"Ich habe gekündigt, und ich bin froh, dass ich die Sache los bin. Gegen solche Intriganten wie Kandinsky und Peterhans ist man machtlos. Kandinsky hat schon zwei Direktoren gekillt, da wird es ihm doch gelingen, mich zu erledigen.“
Schrieb Gunta Stölzl 1931 in einem Brief an ihren Bruder. Hinter ihr lagen über zehn Jahre Engagement für die legendäre Reformhochschule. Als Schülerin am Bauhaus in Weimar hatte sie die Weberei-Klasse initiiert und den Betrieb der einzigen Klasse, zu der Frauen Zugang hatten, professionalisiert.
In Dessau wurde sie zunächst Werkmeisterin und war dann als einzige Frau am Bauhaus ganz für eine Klasse verantwortlich, allerdings ohne die Bezüge und Pensionsansprüche ihrer männlichen Kollegen. Dabei steuerte die Weberei erheblich zum finanziellen Überleben der Institution bei. Um die Produktivität zu steigern, sollten in Dessau sogar mechanische Webstühle angeschafft werden. Gunta Stölzl lehnte dies jedoch ab.
„Prinzipiell ist kein Unterschied zwischen Handwebstuhl und der Maschine. Das System Verkreuzung, also der Webvorgang ist derselbe, nur das Tempo ist ein anderes. Da wir in der Hauptsache pädagogisch arbeiten, ist unsere Pädagogik aufgebaut auf Produktion. Der Handwebstuhl hat sehr viel mehr Möglichkeiten als die Maschine.“ Sie forcierte zwar, wie verlangt, die Musterherstellung für die Industrie, beharrte jedoch auf ihren Lehrgrundsätzen.
Nach dem Ersten Weltkrieg fängt Stölzl in Weimar neu an
Die am 5. März 1897 in München als Tochter eines Reformpädagogen geborene Adelgunde Stölzl war eine selbstbewusste Frau. Sie hatte das Abitur abgelegt und an der Münchener Kunstgewerbeschule studiert.
Während des Ersten Weltkriegs tat sie Dienst als Rotkreuzschwester und begriff nach anfänglicher Naivität die Sinnlosigkeit des Krieges. Wie viele ihrer Generation sehnte sie sich nach einem Neuanfang und bewarb sich am Bauhaus. Im Alter von über siebzig Jahren erinnert sie sich an die ersten glücklichen Jahre in Weimar.
"Den Unterricht erteilte Itten. Er war von Wien gekommen mit einer Anzahl Schülern. Er begeisterte uns mit seinen neuen Ideen. Wir wurden aufgelockert, alles wurde neu angepackt. Man zeichnete mit der spitzen Feder, mit der weichen Kohle, das Vibrieren des Pinsels, der Weg vom Kopf in die Hand sollte hemmungsfrei werden. Das waren so im Ganzen seine ersten Ziele.“
Von der biederen Kunstgewerblerin zur modernen Textildesignerin
Anfangs war Gunta Stölzl in der Klasse für Wandmalerei eingeschrieben, denn für ein Handwerk mussten sich alle Bauhäusler entscheiden. Die „Lehre“ bestand jedoch aus der kräftezehrenden Sanierung des alten Hochschulgebäudes.
Als Gunta Stölzl in einem der Räume Webstühle entdeckte, setzte sie mit anderen Frauen durch, eine Textilklasse am Bauhaus zu gründen. Deren Zielsetzung änderte sich im Laufe der Jahre. Hatten die Frauen zu Beginn noch aus Stoff und Wollresten bildhafte Wandteppiche und Spielzeug produziert, ging es nach dem Umzug nach Dessau vor allem darum, funktionale Stoffe aus neuen Materialien zu kreieren.
„Der Reichtum von Farbe und Form wurde uns zu selbstherrlich, er fügte sich nicht ein, er ordnete sich dem Wohnen nicht unter. Wir suchten uns zu vereinfachen, materialgerechter und zweckbestimmter zu werden.“
Aus der biederen Kunstgewerblerin war eine moderne Textildesignerin geworden. Diese Karriere endete abrupt, als Gunta Stölzl 1931 aufgrund persönlicher Angriffe kündigte. Hinter den Verleumdungen standen frauenfeindliche und antisemitische Ressentiments. Sie hatte 1929 den israelischen Architekten Arieh Sharon geheiratet, mit dem sie anfangs ohne Trauschein zusammenlebte.
Das Weben ließ sie nicht los
Nach ihrer Kündigung emigrierte Gunta Stölzl mit ihrer Tochter Yael in die Schweiz, Sharon ging eigene Wege. Die alleinerziehende Mutter schlug sich über zehn Jahre lang als selbstständige Textilexpertin durch, bis sie 1942 erneut heiratete. Sie starb 1983 in Zürich. Nach Aufgabe ihrer beruflichen Tätigkeit fertigte sie nur noch Gobelins an, oftmals landschaftlich anmutende Wandbehänge, in die sie verschiedene Materialien einarbeitete. Es mache ihr Freude, äußerte sie einmal, das Weben lasse sie einfach nicht mehr los.