Entspannt und sicher feiern: Das ist für Menschen mit Behinderung oder chronischen Erkrankungen oft nicht möglich. Partys und Clubs sind nach wie vor Räume für jene ohne Einschränkungen. Menschen mit Behinderung bleiben auf Partys in den meisten Fällen unsichtbar: Sie sind einfach nicht da.
Dabei genießt das Thema Inklusion durchaus auch Aufmerksamkeit. Doch die konkrete Umsetzung fällt oft noch schwer, und für private Veranstaltungen gibt es keine gesetzlichen Inklusions-Vorgaben. Wie kommen wir hier schneller voran? Einige Fragen an zwei Experten.
Inhalt
- Ist Inklusion mehr als die Möglichkeit, überall mit dem Rollstuhl hinzukommen?
- Was hat sich in den letzten Jahren für Menschen mit Behinderung verändert, die ausgehen wollen?
- Wo findet ernstgemeinte Inklusion statt?
- Wie verhalten sich die Veranstalter beim Thema Inklusion?
- Inklusion kann auch Geld kosten – findet sie auch manchmal deswegen nicht statt?
- Haben Menschen mit Behinderungen ein Recht auf kulturelle Teilhabe?
Ist Inklusion mehr als die Möglichkeit, überall mit dem Rollstuhl hinzukommen?
Ja, sagt Felix Brückner von der Initiative „Barrierefrei feiern“. Rollstuhlgerecht bedeute nicht barrierefrei. Es gebe viele und sehr unterschiedliche Formen der Behinderung und dementsprechende Barrieren. Zum Beispiel kommunikative: Sehbeeinträchtigte Menschen oder solche mit anderen Lern- und Lesemöglichkeiten stießen schon weit vor einer Veranstaltung auf Hindernisse – weil beispielsweise zu kompliziert kommuniziert werde oder Informationen nicht von einem Screenreader auslesbar seien. Auch solche Barrieren verwehrten den gleichberechtigten Zugang zu Veranstaltungen.
Was hat sich in den letzten Jahren für Menschen mit Behinderung verändert, die ausgehen wollen?
Das Thema Inklusion sei präsenter und das öffentliche Interesse am Thema größer geworden, sagt Felix Brückner. Dadurch entstehe dann auch Druck, der die Veranstalter zwinge, sich mit dem Thema mehr auseinanderzusetzen. Dennoch ist seiner Ansicht nach noch viel Luft nach oben: Die Beratungstätigkeit des Vereins bestehe zumeist aus Grundlagenarbeit, betont er.
Drees Ringert von der zur Initiative gehörenden Beratungsagentur “Wir kümmern uns” registriert ebenfalls mehr Aufmerksamkeit: „Das kleine nachhaltige Festival macht es natürlich am besten“, sagt er. „Und dann zieht irgendwann ein Großer nach.“ Und wenn die großen Veranstalter Standards setzten, ziehe auch der Rest mit. Ringert bringt die Grundsätze von Barrierefreiheit auf die Formel: “Hinkommen, reinkommen, klarkommen und auch wieder wegkommen.” An jedem dieser Punkte könnten Veranstaltende ihr Event überprüfen.
Wo findet ernstgemeinte Inklusion statt?
In der Regel funktioniert Inklusion da sehr gut, wo Menschen mit Behinderungen von Beginn an einbezogen würden und ihre Expertise erfragt werde, sagt Felix Brückner - wo sie ganz selbstverständlich vor, auf und hinter der Bühne eingebunden würden. Wenn diese Perspektive normal sei und in Handlungs- und Planungsprozesse einfließe, sei der Punkt erreicht, über bedürfnisorientierte und gleichberechtigte Zugänge sprechen zu können.
„Dann, in ein paar Jahren, vielleicht auch wirklich über Inklusion“, sagt Brückner. Denn das sei eigentlich mehr eine Haltung als das Umsetzen von Maßnahmen.
Wie verhalten sich die Veranstalter beim Thema Inklusion?
Das ist unterschiedlich, doch nach Angaben der Initiative „Barrierefrei feiern“ gibt es viele Anfragen und Beratungsbedarf. Die Veranstalter wollten sich mit dem Thema auseinandersetzen, es herrsche aber auch große Unsicherheit, sagt Felix Brückner. Da sei beispielsweise die Angst, Dinge falsch zu machen und dann aus der Community von Menschen mit Behinderung ein schlechtes Feedback zu bekommen.
Inklusion kann auch Geld kosten – findet sie auch manchmal deswegen nicht statt?
„Die wichtigste und die erste Maßnahme sollte sein, mit Menschen mit Behinderung ins Gespräch zu kommen. Und das kostet für gewöhnlich nichts“, sagt Felix Brückner. Menschen mit Behinderung können im Übrigen auch ein positiver wirtschaftlicher Faktor werden. Bei der Beratung von Veranstaltern komme oft der Punkt „Lohnt sich das denn für die paar?“, berichtet Drees Ringert. „Aber es sind einfach nur die paar, weil sie keine Möglichkeit haben, da zu sein. Sie wollen ja auf die Konzerte gehen. Aber sie können es eben nicht. Und je mehr Barrierefreiheit wir schaffen, desto mehr Leute kommen auch.“
Haben Menschen mit Behinderung ein Recht auf kulturelle Teilhabe?
Ja. Barrierefreiheit kann aufwendig und personalintensiv sein und Zeit und Geld kosten. Doch das Recht auf kulturelle Teilhabe ist in der UN-Behindertenrechtskonvention verankert, zu der sich auch Deutschland bekannt hat.
Während Hürden Menschen ausschließen, nutzt Barrierefreiheit im Übrigen allen. Geräumige Toiletten, ruhige Räume zum Ausruhen, breitere Wege, gute An- und Abfahrtsmöglichkeiten, umfassende und verständliche Informationen im Vorfeld: Das ist gut für alle und hilft dabei, dass Menschen sich auf Partys und Veranstaltungen wohl fühlen – mit und ohne Behinderungen.
ahe