Friedbert Meurer: In Köln jagte die letzten Monate eine Meldung die nächste, welche Rheinbrücke gerade wieder sich in einem bedenklichen Zustand befindet und gesperrt wird, oder man nicht mehr so schnell fahren darf wie zurzeit. Allesamt sind sie ein Nadelöhr. Sie zu reparieren, geht in Richtung 200 Millionen Euro, nur in Köln. Deutschlandweit sieht es nicht besser aus. Der Zahn der Zeit nagt an Straßen und Schienenwegen. Heute will eine Sonder-Verkehrsministerkonferenz über ein milliardenschweres Maßnahmenpaket entscheiden.
Der Verkehr in Deutschland nimmt zu, aber der Staat hat nicht genügend Geld, um all die Straßen oder Schienen und Kanäle zu reparieren oder neu zu bauen, wie es nötig wäre. Das zu lösen, darüber hat sich wie gehört eine Kommission den Kopf zerbrochen. Ihr Vorsitzender ist der frühere Bundesverkehrsminister Kurt Bodewig (SPD). Guten Morgen, Herr Bodewig!
Kurt Bodewig: Guten Morgen, Herr Meurer.
Meurer: In welchem Zustand befinden sich denn unsere Straßen, Wege und Schienen?
Bodewig: Der Zustand ist extrem, es ist hoch problematisch. Wir haben ganze Generationen von Brückenbauwerken auf Autobahnen und Landstraßen aus den 70er-Jahren und das Gleiche gilt auf der Schiene, etwa 100 Jahre alte Eisenbahnbrücken, die jetzt zwingend sanierungsbedürftig sind. Den Zustand der Straßen kann jeder Fahrer selber sehen. Insofern müssen wir etwas tun. Wenn wir es jetzt nicht machen, dann haben wir einen großen Verlust in der Qualität des Netzes, und das ist wirklich mit volkswirtschaftlichen Schäden verbunden.
Meurer: 300 Brücken müssen saniert werden. Wir haben immer gedacht, einstürzende Brücken gibt es nur in den USA. Kann so was im Extremfall in Deutschland auch passieren, so ein Unglück?
Bodewig: Ich glaube, einstürzende Brücken nicht, weil dafür haben wir ein Brücken-Monitoring, das auch effizient arbeitet. Aber die Gleichzeitigkeit einer ganzen Generation von Brücken macht uns Riesensorge. Herr Daehre hat einmal in seiner Kommission feststellen lassen, dass der Nachholbedarf 7,2 Milliarden oder der Bedarf 7,2 Milliarden ist. Das ist eine große Summe, die muss zu den heutigen 100 Milliarden auch sehr zeitnah aufgestockt werden.
Meurer: Das war sozusagen in der Kommission Ihre Aufgabe, Modelle zu finden, wie man sieben Milliarden Euro jährlich generieren kann. Das meiste Geld davon soll von der Lkw-Maut kommen. Nebenbei: Sie ist ja eingeführt worden in Ihrer Zeit als Verkehrsminister. Warum die Lkw-Maut?
Bodewig: Die LKW belasten die Straße in einer sehr deutlichen Weise. Wir haben einen riesigen Zuwachs von Lkw-Verkehren. Die Gewichte werden immer höher. Sie ändern sich. In den 60er-Jahren war das Höchstgewicht für LKW 28 Tonnen, heute sind es 40 Tonnen. Wir haben Schwerlast-Transporte, die pro Achslast elf Tonnen sind, also weit über 44 Tonnen hinausgehen. Alles das macht deutlich: Der LKW ist derjenige, der den Verbrauch von Straßen am deutlichsten herstellt. Und vielleicht eine Zahl: Die Druckbelastung eines 40-Tonner-LKW ist 60.000-fach so hoch wie ein mittlerer PKW. Das heißt, deswegen ist die Lkw-Maut in der Vergangenheit eingeführt worden und sie ist jetzt auch eine der Finanzoptionen in ihrer Ausweitung.
Meurer: Wenn es jetzt dazu kommt, wie Sie empfehlen, oder als ein Modell empfehlen, dass die Maut auch gilt für alle Bundesstraßen und möglicherweise sogar für die Landstraßen, geht dann nicht jede Lenkungswirkung flöten, die Lastwagen bleiben nicht auf der Autobahn, sondern sie fahren durch die Dörfer und Kleinstädte?
