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US-Gefangenenlager auf Kuba
20 Jahre Guantánamo - und kein Ende in Sicht

Am 11. Januar 2002 brachten die USA erste Häftlinge in das Gefangenenlager Guantánamo auf Kuba. Manche von ihnen sitzen noch heute dort – ohne Anklage. Das Camp geriet bald in den Fokus globaler Kritik an Washingtons Krieg gegen den Terror.

Von Matthias Bertsch |
Häftlinge im US-Gefangenenlager Guantanamo
Häftlinge im US-Gefangenenlager Guantanamo (dpa / picture alliance / epa afp Mccoy)
Auf dem Boden kniende Männer in orangefarbenen Anzügen, Mund und Nase mit einer Maske bedeckt, die Ohren mit einem Kopfhörer, die Hände in Handschellen: Die Bilder aus Guantanamo, dem Marinestützpunkt der US-Navy, gingen um die Welt. Camp X-Ray, so der Name des Lagers, bestand aus Käfigen unter freiem Himmel, in denen die Häftlinge Witterung und Wärtern schutzlos ausgesetzt waren, so wie der tunesischstämmige Franzose Nizar Sassi.
„Wie in einem Konzentrationslager habe ich mich gefühlt. Das erste, was ich sah, waren Soldaten. Stacheldrahtzäune, Hunde, Gefangene, teilweise nackt, die verprügelt wurden. Und alles, was man über die Foltermethoden erzählt, hat wirklich stattgefunden.“

Geheime Verhörzentren der CIA auch in Europa

Am 11. Januar 2002 wurde Camp X-Ray eröffnet, genau vier Monate nach „Nine Eleven“. Guantanamo war – und ist - Teil jenes War on Terror, den die USA ausgerufen haben. Um an Informationen über die Hintermänner der Anschläge auf das World Trade Center zu kommen und weitere Terroranschläge zu verhindern, war der Regierung fast jedes Mittel recht. Dazu zählten geheime Verhörzentren der CIA in Polen und Rumänien, aber vor allem Guantanamo, so Florian Jeßberger, Experte für internationales Strafrecht an der Humboldt-Universität zu Berlin. Das Internierungslager befindet sich auf kubanischem Boden, den die USA seit über hundert Jahren gepachtet haben – ein rechtsfreier Raum:
„Das eine war Internierung außerhalb des Territoriums, und das zweite war Deklarierung dieser Personen als sogenannte ungesetzliche Kämpfer, "Unlawful Combattants". Beides hatte das gleiche Ziel, nämlich diese Personengruppe sozusagen zu entziehen den Garantien, die nach Völkerrecht, die nach Menschenrecht und die nach amerikanischem Verfassungsrecht ihnen eigentlich zustehen.“

Terrorverdacht reicht für unbefristete Internierung

Camp X-Ray wurde nach knapp vier Monaten durch das deutlich größere Camp Delta ersetzt, aus Käfigen wurden Arrestzellen. Die Verhörmethoden, die heute als Folter bezeichnet werden, und die Rechtlosigkeit blieben. Zehn Jahre nach Einrichtung des Lagers waren von den fast 800 Gefangenen 170 immer noch inhaftiert: Der Terrorverdacht reicht für eine prinzipiell unbefristete Internierung – egal wie unterschiedlich die Gruppe der Gefangenen war.
„Von Personen, die erwiesenermaßen heute überhaupt keinen Zusammenhang hatten zu den Verbrechen, zu den terroristischen Anschlägen, um die es ging, bis hin zu Personen, bei denen jedenfalls nach amerikanischer Lesart durchaus eine Verantwortlichkeit gegeben war, die also, letztere Gruppe jedenfalls, auch durch ein ordentliches Strafgericht hätten abgeurteilt werden können.“

Obamas Versuch, das Lager zu schließen

Aber ein solches war nie vorgesehen. Nachdem die Kritik an Guantanamo im In- wie Ausland immer stärker wurde und der Oberste Gerichtshof der USA die Einhaltung der Verfassung gefordert hatte, wollte Präsident Obama das Lager 2009 schließen lassen. Doch wohin mit den Gefangenen? Der Kongress hatte bereits früh beschlossen, den Internierten aus Sicherheitsgründen keine Einreise in die USA zu erlauben. Dazu Florian Jeßberger:
„Damit war auch der Regierung dieser Weg abgeschnitten, und das zweite war, dass ordentliche Strafverfahren mit den dafür auch gewährten Garantien deswegen schwierig waren, weil viele der Beweismittel eben auf Wegen erlangt worden waren, die mit einem rechtsstaatlichen Strafverfahren nicht vereinbar waren.“

Noch heute 40 Internierte

So blieb eigentlich nur die Möglichkeit, die Internierten in ihre Heimatländer abzuschieben, doch genau das war in vielen Fällen nicht möglich, weil ihnen auch dort die Folter droht. Das führt dazu, dass noch heute 40 Gefangene in Guantanamo interniert sind - ohne Anklage und Gerichtsverfahren. Nicht nur bei ihnen dürfte der Hass auf die USA und den Westen gewachsen sein vermutet auch Florian Jeßberger:
„Was ein wichtiger Punkt ist, ist der, dass in aller Welt sozusagen im Blick auf Guantanamo, im Blick auf die Folter, im Blick auf die Misshandlungen eben eine weitere Radikalisierung stattgefunden hat, also eigentlich gerade das, was unterbunden werden sollte.“

Gelingt Joe Biden die angekündigte Schließung?

Doch eine kritische Aufarbeitung des Systems Guantanamo ist bis heute nicht passiert. US-Präsident Joe Biden hat zwar die Schließung des Lagers bis zum Ende seiner Amtszeit angekündigt, aber darüber reden, was im Kampf gegen den Terror falsch gelaufen ist, möchte in den USA kaum jemand. Dabei wäre es wichtig, auch in Deutschland, schließlich hat auch der Bundesnachrichtendienst in Guantanamo Vernehmungen durchgeführt, unterstreicht Florian Jeßberger:
„Also es ist keineswegs so, und es wäre eine deutliche Verkürzung, anzunehmen, das seien hier ein paar amerikanische sozusagen Rechtsstaats-Extremisten, die diese Praxis durchführen, sondern das ist eine global, auch in demokratischen rechtsstaatlichen Systemen nach wie vor verbreitete Praxis, wobei sicherlich Guantanamo hier einen besonderen Stellenwert einnimmt und vielleicht auch in besonders sichtbarer Weise diese Praxis einmal zum Ausdruck brachte.“