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"Bei uns in der Augenheilkunde haben wir zwei Anwendungsgebiete"

Shinya Yamanaka wird für seine Arbeit an den sogenannten iPS-Zellen mit dem Medizin-Nobelpreis ausgezeichnet. An der Bonner Universitäts-Augenklink werden mithilfe von iPS-Zellen bereits Netzhautzellen gewonnen. Tim Krohne von der Augenklinik erläutert im Interview, wie das genau geht.

    Jochen Steiner: Diese induzierten pluripotenten Stammzellen werden bereits zum Beispiel an der Bonner Universitäts-Augenklinik erforscht. Kurz vor der Sendung konnte ich mit Dr. Tim Krohne sprechen. Und ich habe ihn zuerst gefragt, wofür er die iPS- Zellen dort denn überhaupt einsetzt?

    Tim Krohne: Bei uns in der Augenheilkunde haben wir zwei Anwendungsgebiete - wie wahrscheinlich in den meisten Gebieten der Medizin. Zum einen hat man ja aufgrund dieser bahnbrechenden neuen Erfinden oder Entdeckung von Herrn Yamanaka die Möglichkeit, patienteneigene Stammzellen nun erstmalig zu gewinnen und aus denen dann im Augenkundebereich Netzhautzellen zu gewinnen, die man dann zur therapeutischen Transplantation verwenden kann. Zum anderen kann man mit diesen Zellen aber auch Dinge wie Drug-Screening also das Ausprobieren neuer Medikamente im Reagenzglas vornehmen.

    Steiner: Warum setzen Sie diese iPS-Zellen im Auge ein? Warum genau dort und nicht woanders?

    Krohne: Am Auge haben wir einmal den Vorteil, dass Augenzellen sich offensichtlich besonders gut aus diesen neuen induzierten pluripotenten Stammzellen generieren lassen. Und zum einen haben wir in der Augenheilkunde auch die chirurgischen Voraussetzungen, mit denen man diese Stammzellen genau an den richtigen Ort im Auge bringen kann, bereits etabliert - aufgrund von früheren Anwendungen ähnlicher Art. So dass wir da beste Voraussetzungen haben, um solche Stammzelltherapien dann in Zukunft auch in die Klinik zu bringen. Wahrscheinlich aus Gründen laufen ja auch aktuell die einzigen Studien weltweit mit pluripotenten Stammzellen in der Augenheilkunde, im Bereich der altersabhängigen Makuladegeneration und anderen Makula-Erkrankungen.

    Steiner: Sie arbeiten da mit Mäusen. Was machen Sie da konkret?

    Krohne: Mit Ratten arbeiten wir. Da haben wir ausprobiert, ob die Transplantation funktioniert, ob die Zellen da wirklich angehen in der Sehzellschicht, in der Retina des Auges.

    Steiner: Es geht um die Makuladegeneration - habe ich das richtig verstanden?

    Krohne: Genau. Und dafür gibt es bestimmte Tiermodelle, die man bemüht, bevor man dann an menschliche Studien denkt. Und in diesen Tiermodellen kann man wie gesagt erproben, ob die Zellen angehen, ob es irgendwelche Abstoßungsreaktionen gibt. Und insbesondere auch, ob die Zellen dann funktionieren, sprich ob bei den Mäusen und Ratten dann die Erkrankung gestoppt werden kann und die Sehfunktion erhalten werden kann. Und das konnten wir in der Tat bei unseren Tieren nachweisen.

    Steiner: Die Chancen stehen also auch gut, dass das beim Menschen irgendwann klappen könnte?

    Krohne: Ich denke schon. Und, wie gesagt, erste Studien - jetzt zwar nicht mit den induzierten pluripotenten Stammzellen, aber mit dem sozusagen bisherigen Goldstandard, den embryonalen Stammzellen - die laufen auch bereits in der Augenheilkunde, so dass die Hoffnung ist, dass das in den nächsten möglicherweise fünf bis zehn Jahren in die Klinik kommen könnte.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.


    Mehr zum Thema auf dradio.de:

    Gespräch mit Wissenschaftsjournalist Michael Lange im Deutschlandradio Kultur (MP3-Audio)

    "Japanischer Zellzauber" (Beitrag über Shinya Yamanaka vom 2. Oktober 2009)

    Interview Shinya Yamanaka in "Forschung aktuell" (vom 26.11.2007)

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