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Extremwetterkongress
„Beispiellose Häufung“ von Wärmerekordjahren

„Früher unvorstellbare“ 40 Grad Celsius treten in immer kürzeren Abständen auf, Hitzewellen und Bodentrockenheit verschärfen sich, Sturmfluten an Nord- und Ostseeküste drohen höher auszufallen: Ein Faktenpapier vom Hamburger Extremwetterkongress verortet Deutschland schon voll im Klimawandel.

Von Volker Mrasek |
Auf einem Feld im Oderbruch ist die Erde aufgerissen.
Auf einem Feld im Oderbruch ist durch die Trockenheit im Sommer die Erde aufgerissen. (picture alliance / dpa / Patrick Pleul)
Tobias Fuchs ist beim Deutschen Wetterdienst für Klima und Umwelt zuständig. Zum Start des Extremwetterkongresses in Hamburg ließ er Zahlen sprechen – ganz frische Zahlen aus einem am Mittwoch (28.09.2022) veröffentlichten Faktenpapier zu Wetterextremen. Für den Meteorologen sind die Daten ein klares Indiz:
„Der Klimawandel ist in Deutschland bereits angekommen.“
Der Sommer in diesem Jahr war der drittwärmste und zweittrockenste in den Aufzeichnungen des Wetterdienstes. In den Sommermonaten ist die Klimaerwärmung auch am stärksten im ganzen Land spürbar:
„Die Zahl heißer Tage mit einer Maximaltemperatur von mindestens 30 Grad Celsius ist seit den 50er Jahren von damals etwa drei Tagen im Jahr auf heute im Mittel etwa neun Tage im Jahr gestiegen. 40 Grad Celsius, früher bei uns unvorstellbar, wurden bisher in fünf Jahren erreicht in Deutschland: 1983, 2003, 2015, 2019, 2022. Sie sehen: Die Abstände werden kürzer.“ 

Massive Häufung von Hitzewellen

Neun der zehn wärmsten Jahre in Deutschland seit 1881 seien in den letzten beiden Jahrzehnten aufgetreten, heißt es im dem neuen Sachstandsbericht. Das sei beispiellos:
„In vielen Regionen kommt es seit den 90er Jahren zu einer massiven Häufung von Hitzewellen."
Bei ungebremsten Treibhausgas-Emissionen werde sich dieser Trend fortsetzen. Der Norden Deutschlands müsse sich dann auf bis zu zehn zusätzliche Hitzetage pro Jahr einstellen, der Süden sogar auf bis zu 20! Und das vielleicht schon im kommenden Jahrzehnt. Meist ist es in solchen Phasen nicht nur brütend heiß, sondern auch extrem trocken:
„Unsere Daten zeigen: Die Zahl von Tagen mit niedriger Bodenfeuchte hat seit 1961 bereits deutlich zugenommen, und es treten vermehrt sogenannte Carry-over-Effekte auf. Das bedeutet, dass das in einem Jahr entstandene Wasserdefizit so ausgeprägt ist, dass normaler Niederschlag im Folgejahr dieses Defizit in den Böden nicht ausgleichen kann. Nach etwas Erholung in 2021 wiederholte sich diese Situation dieses Jahr nach einem relativ trockenen Winter und einem viel zu trockenen Sommer wieder.“ 
Bäume und Wälder leiden dadurch immer bedrohlicher unter Wassermangel, landwirtschaftliche Erträge gegen zurück.

Steigender Meeresspiegel erhöht das Risiko für Wetterextreme

Der Wetterdienst-Experte kam auch noch auf ein anderes Problem zu sprechen, das im neuen Faktenpapier aufgegriffen wird: Der Meeresspiegel steigt, weil Eiskappen und Gletscher schmelzen und weil das Wasser im Ozean sich erwärmt und dadurch ausdehnt. Auch das erhöht das Risiko für Wetterextreme in Deutschland:
„An der Nord-und Ostsee wurde ein Anstieg des Meeresspiegels um 15 bis 20 Zentimeter über die vergangenen hundert Jahre gemessen. Eine Folge ist, dass die Sturmfluten heute höher ausfallen.“
Es ist zu befürchten, dass sich Wetterextreme durch den Klimawandel weiter häufen, und nicht nur in Deutschland. Es sei denn, Industrie- und Schwellenländer bekommen es endlich hin, ihren Ausstoß von Treibhausgasen nachhaltig zu reduzieren. Das verlange ja schon das Klimaschutzabkommen von Paris, betonte Jochem Marotzke auf dem Kongress, Direktor am Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg. Nur müsse der Vertrag auch umgesetzt werden:
„Man kann sich dann fragen. Wie plausibel ist das? Das ist eine Frage, die wir uns in unserem Hamburger Exzellenzcluster ,Klima, Klimawandel und Gesellschaft‘ gestellt haben.“

"Noch keine Abkehr von Investitionen in fossile Energien"

Das Ergebnis, sagt Marotzke, sei ernüchternd. Es gebe heute zwar internationale Verträge, Gerichtsentscheide und gesellschaftliche Bewegungen für mehr Klimaschutz. Aber:
„Insbesondere im Investitionsverhalten stellen wir fest, dass diese Abkehr von Investitionen in fossile Energien noch gar nicht stattfindet. Die Investitionen in fossile Energien heute sind noch immer deutlich höher als Investitionen in regenerative Energiequellen.“
Das Fazit des Forschers: Die Welt sei noch lange nicht auf dem richtigen Weg. Mit einer Verschärfung von Wetterextremen ist also noch auf unabsehbare Zeit zu rechnen.