Sie hatte etwas Mythisches, die Ranch von Béla und Márta Károlyi, nördlich von Houston. Mehrere hundert Hektar groß, in einer ländlichen Gegend, mit einer wackeligen Telefonverbindung. Hier, so heißt es im US-Fernsehen, formten die Károlyis USA Gymnastics zu einer Weltmacht und ließen dutzende Olympiateilnehmerinnen zu Berühmtheiten werden.
Die Ranch war viele Jahre lang das Nationale Trainingszentrum des US-Verbandes. 2015 gab Béla Károlyi einem TV-Team einen Blick hinter die Kulissen. Er zeigte stolz nicht nur die Blockhütten und die Cafeteria, sondern auch seine dortigen Tiere: Kurzum: Idylle.
Sobald die Turnerinnen jedoch die Trainingshalle betraten, war es mit der Idylle vorbei. Es gehe um “Disziplin und Struktur - und zwar in jedem einzelnen Augenblick.” Man habe schließlich einen Job zu erledigen, betonte Márta Károlyi.
Psychospiele in der Trainingshalle
Das gemeinsame Ziel: Die Besten unter den Besten zu sein. Dazu griffen sie nicht nur zu harten Trainingsmethoden, sondern auch zu Psychospielen. Im US-Fernsehen hieß es, Károlyi habe die Reputation gehabt, rau und beleidigend gewesen zu sein.
Auch Simone Biles bekam das zu spüren. Als sie bei der Landung am Sprung einen kleinen Schritt nach vorne machte, habe Károlyi gesagt, sie sei nutzlos für das Team.
Die Außenwelt bekam nichts davon mit. Denn die Károlyis produzierten Olympiasiegerinnen und Weltmeisterinnen. Unter welchem Umständen - das fragte niemand.
Kritik im Fall Nasser
Das änderte sich 2016. Als bekannt wurde, dass der langjährige Teamarzt des US-Verbandes, Larry Nassar Turnerinnen sexuell missbraucht haben soll, gerieten auch die Károlyis in die Kritik. Der Vorwurf: sie hätten die Vorgänge “wissentlich ignoriert”. Márta Károlyi sagte gegenüber NBC:
“Ich habe während der Zeugenaussagen gehört, dass Eltern, die bei den Behandlungen ihrer Töchter durch Nassar im selben Raum waren, nichts bemerkt haben. Wie hätte ich denn etwas sehen sollen?”
Nassar gab die Vorwürfe zu, wurde zu lebenslanger Haft verurteilt. Der US-Verband beendete 2018 die Zusammenarbeit mit den Károlyis. Beide schlossen daraufhin ihre Ranch und verkauften sie 2021 für sechs Millionen Dollar.