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"Bei mir klingelt die Kasse"

Er war enttäuscht von den Plattenfirmen und wollte außerdem mit seiner Frau ein Kind. Das ist lange her. Nun ist Garland Jeffreys mit seinem neuen Album "The King Of In Between" zurück im Geschäft. Im Interview plaudert der 68-Jährige über seine Pläne: Er will singen, bis er nicht mehr stehen kann.

Garland Jeffreys im Gespräch mit Uli Kniep | 19.05.2012
    Uli Kniep: Garland Jeffreys, wo zum Teufel haben Sie all die Jahre gesteckt?

    Garland Jeffreys: Ganz einfach: Zum einen hat mich der aufreibende Kampf mit den Plattenfirmen ermüdet: Sie brechen sehr oft ihre Versprechen, und man ist enttäuscht. Zum anderen sagte meine Frau, dass sie ein Kind haben möchte. Sie war damals 38, und ich entgegnete: Dann lass uns schnell üben! Wir entschieden uns also für eine Familie.
    Ich selber weiß, was es bedeutet, in einer nicht optimalen familiären Umgebung aufzuwachsen. Das wollte ich besser machen. Also kümmerte ich mich in den folgenden Jahren um meine Tochter. Ich habe sie jeden Tag zur Schule gebracht, und lernte ein Vater zu sein! So habe ich einige Jahre damit zugebracht, sie zu erziehen.

    Kniep: Haben Sie denn von den Tantiemen Ihrer früheren Aufnahmen leben können?

    Jeffreys: Sie wollen also wissen, wie viel Geld mir "Matador" eingebracht hat? Nun, eine Menge! Dieser Song war für mich, was "Bridge Over Troubled Water" für Simon and Garfunkel gewesen ist. "Matador" erschien 1979 und wird noch immer in den Radios gespielt. Und bei mir klingelt die Kasse!

    Kniep: Dann gehören Sie also zu den Glücklichen, die sich nicht über den Tisch haben ziehen lassen – so wie es in den 60er-Jahren die Regel war!

    Jeffreys: Leider war es das Schicksal vieler Künstler, nichts von ihrem Ruhm zu haben, Mein Idol Frankie Lymon zum Beispiel ging leer aus. Und er starb mit 25 an Drogen. Die meisten Künstler hatten damals keine Ahnung vom Geschäft und vom Urheberrecht. So hatten sie nichts von den Hits, die sie geschrieben haben. Nur die Rechtsanwälte und Plattenfirmen verstanden etwas vom Geldverdienen. Und erst Paul Simon hat uns gezeigt, wie das geht.

    Kniep: Um nochmal auf Ihren großen Hit "Matador" zurückzukommen – worum ging es eigentlich in dem Text?

    Jeffreys: Er beschreibt eine Art Orientierung, nach der sich die meisten Menschen sehnen. Ich singe "Bring mich zum dem Matador, der mir hilft, mit meinem Leben zu Recht zu kommen". Es handelt sich dabei weder um eine Person, noch um einen Gott: Es ist eine Kraft, etwas Spirituelles.

    Kniep: Auf dem neuen Album nun ist ein Stück, das man als Verneigung vor den Rolling Stones verstehen könnte, oder als dreist geklaut bei "Miss You"!

    Jeffreys: Ich muss zugeben, dass ich in meinem Stück "The Contortionist" (= der Schlangenmensch) bei den Stones geklaut habe. Aber ich hoffe, dass Mick Jagger und Keith Richards Humor haben und es als eine Verbeugung vor ihnen verstehen! Ich widme hiermit diesen Songs den Rolling Stones!

    Kniep: Ein Freund von Ihnen, Lou Reed, singt auf einem Stück mit – wie gut kennen Sie sich eigentlich?

    Jeffreys: Wir trafen uns erstmals 1961 und sind nun Freunde seit 50 Jahren. Wir waren schon zusammen auf dem College und mochten dieselbe Musik. Und heute verstehen wir uns besser denn je. Manchmal singe ich auf seinen Alben im Hintergrund mit, jetzt hat er mir geholfen. Als er 70 wurde, habe ich ihm ein Ständchen gesungen. Das war die Idee von seiner Frau Laurie Anderson.

    Kniep: Sie selber sind nun auch 68, singen auf der Platte "I'm Alive" – offenbar bis der selige John Lee Hooker sie ruft, wie es in einem Songtitel heißt.

    Jeffreys: Manche Leute sagen: Du bist mit deinen 68 Jahren doch auch schon ziemlich alt – aber ich bin einfach nicht bereit jetzt aufzuhören. Ich werde weitermachen, bis ich nicht mehr stehen kann. Dann setze ich mich eben auf die Bühne. Was soll ich auch sonst tun? Und außerdem habe ja richtig Spaß dabei!

    Kniep: In "Streetwise" zitieren Sie Ihren Vater. Was ist mit diesem Ausdruck gemeint?

    Jeffreys: Er riet mir, immer auf der Hut zu sein. Ich schrieb den Song zu der Zeit, als meine Tochter in dem Alter war, alleine mit dem Bus durch New York zu fahren. Ich habe damals sie und ihre Freundinnen vor den Gefahren der Straße gewarnt: Ihr müsst immer und überall vorsichtig sein! Aber das gilt ganz generell für das Leben: Man muss immer aufpassen, weil man nie weiß, was als nächstes passiert.

    Kniep: Politiker, so singen Sie in "Coney Island Winter", können Sie mal kreuzweise...

    Jeffreys: Oh, ja: Die Politiker können mich mal! Sie werden eigentlich gewählt, um das Leben der Bürger angenehmer zu machen. Die Regierung sollte uns leiten und Probleme lösen. So wie es Barack Obama in der Krise der Automobilindustrie tat. Aber nimm nur mal Mitt Romney: Er ist ein "fucking asshole". Doch die Konservativen haben einen Fehler gemacht, ihn in den Vorwahlen zu exponieren und Präsident Obama wird auch die nächste Wahl gewinnen. Denn Romney ist kalt, er hat zum Beispiel sinngemäß gesagt, man solle den Bundesstaat Michigan und General Motors doch ruhig pleite gehen lassen, man könne ja alles später wieder aufbauen. Wie kann man so etwas sagen? Er schert sich nicht um die Jobs des kleinen Mannes. In seinen Adern fließt Eiswasser.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.