Es ist halb zehn morgens. Wolfgang Harders wartet am Eingang der Galeria Kaufhof im Kölner Zentrum auf Silke Zimmermann. Ohne die Einkaufsbegleiterin wäre der blinde Kunde komplett aufgeschmissen.
"Schönen Guten Morgen"
"Guten Morgen!"
"Ach, Frau Zimmermann – ich bräuchte heute ein besonderes Parfum.(…) Zimmermann: Okay. Ihren Arm bitte!"
Silke Zimmermann hakt den blinden Kunden unterm Arm ein, laviert ihn durch die Gänge und übergibt ihn an die zuständige Verkäuferin in der Parfümerieabteilung.
"Davon haben wir leider kein Aftershave da.
Harders: Aber ein Eau de Toilette? Verkäuferin: Welche Größe darf’s denn sein?"
Hohe Investitionen für Umrüstung
Dieser Service ist kostenlos und richtet sich an seh- und gehbehinderte Menschen. Mit diesem Angebot gibt sich das Kaufhaus "generationenfreundlich". Vor drei Jahren hat Galeria Kaufhof in Köln den Zertifizierungsprozess durchlaufen: ebenerdige Eingänge und Schiebetüren, rutschfeste Böden, gute Beleuchtung und Sitzgelegenheiten. Dafür waren, so Kaufhof-Geschäftsführer Michael Hövelmann, hohe Investitionen nötig.
"Denken Sie an diese Immobilie, die über 100 Jahre hier in Köln steht, die angebundenen Parkhäuser, da mussten überall Rampen gebaut werden, und so haben wir sehr viel Aufwand getrieben, um dieses Qualitätskennzeichen zu erhalten"
Alle Generationen sollen profitieren: von gut lesbaren Preisschildern, farblich markierten Rolltreppenstufen, breiten Gänge und geräumigen Umkleidekabinen. Leisten können sich solch teure Umbauten allerdings nur große Ketten wie Möbelhäuser, Baumärkte, Kaufhäuser oder Supermärkte.
Umbaumaßnahmen scheitern im Einzelhandel oft am Vermieter
Für kleine inhabergeführte Unternehmen ist der Zertifizierungsprozess ein großer Kraftakt, so Karls-Heinz Will, der beim Deutschen Einzelhandelsverband für das Siegel verantwortlich ist.
"Da hat der Einzelhändler ja überhaupt keinen Einfluss drauf, wenn er zur Miete dort untergebracht ist. Das geht ja nur über den Vermieter. Und ob der dann bereit ist, das zu machen, ist fraglich."
Szenenwechsel: Raumausstattung Grunau in Remscheid. Eins der wenigen zertifizierten Familienunternehmen.
"Ich gehe grundsätzlich in Läden, die keine Stufen haben. Da ich im Rollstuhl sitze, und bei Stufen hört der Spaß für mich dann immer auf."
Früher wurde Stammkundin Gudrun Berghaus mit ihrem schweren Rollstuhl über die Türschwelle getragen, heute rollt sie die Rollstuhlrampe hoch. 12.000 Euro haben die Umbauten gekostet erklärt Inhaber Nils Grunau.
Unleserliche Verpackungsaufschriften erschweren Einkauf
"Dieses Siegel steht für uns nicht im Vordergrund. Weil wir möchten damit nicht angeben, dass wir sagen 'wir sind zertifiziert, kommt, guck mal Kunde: so toll sind wir!', sondern für uns ist der Kunde wichtig und nicht das Siegel."
Generationenfreundlichkeit hat dort ihre Grenzen, wo Hersteller den Ton angeben. Bei unleserlichen Verpackungsaufschriften zum Beispiel.
"Wir versuchen, wenn wir Schilder schreiben, immer möglichst große Schilder zu beschriften, aber bei uns hat der Kunde halt die Möglichkeit, eine Mitarbeiterin zu fragen, wenn er etwas nicht lesen kann, es wird einem immer weitergeholfen hier"
Der Faktor Mensch ist ungeheuer wichtig, vor allem für ältere Kunden. Der aber wird nicht vom Kriterienkatalog des Siegels erfasst, gibt Karl-Heinz Will zu.
"Im Lebensmittelbereich sind heutzutage die Fachkräfte ja nicht so gesät."
Dabei wünschen sich vor allem ältere Menschen eine gute Beratung, etwa weil sie das Produkt nicht verstehen. Oder eine helfende Hand, die ihnen die Butter hoch oben aus dem Regal holt. Hier punkten vor allem inhabergeführte Geschäfte – die bekanntlich zunehmend verschwinden. Viele von ihnen machen eine fehlende Zertifizierung auf andere Weise wett: mit einer Klingel für Rollstuhlfahrer oder einem Haus-Lieferservice.