des ärztlichen Auftrags festgehalten werden. Der Bundesbeauftragte Dusel betonte im Deutschlandfunk Kultur, Barrierefreiheit sei ein Qualitätsmerkmal für ein modernes Land.
Schwierige Lage auf dem Arbeitsmarkt
Die Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe fordert anlässlich des heutigen Aktionstags von einer neuen Bundesregierung, die Inklusion von Menschen mit Behinderung auf dem Arbeitsmarkt mit Nachdruck voranzutreiben. Trotz hoher Qualifikationen seien sie überproportional häufig von Arbeitslosigkeit betroffen. Menschen mit Handicap dürften nicht als passive Empfänger von Unterstützungsleistungen betrachtet, vielmehr müsse ihre aktive Beteiligung in allen gesellschaftlichen Bereichen gefördert werden, erklärte die Bundesarbeitsgemeinschaft.
Mit dem im Januar eingeführten „Gesetz zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarktes“ seien wichtige Schritte unternommen worden, um Arbeitgeber stärker für die Beschäftigung behinderter Menschen zu gewinnen, sagte der Bundesgeschäftsführer der BAG Selbsthilfe, Danner. Aber ein Gesetz allein nütze nichts, wenn es nicht konsequent umgesetzt werde.
Aktuell sind nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit 176.000 Personen mit Behinderung arbeitslos. Das ist ein Anstieg im Vergleich zum Vorjahr um sechs Prozent. BA-Chefin Nahles nannte dies eine "bedauerliche Entwicklung", zumal der Bedarf an Arbeitskräften in der deutschen Wirtschaft stetig steige. Dass Unternehmen nicht bereit seien, behinderte Menschen einzustellen, begründete Nahles mit der gegenwärtigen Konjunkturschwäche sowie mit weiterhin vorhandenen Vorurteilen der Arbeitgeber.
Unternehmen mit mindestens 20 Arbeitsplätzen sind gesetzlich verpflichtet, auf mindestens fünf Prozent ihrer Arbeitsplätze schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen. Andernfalls müssen sie eine Ausgleichsabgabe entrichten.
Problematisch: "Unsichtbare Behinderungen"
Besonders psychische Behinderungen haben laut Teilhabebericht der Bundesregierung in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. "Viele Betroffene sind stark in der Teilhabe eingeschränkt: im Arbeitsleben, am Wohnungsmarkt, bei Freizeitaktivitäten", sagte Katarina Stengler von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN).
Der Bundesbeauftragte Dusel ergänzte: "Weniger bekannt sind vor allem die unsichtbaren Behinderungen, zum Beispiel aufgrund von chronischen Erkrankungen und psychischen Beeinträchtigungen." Tatsächlich können auch Diabetes, Allergien, Asthma, psychische Störungen, Suchterkrankungen, Krebs, Diabetes, ME/CFS, Long Covid, Umwelterkrankungen, Parkinson, Multiple Sklerose, Demenz, Schwerhörigkeit, ADHS, Legasthenie, Inkontinenz und viele weitere Erkrankungen eine Behinderung darstellen und als solche anerkannt werden.
Bericht: "Die Person ist nicht behindert, sie wird behindert"
Dabei ist nicht jede körperliche oder psychische Funktionsstörung gleich eine Behinderung. Im Teilhabebericht der Bundesregierung ist zunächst nur von "Menschen mit Beeinträchtigungen" die Rede. Erst durch Barrieren in der Umwelt entstehe eine Behinderung. "Die Person ist nicht behindert, sie wird behindert", heißt es in dem Bericht.
Behindertenbeauftragter Dusel sieht beim Abbau von Barrieren auch die Politik in der Verantwortung. Viele inklusionspolitische Vorhaben seien auf die lange Bank geschoben worden und nun dem Ampel-Aus zum Opfer gefallen, darunter wahrscheinlich auch die im Koalitionsvertrag vereinbarte Novelle des Behindertengleichstellungsgesetzes. Mit dem Gesetz sollten etwa private Anbieter von Gütern und Dienstleistungen verpflichtet werden, Barrieren abzubauen. "Bei den für die Politik wichtigsten Vorhaben, von denen man nun immer hört und liest, finden die inklusionspolitischen Vorhaben leider keine Erwähnung", kritisierte Dusel.
Katholische Bischöfe: Menschenwürde gilt auch für Behinderte
Die katholische Deutsche Bischofskonferenz beklagt eine anhaltende Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen in vielen Bereichen. Das widerspreche dem christlichen Auftrag und den gesellschaftlichen Werten. "Die Menschenwürde kommt Menschen mit Behinderungen ebenso zu wie Menschen ohne Behinderungen", sagte der Erfurter Weihbischof Hauke, der Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz für inklusive Seelsorge ist.
Vor 15 Jahren sei die UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland in Kraft getreten, erinnerte Hauke. Obwohl Artikel drei die Achtung der Menschenwürde als zentralen Grundsatz benenne, würden Menschen mit Behinderungen in vielen Bereichen noch benachteiligt und diskriminiert, kritisierte der Erfurter Weihbischof. Das 75. Jubiläum des Grundgesetzes, dessen Artikel eins unmissverständlich festhalte, dass die Würde des Menschen unantastbar sei, verleihe dem diesjährigen Welttag eine besondere Bedeutung.
Behinderte auf der Flucht und in Katastrophen
Die Hilfsorganisation Handicap International hat auf die besonderen Herausforderungen bei Kriegen und Naturkatastrophen hingewiesen. Mit körperlichen Einschränkungen sei es oft besonders schwer, sich zu schützen, zu fliehen oder Unterstützung zu erhalten. Die Sterblichkeitsrate unter Menschen mit Behinderungen sei in solchen Situationen doppelt bis viermal so hoch. Nur ein Viertel von ihnen könne problemlos an Evakuierungsmaßnahmen teilnehmen. Auch Menschen mit unsichtbaren Beeinträchtigungen etwa im psychischen oder geistigen Bereich seien besonders gefährdet.
Handicap International wirbt daher für eine inklusive Katastrophenhilfe. Behinderte dürften bei Hilfsmaßnahmen nicht übersehen werden. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation leben 1,3 Milliarden Menschen weltweit mit einer Behinderung, 80 Prozent von ihnen in Ländern des Globalen Südens.
Diese Nachricht wurde am 03.12.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.