Die angesehene belgische Tageszeitung "La libre Belgique" hatte nur noch Spott übrig: "Das frankophone Belgien gegen den Rest der Welt", titelte gestern das Blatt, nachdem das Parlament der Sprachengemeinschaft "Wallonie-Brüssel" das geplante Handelsabkommen zwischen der EU und Canada erst einmal abgelehnt hat. Eine Entscheidung, die Folgen haben könnte, denn die Föderalregierung unter Charles Michel benötigt eine Vollmacht der regionalen Regierungen, damit sie dem Handelsvertrag zustimmen kann:
"Mit der 6. Staatsreform hat die Wallonie eine starke Rolle, ein Repräsentationsrecht auf europäischer und internationaler Ebene in Handelsfragen erhalten. Dieses Recht aktivieren wir nun und sagen: Wir wollen neue Verhandlungen, wir wollen andere Leitlinien, wir wollen Respekt für unser europäisches Sozialmodell".
Erklärt die sozialdemokratische Abgeordnete der Region Wallonie, Olga Zrihen kämpferisch. Und steht damit stellvertretend für den frankophonen Teil Belgiens, der CETA kritisch bis ablehnend gegenübersteht. Und ihr Wort hat ohnehin Gewicht, denn die Sozialdemokraten stellen zusammen mit den sogenannten christlich demokratischen Humanisten cdh auch die Regierung in der Wallonie. Auch Parlamentspräsident Andre Antoine von der cdh ist nicht überzeugt:
"Wir akzeptieren nicht, dass die Normen, die unsere Handelsbeziehungen, aber auch unsere Berufsausbildung oder Fragen geistigen Eigentums bestimmen, verkauft werden. Als Humanist wünsche ich nicht, dass die nationale Souveränität mit den Multis geteilt wird".
Wallonien dagegen, Flandern dafür
Starke Worte. Erst vor einigen Wochen hatte das Parlament in Namur eine Resolution verabschiedet, dass den sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Paul Magnette aufforderte, die gewünschte Vollmacht zu verweigern. Gerade die Frankophonen pochen auf weitere Zugeständnisse – es bleibt aber offen, ob die von der EU-Kommission geplante rechtlich-verbindliche Zusatzerklärung zum Handelsvertrag die Kritiker besänftigen wird. Zumal manche Abgeordnete wie Marie-Dominique Simonet von der cdh CETA grundsätzlich ablehnen:
"Es sind ja die großen Konzerne, die kaum Steuern zahlen, legal oder manchmal weniger legal, wir haben Anarchie, wir haben Sozialdumping, das ist eine Katastrophe, und nun sollen wir abstimmen, noch mehr davon zu bekommen. Und da sagen wir nein."
Belgien ist ein gespaltenes Land – und bleibt sich dabei auch beim Streit um CETA treu. Denn während die Wallonen dem Abkommen kritisch gegenüberstehen, wird es von den Flamen befürwortet. In Flandern ist vor allem von den Wachstumsperspektiven die Rede.
Doch das nutzt Premierminister Michel – der sich derzeit ohnehin mit einer Regierungskrise konfrontiert sieht - herzlich wenig, ist er doch auf die Zustimmung aller regionalen Regierungen angewiesen. In der Wallonie wird heute das Parlament über CETA diskutieren, doch entscheidend wird zunächst sein, wie sich Ministerpräsident Magnette positioniert.
Ausgang für CETA ist weiter ungewiss
"Ich bin ja nun schon ein bisschen länger in Belgien tätig. Und habe das Gefühl, in Belgien findet man eine belgische Lösung für viele Fragestellungen. Und bin da ganz zuversichtlich, dass noch ein Kompromiss gefunden wird".
Doch selbst bei einer vorläufigen Zustimmung Belgiens zu CETA wartet schon bald die nächste Hürde. Der gemischte Teil des Abkommens muss von den Parlamenten in den EU-Mitgliedstaaten ratifiziert werden. Dann also schlägt die Stunde der regionalen Parlamente in Belgien – mit ungewissem Ausgang für CETA.