Archiv


Bei Netzstörung Preiserhöhung

Der Bund der Energieverbraucher lehnt eine Haftungsverpflichtung von Stromkunden für Probleme bei der Netzanbindung von Offshore-Windanlagen ab, sagt der Vorsitzende, Aribert Peters. Es sei nicht sachgerecht, dass man "die Energiewende politisch hintertreibt, indem man Zusatzkosten dem Verbraucher auferlegt."

Aribert Peters im Gespräch mit Susanne Kuhlmann | 15.08.2012
    Susanne Kuhlmann: Was kostet der Atomausstieg die deutschen Stromkunden? Im vergangen Jahr zahlten sie 16,4 Milliarden Euro an Umlage für den Ausbau erneuerbarer Energien an die Betreiber von Solar- und Windkraftparks, von Wasserkraftwerken und Biogasanlagen. Heute schreibt die "Frankfurter Allgemeine Zeitung", Stromverbraucher müssten sich auf weitere Kostensteigerungen einstellen. Die Zeitung bezieht sich auf einen Verordnungsentwurf aus dem Bundeswirtschaftsministerium, in dem steht, dass Stromverbraucher für die Netze vor der Küste haften sollen. Das wäre dann eine Regelung zugunsten von Netzbetreibern wie "Tennet" und "50Hertz", die für die Netzanschlüsse von Windkraftanlagen verantwortlich sind. Am Telefon ist Dr. Aribert Peters, Vorsitzender vomBund der Energieverbraucher. Herr Peters, was halten Sie von dieser wahrscheinlich bevorstehenden Haftungsverpflichtung der Stromkunden?

    Aribert Peters: Ich grüße Sie, Frau Kuhlmann! Wir halten nichts davon, denn hier wird ein Vertrag zulasten der privaten Stromverbraucher abgeschlossen. Hier zeigt sich wieder mal, dass die Politik zugunsten der großen Energieversorger immer noch gemacht wird. Für den bisherigen Ausbau der erneuerbaren Energien Wind- und Solarenergie gab es eine solche Regelung nicht, und wenn die Netze dann zu spät gebaut wurden, dann war das der Schaden sozusagen des Anlagenbetreibers, des Anlagenerrichters. So muss es natürlich hier auch sein, das ist nicht sachgerecht und auch nicht zu rechtfertigen, dass hier die privaten Verbraucher für die Verzögerung im Netzanschluss geradezustehen haben.

    Kuhlmann: Die Netzbetreiber, so sieht es dieser Entwurf offenbar vor, müssen nur für die Schäden aufkommen, die sie selbst verursacht haben. Das allerdings auch nur zu einem geringen Teil. Und sie sollen auch keine Risikoversicherung abschließen müssen. Ein solches Entgegenkommen soll die bis jetzt sehr zögerliche Investitionsbereitschaft der Netzunternehmen ankurbeln. Bliebe überhaupt ein anderer Finanzier übrig als der Stromkunde?

    Peters: Ja natürlich, die Netzbetreiber, die machen ja auch das Geschäft, und die müssten dann auch ins Risiko natürlich rein, denn mit der Geschäftsmöglichkeit durch die Netze muss auch der Netzbetreiber ein gewisses Risiko übernehmen, denke ich. Und einen anderen Teil des Risikos muss natürlich auch der Anlagenbetreiber übernehmen, wie es eben bei anderen Anlagen im Erneuerbare-Energien-Bereich auch bisher praktiziert wird. Die Bundesregierung hat ja ohnehin angekündigt, dass sie sich der Verantwortung für die Stromnetze, die ja eine Überlebensader für die gesamte deutsche Wirtschaft und für das gesamte Land sind, dass sie sich dieser Verantwortung stellt, indem sie selber in die Netze einsteigt. Leider hat sie das nicht gemacht, obwohl sie es angekündigt hat und das auch in der Koalitionsvereinbarung drin stand. Also, natürlich ist die Regierung hier weiterhin in der Verantwortung, dass die Stromnetze in dem Sinne auch als Ressource ausgebaut werden und zur Verfügung stehen, wie sie auch benötigt werden vom Land.

    Kuhlmann: Es wird ja immer offensichtlicher, dass die Energiewende uns teuer zu stehen kommt, weil zum Beispiel viel mehr Solaranlagen Strom einspeisen als ursprünglich erwartet, steigt auch die Umlage für den Ausbau erneuerbarer Energien womöglich von dreieinhalb auf fünf Cent pro Kilowattstunde. Und das belastet nicht nur die Stromrechnung in vielen Privathaushalten, sondern auch in der mittelständischen Wirtschaft. Und die kündigt jetzt Klagen gegen das EEG, gegen das Erneuerbare-Energien-Gesetz an. Und hat unter Umständen auch gute Aussichten dafür, solche Klagen zu gewinnen. Zeigt sich, dass die Energiewende zwar mit großer Zustimmung beschlossen wurde, jetzt aber das dicke Ende kommt und das viele Leute nicht mehr freut?

    Peters: Frau Kuhlmann, das dicke Ende der Energiewende ist kein dickes Ende, sondern ein erfreuliches, dünnes Ende. Wenn nämlich in ein paar Jahren die erneuerbaren Energien deutlich geringere Kosten haben in der Erzeugung als die konventionellen Energien, dann wird diese Energiewende, die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien die Verbraucher entlasten, weil sie dann geringere Kosten haben. Bis dahin wird es noch mal teurer, aber auch nicht viel teurer. Man muss sehen, dass die Mehrbelastung, die jetzt auf die Verbraucher zukommt, zum großen Teil dadurch entstehen, dass die Bundesregierung hier wieder großzügige Ausnahmetatbestände zugunsten der Industrie geschaffen hat. Das heißt, hier wird wieder Geld der Verbraucher an die Industrie verschenkt, die Strompreise steigen in der Folge, und das wird der Energiewende angelastet. Das ist natürlich nicht fair und nicht angemessen und nicht sachgerecht, dass man die Energiewende politisch hintertreibt, indem man Zusatzkosten dem Verbraucher auferlegt, die aber im Grunde mit der Energiewende gar nichts zu tun haben.

    Kuhlmann: Stromverbraucher sollen bei Problemen mit Netzen vor der Küste haften. So sieht es ein Entwurf aus dem Bundeswirtschaftsministerium offenbar vor. Was der Bund der Energieverbraucher davon hält, erläuterte dessen Vorsitzender Dr. Aribert Peters. Ihnen vielen Dank dafür!

    Peters: Vielen Dank und schönen Tag. Tschüss, Frau Kuhlmann.

    Kuhlmann: Wiederhören.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
    Aribert Peters, Vorsitzender des Bundes der Energieverbraucher
    "Hier wird wieder Geld der Verbraucher an die Industrie verschenkt", kritisiert Aribert Peters. (Bund der Energieverbraucher)