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Bei der Wahrung der Menschenrechte mehr ins Zeug legen

Amnesty International stellt heute in Frankreich das "Manifest für die Menschenrechte" vor. Auf der zwölfseitigen Broschüre wird die aktuelle Lage in sechs Bereichen beleuchtet: von der Sicherheitspolitik über den Kampf gegen Diskriminierungen bis hin zur Außenpolitik.

Von Suzanne Krause |
    In seinem Büro im Pariser Hauptquartier von Amnesty International Frankreich hat sich Patrick Delouvin in die Direktübertragung aus dem Senatssaal eingeloggt. Diskutiert wird über das geplante Gesetz, mit dem Fragen der Einwanderung, der Integration und der nationalen Identität neu geregelt werden sollen; das sechste Immigrationsgesetz seit 2002. Die französische Nationalversammlung hat den Gesetzestext bereits abgesegnet, doch der Senat will ihm nicht ohne Weiteres zustimmen. Auf Ablehnung stößt beispielsweise das Ansinnen, eingebürgerten Franzosen, die kriminell wurden, die Staatsangehörigkeit wieder entziehen zu können. Dabei war dies ein Wunsch von Staatspräsident Sarkozy. Doch das Gesetzesvorhaben bleibt weiterhin gigantisch, sagt Patrick Delouvin, bei Amnesty International zuständig für den Sektor Europa.

    "Im vergangenen Sommer sorgte das Thema Roma und innere Sicherheit in Frankreich für Schlagzeilen weltweit. Kaum waren die Sommerferien vorbei, brachte die Regierung einmal mehr Ergänzungen für das geplante Immigrationsgesetz ein. Der Text wird nach und nach so komplex, dass ich kaum noch mitkomme. Den Senatoren geht es genauso. Das Gesetzesvorhaben enthält Regelungen einerseits für Ausländer, die legal im Land sind. Andererseits für solche, die illegal einwanderten und deren Abschiebung erleichtert werden soll. Und es geht auch um das Asylrecht: Die Regierung will die Abschiebung von Asylbewerbern vereinfachen. Und das beunruhigt uns bei Amnesty International."

    Das Asylrecht ist eines der Themen im aktuellen "Manifest für die Menschenrechte" der französischen Sektion von Amnesty International. Ein Empfehlungskatalog für die Präsidentschaftswahl im kommenden Jahr.

    2007 hat die Menschenrechtsorganisation zum ersten Mal einen solchen Katalog veröffentlicht. Denn im damaligen Präsidentschaftswahlkampf war das Thema innere Sicherheit ein Dauerbrenner. Und laut Amnesty trat bei den Politikern dabei die Sorge um die Menschenrechte in den Hintergrund. So beklagte die Organisation beispielsweise damals schon, dass Anwälten der Zugang zu Kriminellen in Untersuchungshaft erschwert wurde. Mittlerweile geben mehrere Urteile vom Pariser Verfassungsgericht bis hin zum Europäischen Menschenrechtshof Amnesty Recht. Vieles von dem, was Amnesty damals bemängelte, ist im aktuellen Manifest erneut aufgelistet. Wie zum Beispiel der sogenannte Abschiebeaufschub, den Asylbewerber erhalten sollen, um Einspruch erheben zu können.

    "Wir empfehlen einen Aufschub der Abschiebung, um einen zweiten Blick auf den Antrag zu ermöglichen. In Kürze wird sich der Europäische Menschenrechtshof dazu äußern. Internationale Institutionen wie die Vereinten Nationen oder auch der Kommissar für die Menschenrechte beim Europarat haben Paris empfohlen, einen solchen Aufschub zu gewähren. Denn in Frankreich werden 85 Prozent der Asylanträge in erster Instanz abgewiesen."

    Doch aus Sicht der Manifest-Verfasser gibt es auch Fortschritte im Bereich der Menschenrechte. So lobt Amnesty unter anderem das Gesetz von Juli 2010, mit dem die familiäre Gewalt an Frauen und Kindern besser bekämpft werden soll. Und moniert, dass es beispielweise auf den Polizeiwachen an geschultem Personal fehlt. Dass es bei der Umsetzung dieses Gesetzes hapert, wie bei so vielen anderen. 2007 bat Amnesty Paris darum, das Abkommen des Europarates zum Menschenhandel zu ratifizieren. Dies ist mittlerweile erfolgt. Doch laut der Menschenrechtsorganisation müsste Frankreich den Kampf gegen den Menschenhandel intensivieren.

    "Amnesty International liegt nicht daran, eine internationale Länderhitparade zum Thema Menschenrechte zu erstellen. Aber Frankreich kommt eine besondere Rolle zu: In diesem Jahr wird das Land den G8- und den G20-Gipfel ausrichten, kürzlich hatte es die Präsidentschaft der Europäischen Union, Frankreich ist seit Urzeiten im UN-Sicherheitsrat. In Anbetracht all dessen müsste sich Frankreich bei der Wahrung der Menschenrechte mehr ins Zeug legen."