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Bei der "Niederschlagsvorhersage, da warten noch einige Rätsel auf uns"

Um den Zusammenhang von Wolken und Klima geht es bei einer internationalen Konferenz in Leipzig. Die Niederschlagsvorhersage sei "eines der großen Sorgenkinder bei der Wettervorhersage", sagt Manfred Wendisch. Ziel sei es, "Klimavorhersagen etwas sicherer zu machen", so der Direktor des Leipziger Instituts für Meteorologie.

Manfred Wendisch im Gespräch mit Susanne Kuhlmann | 30.07.2012
    Susanne Kuhlmann: In dieser Woche treffen sich rund 500 Wissenschaftler aus der ganzen Welt in Leipzig, um die Köpfe in die Wolken zu stecken. Die Universität, genauer: das Leibniz-Institut für Troposphärenforschung und das Leipziger Institut für Meteorologie, sind Gastgeber der Internationalen Konferenz zu Wolken und Niederschlag. Im olympischen Rhythmus findet diese bedeutendste Konferenz ihrer Art alle vier Jahre statt, in Leipzig bereits zum zweiten Mal. Die Wolkenforschung, das ist ein höchst aktuelles wissenschaftliches Thema. Und das, worüber die Forscher debattieren, ist alles andere als wolkig, sondern vielmehr höchst konkret. Am Telefon in Leipzig ist Professor Manfred Wendisch, Direktor des Leipziger Instituts für Meteorologie. Guten Tag!

    Manfred Wendisch: Schönen guten Tag!

    Kuhlmann: Wolken beeinflussen den Strahlungshaushalt der Erde und sie spielen eine wesentliche Rolle für Wetter und Klima. Und dass wir in diesem Sommer bisher mehr Wolken als blauen Himmel zu sehen bekamen, ist für sie und ihre Kollegen wohl nur eine Randnotiz. Worüber denken Sie nach, wenn es um den Zusammenhang von Wolkenbildung und Wettervorhersage geht?

    Wendisch: Ja, also, mir fallen da jede Menge unbekannte Rätsel ein. Die Wolkenbildung an sich gibt noch einige Rätsel auf. Die prinzipiellen Prozesse sind zwar einigermaßen verstanden, das große Problem ist aber, diese Prozesse in die Wettervorhersagemodelle einzubauen. Was man da für ein Problem hat, ist folgendes: Auf der einen Seite haben Sie diese Prozesse, die die Wolken bilden, die uns wie gesagt einigermaßen bekannt sind, die laufen aber auf sehr kleinen Skalen ab, also bis zu Zentimetern. Die Wettermodelle an sich decken ganz andere Skalen ab, da geht es also um mindestens Hunderte Meter. Und das detaillierte Detailwissen in die Modelle einzubauen, das ist also eine der großen Herausforderungen. Das Zweite, was mir einfällt, wenn Sie mich so fragen, ist also die Niederschlagsvorhersage, da warten noch einige Rätsel auf uns und da warten wir auch schon seit einiger Zeit auf einen Durchbruch. Das Problem ist dabei, dass die Niederschlagsvorhersage eines der großen Sorgenkinder ist bei der Wettervorhersage, bei allen anderen Elementen wurden im Prinzip wesentliche Fortschritte in der Vorhersagegüte erzielt, aber nicht bei der Niederschlagsvorhersage. Und hier ist eigentlich das Hauptproblem, dass die Eisbildung in Wolken noch nicht ordentlich verstanden ist, und die Eisbildung ist also ein wichtiger Prozess bei der Niederschlagsbildung.

    Kuhlmann: Und dann ist Ihre Perspektive ja noch eine deutlich größere: Der Weltklimarat hält Wolken für den größten Unsicherheitsfaktor bei der Prognose von Klimaveränderungen. Wie können Ihre Forschungen diese Unsicherheit verringern helfen?

