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Bei Anruf Kino

Bereits seit längerem träumt die Unterhaltungsindustrie von einem Markt, den Pizza und asiatische Küche bereits fest im Griff haben: Nachdem Videotheken ihren Kunden allerorts rund um die Uhr aktuelle Filme jeden Genres anbieten, soll jetzt auch die letzte Hürde fallen und der begehrte Hollywood-Streifen auf direktem Weg in den heimischen Fernseher gelangen. Während erste Projekte zum so genannten "Video on demand" allerdings nicht über die Probephase hinauskamen, soll jetzt im brandenburgischen Neuruppin der Durchbruch gelingen.

Wolfgang Noelke, Pierre Dallüge |
    Ein besonderer Trumpf zeichnet die modernen Breitband-Kabelnetze ostdeutscher Anbieter aus: Der Rückkanal, der erst die Kommunikation vom Kunden zum Betreiber über dieselbe Verbindung möglich macht, wandelt den Draht vom Antennenersatz zur Multimedia-Autobahn. Bereits heute offeriert eine Berliner Wohnungsbaugesellschaft ihren Mietern Fernseh-, Internet- und Telefonanschluss als preiswertes Gesamt-Paket. Rund 100 Kilometer weiter nördlich bläst der Netzbetreiber zum Angriff auf die örtlichen Videotheken: In einem Pilotversuch zum "Video on demand" können die verkabelten Bewohner Neuruppins sowie zwölf weiterer Regionen in Brandenburg ab Ende April unter 150 Spielfilmen wählen, die über das Kabelnetz zu ihnen nach Hause gelangen. Die dazu notwendige Hardware, die so genannte Set-Top-Box, wird den Teilnehmern zunächst gratis zu Verfügung gestellt – pro Film fallen dann noch fünf Mark Leihgebühr an.

    Schon seit der letzten Funkausstellung in Berlin schlummert das digitale Verfahren zur Videoübertragung über Breitband-Kabel in einer Art Dornröschen-Schlaf. Das Problem: Bereits eine gering steigende Zuschauerzahl kann die Übertragungsrate des Systems in die Knie zwingen. Weil ein Transfer in Echtzeit derzeit nicht gewährleistet werden kann, wird der bestellte Film zunächst vollständig in die Empfänger-Box des Kunden übertragen und dort zwischengespeichert.

    "Zum heutigen Zeitpunkt erreichen unsere Set-Top-Boxen eine Übertragungsleistung von circa zwei Megabit pro Sekunde. Bis zum Sommer werden wir die Rate auf bis zu sechs Megabit pro Sekunde steigern", berichtet Pierre Dallüge, technischer Direktor des Systemherstellers "media-netcom" aus Marburg. Weil Filme in Kinoqualität mit etwa vier Megabit pro Sekunde kodiert würden, dauere eine Übertragung zum Verbraucher derzeit etwa die doppelte Spanne der eigentlichen Spieldauer. Ordern jedoch viele Kunden denselben Film für eine bestimmte, übereinstimmende Uhrzeit, verzögert sich die Übertragung schnell um ein Vielfaches. Allerdings weist der Verleih die Kunden darauf hin, wenn die Nachfrage zum Stau auf dem Video-Kabel führen kann.

    Weil viele Zuschauer zum optimalen Zeitpunkt der Übertragung, etwa vier Stunden vor dem Filmgenuss, noch am Arbeitsplatz oder im Stau verweilen, zeigt sich der Betreiber flexibel hinsichtlich der Video-Bestellung: "Neben der Order via Set-Top-Box bieten wir auch die Bestellung über Internet, Telefon und sogar WAP-Handy", erläutert Dallüge.