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"Beim Greening geht es um das große Ganze"

Der Kompromiss der EU-Minister für eine Agrarreform sieht eine Angleichung der Hektarprämien vor. Das führe zu mehr Gerechtigkeit, sagt DLF-Umweltredakteurin Jule Reimer. Inwieweit die Landwirtschaft grüner werde, müsse sich erst zeigen. Hier gebe es noch Streitpunkte.

Jule Reimer im Gespräch mit Mario Dobovisek | 20.03.2013
    Mario Dobovisek: Insgesamt 60 Milliarden Euro investiert die Europäische Union jedes Jahr in die Förderung der europäischen Agrarpolitik – immerhin 40 Prozent des gesamten EU-Haushalts. Diese Förderung der Landwirtschaft stammt noch aus der Nachkriegszeit und soll nun reformiert werden. Mehr Gerechtigkeit und einen grünen Anstrich soll es geben – so sollen Zahlungen an Bauern künftig an Umweltauflagen geknüpft werden. Jule Reimer aus unserer Redaktion Umwelt und Verbraucher: Nach den Beschlüssen des Europäischen Parlaments und der EU-Agrarminister - wird die europäische Landwirtschaftspolitik gerechter?

    Jule Reimer: Ja, gerechter wird sie sicherlich. In Deutschland erhält derzeit jeder Landwirt um die 300 Euro pro Hektar, das ist in den meisten EU-Mitgliedsstaaten, die später zur EU kamen, deutlich weniger und diese Hektarprämien sollen angeglichen werden – da werden die deutschen Landwirte etwas abgeben. EU-Kommissar Dacian Ciolos und das Europäische Parlament wollen außerdem eine Obergrenze von 300.000 Euro pro Agrarbetrieb einziehen und die Subventionen an die Zahl der Arbeitskräfte binden – das haben die EU-Agrarminister gestern nicht bestätigt. Auch Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner zum Beispiel ist gegen diese Obergrenze. Sie meint, dass sich die Großbetriebe dann einfach teilen würden, um diese Grenze zu umgehen. Tatsache ist aber, dass von den Agrarsubventionen zum allergrößten Teil nur die großen Agrarunternehmen profitieren und die kleinen und mittleren Bauern bisher gar nicht so viel davon haben.

    Dobovisek: Gerechter ja, aber wird es denn auch grüner werden?

    Reimer: Das bleibt abzuwarten. In Deutschland gibt es bereits allerhand Agrarumweltmaßnahmen, das in Deutschland sind nur Einzelmaßnahmen, wie Verbesserungen bei der Düngung zum Beispiel. Beim Greening geht es um das große Ganze: In ihrer modernen, sehr intensiven Form bedroht die Landwirtschaft ohne Ausgleichsmaßnahmen nämlich die Artenvielfalt. Viele Feldvögel sind mittlerweile auf der Roten Liste der bedrohten Tierarten, und Hummeln brauchen blühende Wiesen.

    Deshalb – das ist jetzt ein Pflichtprogramm - soll jetzt jeder Hof "ökologische Vorrangfläche" vorhalten, Flächen, auf denen nicht mit Pestiziden oder Dünger gearbeitet wird – das können Brachen sein, Hecken oder dort kann Öko-Anbau betrieben werden.

    Zweitens darf Grünland nicht umgebrochen werden - Wiese und Weide müssen Wiese und Weide bleiben, und dürfen nicht zum Mais-Acker werden. Und drittens soll im Ackerbau der Anbau diversifiziert werden – also mehr auf Fruchtfolgen und Fruchtwechsel sind das Stichwort geachtet werden. Als Belohnung bekommen die Landwirte, die dies einhalten, innerhalb von 100 Prozent Subventionen 30 Prozent davon als Belohnung.

    Dobovisek: Das klingt sehr detailliert und sehr bürokratisch. Ist das schon in Stein gemeißelt?

    Reimer: Wir haben bis jetzt die Position der EU-Kommission vorliegen, die des Europäischen Parlaments und die der EU-Agrarminister und die müssen jetzt ihre drei Beschlüsse in den Streitpunkten noch zusammenbringe. Hauptstreitpunkt ist erstens, wie viel ökologische Vorrangfläche die Bauern reservieren sollen, da sind drei, fünf oder sieben Prozent im Gespräch. Und zweitens – wichtig - ob auch die bisherigen Regelsubventionen für die Agrarunternehmen auf die Dauer gekürzt werden könnten, wenn sich diese Unternehmen nicht um die drei oben genannten Greening-Maßnahmen scheren. Diese Kürzungen sollen laut EU-Kommission und Europäischem Parlament Pflicht werden. Die EU-Agrarminister – und auch Ilse Aigner - lehnen diese Kürzungen ab, das ist gestern so beschlossen worden und jetzt muss man abwarten, wie sich alle einigen.