Die belarussische Opposition hat für heute die Gründung eines sogenannten Koordinierungsrats angekündigt. Er werde unmittelbar seine Arbeit aufnehmen, hieß es. Der Rat solle die gesamte Nation vertreten und den noch amtierenden Präsidenten Alexander Lukaschenko zur Übergabe der Regierung bringen.
Seine Strategie müsse der Rat allerdings erst noch formulieren, erklärte Maria Kolesnikowa, eine der führenden Oppositionellen, heute gegenüber dem Internetradio "Euroradio". Sie dämpfte deshalb die Erwartungen:
"Man sollte verstehen: Was wir bisher in wenigen Tagen erreicht haben, ist mehr als in den 26 Jahren zuvor unter Alexander Lukaschenko. Klar ist nur, dass wir 24 Stunden pro Tag arbeiten. An der Schaffung des Rats sind Hunderte Menschen beteiligt. Das ist eine große Verantwortung. Wir werden alles tun, was in unserer Macht steht."
Rat aus Politikern und Vertretern der Zivilgesellschaft
Dem Rat gehören nicht nur Oppositionspolitiker an, sondern auch Vertreter der Zivilgesellschaft. Unter ihnen Unternehmer, Vertreter verschiedener Berufsgruppen und Künstler, auch die Literaturnobelpreisträgerin Swjetlana Alexijewitsch. Die 72-Jährige hatte in den vergangenen Tagen Lukaschenko immer wieder dazu aufgefordert, abzutreten. Gegenüber "Radio Swobody" sagte Alexijewitsch
"Meiner Ansicht nach hat die Staatsmacht der eigenen Nation den Krieg erklärt. Ich habe mit bloßem Auge gesehen, wie sie die Situation zugespitzt hat. Damit meine ich besonders das Verhalten der Sonderpolizei OMON, die auf Autos geschossen hat, auch wenn dort kleine Kinder mitgefahren sind. Friedliche Menschen wurden einfach auf der Straße festgenommen."
Lukaschenko reagierte scharf auf die Ankündigung
Lukaschenko reagierte scharf auf die Ankündigung des Koordinierungsrats. Das sei der Versuch eines Staatsstreichs, sagte er nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Belta. Gegen die Angehörigen des Rats werde mit "adäquaten Mitteln" vorgegangen, so das Staatsoberhaupt.
Die Protestaktionen gingen indes heute weiter. Allerdings scheint die Bereitschaft zum Streik in manchen großen Unternehmen zu schwanken. Den Mitarbeitern werde mit Entlassung gedroht, heißt es. Oppositionsmedien riefen die Gegner des Präsidenten auf, durchzuhalten. Die Oppositionelle Maria Kolesnikowa versicherte:
"Wir werden uns gegenseitig unterstützen. Wenn ihr Angst um euer Gehalt habt: Es gibt schon Dutzende Initiativen, um euch zu helfen, für jede Berufsgruppe. Lasst euch nicht beunruhigen oder einschüchtern. Diese Staatsmacht wird sich nicht mehr ändern. Sie bringt ihre eigenen Bürger um."
Das belarussische Innenministerium bestätigte heute das dritte Todesopfer der Proteste. Der 19-Jährige sei vorgestern von einem Pkw überfahren worden. Er habe sich während eines Protests auf der Fahrbahn befunden.