Präsident Alexander Lukaschenko hält die Zügel im Staat fest in der Hand. Das machte er am Mittwoch wieder einmal deutlich. Im Alleingang entließ er den Ministerpräsidenten und zahlreiche Minister. Und erklärte:
"Eine neue Generation von Politikern ist herangewachsen, die sich gut gemacht haben in der Regierung und nicht schlecht gearbeitet haben. Sie dürfen weitermachen. Aber denjenigen, die mit der gegenwärtigen Krise nicht zurechtkommen, müssen wir eine andere Arbeit zuweisen. Damit können wir nicht warten. Die globale Krise betrifft auch Belarus."
Lukaschenko meinte die Wirtschaftskrise, hervorgerufen durch die Corona-Pandemie. Bei der Gelegenheit lobte er sich noch einmal für sein Krisenmanagement. Weißrussland hatte auf strenge Maßnahmen gegen das Virus verzichtet.
"Lukaschenko will Aufmerksamkeit"
Experten sehen in dem Auswechseln der Regierung nicht viel mehr als eine PR-Maßnahme. Wer Ministerpräsident sei, spiele fast keine Rolle, sagt der Minsker Politologe Walerij Karbalewitsch:
"Lukaschenko will den Leuten zeigen: Ich höre euch, ich spüre eure Unzufriedenheit. Er will die alte Regierung dafür verantwortlich machen, dass es der Wirtschaft schlecht geht. Der zweite Grund für den Regierungswechsel: Lukaschenko will die Aufmerksamkeit auf sich lenken. Denn die Medien haben sich in den vergangenen Wochen mit seinen möglichen Gegenkandidaten beschäftigt. Was Lukaschenko gesagt hat, hat keinen mehr interessiert."
Lukaschenko mache sich zurecht Sorgen, meint Karbalewitsch. Faire Wahlen würde er derzeit verlieren, so der Politologe. Auch wenn er das nicht beweisen kann, weil es in Weißrussland keine unabhängigen Umfragen gibt.
Wirtschaftliche Probleme schlagen auf die Stimmung
Die Diskussionen in den sozialen Netzwerken aber zeigten: Die Menschen seien keineswegs zufrieden damit, dass ihre Führung so wenig gegen das Coronavirus unternahm. Und noch viel stärker würden die wirtschaftlichen Probleme auf die Stimmung schlagen. Das Land lebte bisher vom Export von Benzin. Aber das ist nicht mehr lukrativ, seit Russland den Preis für Rohöl stark erhöht hat. Außerdem können Zigtausende Weißrussen derzeit nicht in den Nachbarländern arbeiten. Vor allem in Polen fanden früher viele einen Job. Wegen Corona ist die Grenze seit Monaten dicht.
Wie blank die Nerven bei den Machthabern liegen, zeigt die Verhaftung eines oppositionellen Aktivsten vor wenigen Tagen, des Bloggers Sergej Tichanowskij. Der Politologe Walerij Karbalewitsch:
"Tichanowskij wollte die Politik auf die Straße bringen, auf die Plätze. Er hat in vielen Städten Treffen mit den Menschen organisiert, zu denen erst Dutzende und dann auch Hunderte kamen. Da hat die Staatsmacht Angst bekommen. Sie fürchtet einen Aufstand wie in der Ukraine. Deshalb hat sie beschlossen, Tichanowskij aus dem Rennen zu nehmen. Man hat ihm ein Strafverfahren angehängt. Bei ihm wurden angeblich 900.000 Dollar Schwarzgeld gefunden, heißt es. Das übliche Verfahren, um jemanden hinter Gitter zu bringen."
Tichanowskij kann deshalb nicht bei der Präsidentschaftswahl antreten. Dafür will es seine Frau tun. Swjetlana Tichanowskaja sammelt jetzt die 100.000 Unterschriften, die sie als Kandidatin braucht.
Viktor Babariko: Politik-Neuling und gefährlicher Gegenspieler
Zum gefährlichsten Gegenspieler von Lukaschenko entwickelt sich allerdings der ehemalige Bankenmanager Viktor Babariko. Der 56-jährige ist neu in der Politik. Und er schlägt einen in der Opposition neuen Ton an: Er richtet sich auch an die typischen Lukaschenko-Wähler auf dem Land:
"Ich bin ein Mensch, der alles so einrichtet, dass die anderen tun können, was möchten. Ohne titanische Anstrengungen zu unternehmen. Wer weiterhin ruhig bei sich auf dem Dorf leben und arbeiten will, bitte sehr. Aber diejenigen wollen ja sicher auch, dass ihre Enkel sie am Feiertag besuchen kommen, und auch dafür sorge ich, weil die Enkel nicht mehr ins Ausland auswandern müssen. Ich will anderen die Möglichkeit geben, ihre Talente zu entwickeln."
Babariko versucht, niemanden zu verschrecken. Er sagt nicht, dass von heute auf morgen alles anders werden und das Land sich von Russland ab- und der EU zuwenden müsse. Mit dieser zurückhaltenden Rhetorik kommt der Ex-Manager an. In der Opposition allerdings ist er damit nicht unumstritten.