Bodewig: Das ist ja der Grund, warum auch das nachgeordnete Netz vielleicht in einem zweiten Schritt mit betrachtet werden sollte. Denn eines ist sicher: Wir dürfen keinen Ausweichverkehr auf gut ausgebaute Landes- und Kreisstraßen haben. Ich glaube, die Straßen des kommunalen Netzes, die darunter liegen, sind nicht drin, denn das ist für LKW auch zu schwierig zu fahren. Ausweichverkehre könnte es nur in diesem ausgebauten nachgeordneten Netz geben, und deswegen ist dies eine weitere Handlungsoption, die wir vorgeschlagen haben.
Meurer: Vier Milliarden Euro jährlich mehr. Werden die Speditionen gemolken?
Bodewig: Nein. Wir gehen erst mal von einem Stufenplan aus. Wir sagen, es muss einen Mix geben aus Steuerfinanzierung und aus Nutzerfinanzierung. Bei der Steuerfinanzierung, damit beginnen wir. Wir schlagen vor ein Sondervermögen im Bundeshaushalt, also die Bindung von Mitteln, und damit kalkulierbar über 15 Jahre jährlich 2,7 Milliarden, um den Nachholbedarf zu decken, nämlich das, was in den letzten Jahren unterlassen ist. Das muss dringend aufgeholt werden, denn sonst wird die Sanierung von Straßen immer teurer.
Der Verkehr in Deutschland nimmt zu, aber der Staat hat nicht genügend Geld, um all die Straßen oder Schienen und Kanäle zu reparieren oder neu zu bauen, wie es nötig wäre. Das zu lösen, darüber hat sich wie gehört eine Kommission den Kopf zerbrochen. Ihr Vorsitzender ist der frühere Bundesverkehrsminister Kurt Bodewig (SPD). Guten Morgen, Herr Bodewig!
Kurt Bodewig: Guten Morgen, Herr Meurer.
Meurer: In welchem Zustand befinden sich denn unsere Straßen, Wege und Schienen?
Bodewig: Der Zustand ist extrem, es ist hoch problematisch. Wir haben ganze Generationen von Brückenbauwerken auf Autobahnen und Landstraßen aus den 70er-Jahren und das Gleiche gilt auf der Schiene, etwa 100 Jahre alte Eisenbahnbrücken, die jetzt zwingend sanierungsbedürftig sind. Den Zustand der Straßen kann jeder Fahrer selber sehen. Insofern müssen wir etwas tun. Wenn wir es jetzt nicht machen, dann haben wir einen großen Verlust in der Qualität des Netzes, und das ist wirklich mit volkswirtschaftlichen Schäden verbunden.
Meurer: 300 Brücken müssen saniert werden. Wir haben immer gedacht, einstürzende Brücken gibt es nur in den USA. Kann so was im Extremfall in Deutschland auch passieren, so ein Unglück?
Bodewig: Ich glaube, einstürzende Brücken nicht, weil dafür haben wir ein Brücken-Monitoring, das auch effizient arbeitet. Aber die Gleichzeitigkeit einer ganzen Generation von Brücken macht uns Riesensorge. Herr Daehre hat einmal in seiner Kommission feststellen lassen, dass der Nachholbedarf 7,2 Milliarden oder der Bedarf 7,2 Milliarden ist. Das ist eine große Summe, die muss zu den heutigen 100 Milliarden auch sehr zeitnah aufgestockt werden.
Meurer: Das war sozusagen in der Kommission Ihre Aufgabe, Modelle zu finden, wie man sieben Milliarden Euro jährlich generieren kann. Das meiste Geld davon soll von der Lkw-Maut kommen. Nebenbei: Sie ist ja eingeführt worden in Ihrer Zeit als Verkehrsminister. Warum die Lkw-Maut?
