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Behindertensport in der Coronakrise
„Es sind Existenzen, die daran hängen“

Thomas Abel, Professor für paralympischen Sport, plädiert dafür, in der Coronakrise auf Menschen mit Behinderungen im Sport zu schauen. Auch wenn sie selten Profis seien, sei ihre Situation durch die Verschiebung der Paralympics keine einfache.

Thomas Abel im Gespräch mit Marina Schweizer |
T54 waehrend der World Para Athletics Championships im Club for People of Determination in Dubai, Vereinigte Arabische Emirate.
Auch der Behindertensport steht still, Wettkämpfe wie die World Para Athletics Championships können nicht stattfinden. (www.imago-images.de)
Professor Thomas Abel von der Sporthochschule Köln betonte, dass er den Begriff, dass Menschen mit Behinderungen besonders "leiden", schwierig finde. Dies konnotiere, dass man Mitleid haben müsse. Allerdings sei es sehr sinnvoll, diesen Menschen mit oftmals spannenden Geschichten zuzuhören.
Besonders hob Abel Franziska Liebhardt und ihre Geschichte hervor. Die Kugelstoßerin ist nieren- und lungentransplantiert und hat vor Kurzem ihre zweite Spenderlunge erhalten. Sportlerinnen und Sportler mit Stoffwechselerkrankungen, die auch Immunsuppression bekommen müssen, seien in der Coronakrise besonders gefährdet. Liebhardt könne besonders "gut darstellen, worum es im Leben gerade geht". Auch Athletinnen und Athleten, bei denen die Lunge einschränkt ist, zum Beispiel bei einer Querschnittlähmung im Halsmarkbereich, müssten besser aufpassen. Denn ihre Herzfrequenz sei beeinträchtigt und die Lungenfunktion eingeschränkt.
Sport als Rehabilitation und Immunstütze fällt weg
Auch der Rehabilitationssport als Teil des Behindertensports ist derzeit nur sehr eingeschränkt möglich. Dort versuchen Menschen nach einer schweren Erkrankung, den Weg zurück ins Leben zu finden. "Da hat der Sport eine zentrale Aufgabe", sagte Abel. Auch wenn man eine Behinderung habe, die das Immunsystem betreffe, das man mit Sport stärken möchte. Dann sei der Sport ein wesentlicher Aspekt, der derzeit nicht stattfände.
Allerdings hob Thomas Abel hervor, derzeit hätten alle zu kämpfen: Gesunde wie auch Vorerkrankte. Nicht nur für die Gesundheit, sondern auch für die komplette Lebensstruktur sei der Wegfall des Sports eine große Einschränkung: "Wie ist das jetzt mit meiner sportlichen Leistungsfähigkeit, mit meiner großen Begeisterungsfähigkeit, mit Ressourcen?" Die Spitzensportlerinnen seien darauf ausgerichtet, sich messen zu können. Man könne zwar trainieren, aber sie würden sich auch in Wettkämpfen messen wollen.
Zudem ginge es um Existenzen: Im Behindertensport seien Sportlerinnen und Sportler nicht unbedingt Profis, aber auch sie hätten ein Budget geplant. Die Verschiebung der Paralympics sei richtig, aber keine einfache Situation.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.