    Wendisch: Ja, die Konferenz an sich ist natürlich sehr breit aufgestellt. Da wird ein breites Themenspektrum abgedeckt und im Prinzip arbeitet diese ganze Konferenz mit diesem Hauptziel, wirklich Klimavorhersagen etwas sicherer zu machen. Im Moment ist es ja so, dass die Klimavorhersagen nicht mal genau sagen können, ob wir ein wärmeres oder ein kälteres Klima kriegen, wenn wir die Wolken mit richtig einbeziehen. Also, die Wirkung von Wolken im Klimasystem an sich ist noch relativ unverstanden. Was wir also konkret beitragen können, ist der Punkt, den ich gerade genannt hatte mit der Eisbildung: Im Moment werden also neue Verfahren entwickelt und getestet, um zu sehen, wann sich in einer Wolke Eis bildet, wo sich das Eis bildet und wie stark dann der Effekt auf die Niederschlagsbildung ist. Also, das ist sozusagen ein heißes Thema, obwohl natürlich die Eis-Phase an sich eher kalt ist.

    Kuhlmann: Sie haben ja anfangs schon allerlei gesagt zu den Problemen, vor denen Wolken- und Niederschlagsforscher stehen. Was ist das Schwierigste: Die Entwicklung geeigneter Messverfahren oder auch die Simulation, oder eher das Verständnis von sehr komplexen und auch dynamischen Zusammenhängen?

    Wendisch: Also, hier würde ich sagen, dass beide Felder sehr problematisch sind. Auf der einen Seite braucht man verbesserte Beobachtungsmethoden, da haben also uns Satelliten in letzter Zeit einige Fortschritte gebracht, es wird also seit einigen Jahren, werden von Satelliten zum Beispiel Radargeräte betrieben. Und da kann man also direkt in die Wolken reinschauen, das ist also ein großer Fortschritt. Ansonsten, die Beobachtungen allein sind auch … ich möchte nicht sagen langweilig, aber die im Detail zu verstehen, da braucht man einfach Modelle dazu. Wir haben also Rechenmodelle entwickelt, wo die ganzen Gleichungen drin sind, die die Wolken- und Niederschlagsbildung beschreiben, und nur mit diesen Modellen kann man auch die Komplexität der Wolke beschreiben und verstehen. Sie können sich vorstellen, wenn man mit dem Satelliten mal über so eine Wolke fliegt, dann ist man schnell wieder weg, oder wenn wir mit Flugzeugen durch die Wolken fliegen und zum Beispiel die Tropfengröße messen, das ist einfach nur so wie so ein Nadelstich in die Wolke. Damit kann man die komplexen Prozesse nicht allein beschreiben, da braucht man Modelle dazu, und beide Felder sind immer noch problematisch.

    Kuhlmann: Sollen Menschen aktiv in das Klimageschehen eingreifen, und wenn ja, wie? Auch darum geht es ja auf Ihrer Konferenz. Geo-Engineering nennt sich dieser Ansatz, und es geht darum, die Erderwärmung zu stoppen. Wie weit sind Sie damit gekommen?

    Wendisch: Na ja, aktuell werden sozusagen Szenarien entwickelt, wie man der unbestritten fortschreitenden Klimaerwärmung entgegenwirken kann. Aber was man dazu sagen muss: Grundsätzlich doktert man dann sozusagen erst mal an Symptomen herum. Das ist wie, wenn Sie Kopfschmerzen haben: Da nehmen Sie eine Tablette und der Schmerz ist erst mal weg. Allerdings haben Sie da die Ursache der Kopfschmerzen noch nicht behandelt. Und insofern ist das relativ skeptisch zu sehen im Moment. Im Moment spielen die Wissenschaftler einige Ideen am Computer durch, um sozusagen aus Berechnungen die Tragweite der Eingriffe abzuschätzen und auch eventuell Nebenwirkungen. Also, das ist genau so wie bei der Kopfschmerztablette: Sie müssen halt erstens mal testen, ob die Kopfschmerztablette wirklich den Schmerz wegkriegt, das heißt, ob die Maßnahme, die sie jetzt treffen, um der Klimaerwärmung entgegenzuwirken, ob die wirklich greift, das ist das eine. Und sie müssen auf der anderen Seite die Nebenwirkung der Kopfschmerztablette auch ein bisschen abschätzen, denn die sind unter Umständen sehr gefährlich. Und deswegen wird im Moment hauptsächlich an diesen Szenarien gearbeitet.

    Kuhlmann: Danke schön! Die Internationale Konferenz zu Wolken und Niederschlag hat heute in Leipzig begonnen, und für den Einblick in die Forschung Dank an Professor Manfred Wendisch, den Direktor des Leipziger Instituts für Meteorologie!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.