Bodewig: Die LKW belasten die Straße in einer sehr deutlichen Weise. Wir haben einen riesigen Zuwachs von Lkw-Verkehren. Die Gewichte werden immer höher. Sie ändern sich. In den 60er-Jahren war das Höchstgewicht für LKW 28 Tonnen, heute sind es 40 Tonnen. Wir haben Schwerlast-Transporte, die pro Achslast elf Tonnen sind, also weit über 44 Tonnen hinausgehen. Alles das macht deutlich: Der LKW ist derjenige, der den Verbrauch von Straßen am deutlichsten herstellt. Und vielleicht eine Zahl: Die Druckbelastung eines 40-Tonner-LKW ist 60.000-fach so hoch wie ein mittlerer PKW. Das heißt, deswegen ist die Lkw-Maut in der Vergangenheit eingeführt worden und sie ist jetzt auch eine der Finanzoptionen in ihrer Ausweitung.
Meurer: Wenn es jetzt dazu kommt, wie Sie empfehlen, oder als ein Modell empfehlen, dass die Maut auch gilt für alle Bundesstraßen und möglicherweise sogar für die Landstraßen, geht dann nicht jede Lenkungswirkung flöten, die Lastwagen bleiben nicht auf der Autobahn, sondern sie fahren durch die Dörfer und Kleinstädte?
Bodewig: Das ist ja der Grund, warum auch das nachgeordnete Netz vielleicht in einem zweiten Schritt mit betrachtet werden sollte. Denn eines ist sicher: Wir dürfen keinen Ausweichverkehr auf gut ausgebaute Landes- und Kreisstraßen haben. Ich glaube, die Straßen des kommunalen Netzes, die darunter liegen, sind nicht drin, denn das ist für LKW auch zu schwierig zu fahren. Ausweichverkehre könnte es nur in diesem ausgebauten nachgeordneten Netz geben, und deswegen ist dies eine weitere Handlungsoption, die wir vorgeschlagen haben.
Meurer: Vier Milliarden Euro jährlich mehr. Werden die Speditionen gemolken?
Bodewig: Nein. Wir gehen erst mal von einem Stufenplan aus. Wir sagen, es muss einen Mix geben aus Steuerfinanzierung und aus Nutzerfinanzierung. Bei der Steuerfinanzierung, damit beginnen wir. Wir schlagen vor ein Sondervermögen im Bundeshaushalt, also die Bindung von Mitteln, und damit kalkulierbar über 15 Jahre jährlich 2,7 Milliarden, um den Nachholbedarf zu decken, nämlich das, was in den letzten Jahren unterlassen ist. Das muss dringend aufgeholt werden, denn sonst wird die Sanierung von Straßen immer teurer.
Deutschlandradio aktuell: Und ewig lockt die Maut - Länder beraten Sanierung der Verkehrswege
Meurer: Der Haken an dem Sondervermögen – lassen Sie uns kurz da bleiben: Ist das nicht ein Schattenhaushalt?
Bodewig: Ich glaube, dass der Begriff Schattenhaushalt hier nicht zutrifft, weil es geht nämlich hier darum, dass im Bundeshaushalt Mittel gebunden werden, dass sie kalkulierbar sind, dass sie zugriffsfest sind, und damit können wir natürlich auch Gewinne erzielen. Wenn man das durchrechnet, bekommt man bis zu zehn Prozent Ersparnisse, die allein durch das Binden von Mitteln und die Kalkulation über mehrere Jahre herzustellen sind. Sie haben dann größere Baulose, Sie können besser planen, und das, was wir heute immer mal wieder sehen, nämlich dass Mittel am Ende des Jahres zurückfließen an den Bundeshaushalt, also für die Verkehrsinfrastruktur weg sind, oder dass Baustellen, weil sie nicht durchfinanziert sind, geschlossen werden und dann vielleicht ein halbes Jahr später wieder aufgemacht werden, das ist extrem teuer.
Meurer: Das wäre der Vorteil. Ist der Nachteil, dass die Politik dann nichts mehr zu sagen hat, wenn es diese Sondervermögen gibt?
Bodewig: Nein. Die Politik wird ja entscheiden bei der Einsetzung des Sondervermögens und über eine Prioritätenliste, die deutlich macht, wo brennt es am dringendsten. Da schlagen wir ein Brückenprogramm vor, nämlich das brauchen wir. Insofern ist die Politik dabei. Aber was nicht passiert ist, dass es im Jahr X vorhanden ist und ein Jahr später vielleicht aufgrund anderer Haushaltssituationen entzogen wird. Das wollen wir vermeiden. Und man muss auch eines sagen: Wie würde Deutschland dastehen, wenn so was wie auf der A1 oder auf der Rader Hochbrücke sich wirklich mehrfach im Jahr wiederholen würde? Wir würden die Qualität des Wirtschaftsstandorts Deutschland gefährden. Deswegen der Vorschlag meiner Kommission, jetzt ein Programm vorzulegen und das Problem zu lösen und Deutschland, das im Ranking sehr gut steht, auch in Zukunft zukunftsfähig zu halten.
Meurer: Noch mal, Herr Bodewig, zur Lkw-Maut. Ich glaube, Sie haben noch nicht so ganz beantwortet die Frage, werden hier die Speditionen gemolken, einseitig belastet.
Bodewig: Nein. Erstens: Beim Verbrauch von Straßen ist der LKW der Hauptverursacher. Insofern sind sie heute in der Lkw-Maut. Und zweitens ist es so, dass wir es stufenweise einbauen. Die notwendigen 7,2 Milliarden können im nächsten Jahr gar nicht verbaut werden, weil Planungsvorbehalte nicht da sind. Das heißt, wir gehen davon aus, dass die Realisierung, die Einbeziehung aller Bundesstraßen bis Ende 2017 zugänglich wäre. Das wären 2,3 Milliarden zusätzlich. Wenn Sie dies sehen, dann können Sie erkennen, dass sich auch das Gewerbe auf diese neue Situation langfristig einstellen kann.
Meurer: Die Straßen werden nicht nur belastet durch Lastwagen, sondern auch durch immer mehr Millionen von PKW. Warum schlagen Sie keine Pkw-Maut vor?
Bodewig: Weil der Verbrauch von Straßen dadurch entsteht, dass die Druckbelastung auf der Straße ist. Das ist bei einem 60.000-fach geringeren Gewicht eines PKW anders zu bewerten und deswegen ist immer die Frage, wie hoch muss eine Pkw-Maut sein, um überhaupt sinnvolle Einnahmequellen zu bekommen. Übrigens, als Prüfauftrag haben wir es ja auch in das Konzept mit aufgenommen.
Meurer: Wie wird diese Prüfung aussehen?
Bodewig: Das ist eine Frage der sich jetzt zu bildenden Bundesregierung. Es wird wahrscheinlich Bestandteil von Koalitionsverhandlungen sein. Ich weiß nur, dass ein großer Teil der Länder eine Pkw-Maut nicht tragen will. Ich weiß aber auch, dass bestimmte Länder sagen, Pkw-Maut und dann in der Spezifizierung nur für Ausländer ist sinnvoll. Insofern ist das ein Abwägungsprozess. Unsere Pakete setzen aber auf Handlungsfähigkeit und auf schnelle Realisierungsfähigkeit.
Meurer: Fällt Ihnen ein Weg ein, wie man die Pkw-Maut einführen kann und deutsche Autofahrer dabei entlastet?
Bodewig: Das müssen Sie den fragen, der diesen Vorschlag gebracht hat. Eines der ganz großen Probleme ist dabei die Europatauglichkeit. Die Europäische Kommission wird nicht zulassen, was nur die Diskriminierung von Ausländern bedeuten würde.
Meurer: Also könnte es eine Pkw-Maut für alle geben, Deutsche und Ausländer. Warum das nicht?
Bodewig: Ich sage, dass diese Option europarechtlich geprüft werden soll. Sie ist diskutiert worden und sie ist eine der genannten Optionen, aber mit diesem ausgesprochenen Prüfvorbehalt. Alle diese Wege haben wir in dem Konzeptdokument unseres Zukunftskonzeptes, das ja heute als Vorschlag der VMK vorliegt, auch dokumentiert.
Meurer: Die VMK, das ist die Verkehrsministerkonferenz, und die wollen heute über Ihr Papier abschließend beschließen. Die Ergebnisse der sogenannten Bodewig-Kommission, und ihr Chef ist der frühere Bundesverkehrsminister Kurt Bodewig von der SPD. Danke Ihnen für das Gespräch und auf Wiederhören, Herr Bodewig.
Bodewig: Sehr gern – auf Wiederhören.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.