Die Unruhe im belgisch-deutsch-niederländischen Grenzgebiet wegen der beiden Pannenmeiler Tihange und Doel ist schon lange groß. Jetzt aber gibt es für die Kritiker noch einmal politischen Rückenwind aus Berlin – denn die Bitte der deutschen Umweltministerin Barbara Hendricks ist unmissverständlich. Wegen möglicher Sicherheitsbedenken gerade im Krisenfall sollten die umstrittenen Blöcke Tihange 2 und Doel 3 abgeschaltet werden. Beifall gibt es für die klare Positionierung von den Grünen im Europäischen Parlament – die Fraktionsvorsitzende Rebecca Harms:
"Ich finde es sehr gut, dass nach der Prüfung der Situation durch die Reaktorsicherheitskommission in Deutschland Frau Hendricks diesen Schritt getan hat und sich für die Abschaltung einsetzt."
Im Zentrum stehen die beiden Blöcke von Tihange und Doel, die Anfang der 1980er Jahre in Betrieb gegangen sind. 2012 wurden in den beiden Reaktordruckbehältern Tausende von Haarrissen festgestellt. Die Risse sind kleine Einschlüsse von atomarem Wasserstoff, die wohl schon bei der Fertigung des Stahls entstanden sind.
Belgien sieht laut Expertise kein Sicherheitsrisiko in 2015
Monatelang standen die Meiler still, bis dann die belgische Atomaufsicht im November 2015 eine Unbedenklichkeitsbescheinigung ausstellte. Die Wasserstoffflocken seien kein Sicherheitsrisiko. Doch auch den Ministerpräsidenten der deutschen Gemeinschaft in Belgien, Oliver Paasch konnte die Expertise nicht wirklich überzeugen:
"Die Reaktoren in Tihange 2 und Doel 3 sind aus unserer Sicht ganz grundsätzlich ein sicherheitspolitisches Problem. Und deswegen hat das Bundesland der deutschsprachigen Gemeinschaft in Belgien glasklar gefordert, dass diese beiden Reaktoren unmittelbar und sofort abgeschaltet werden müssen. Nicht wieder ans Netz dürfen, solange es Zweifel an ihrer Sicherheit gibt".
Doch belgische Regierung und Atomaufsicht wiegelten bislang ab. Die Anlagen, die insgesamt für rund 30 Prozent des in Belgien erzeugten Stroms stehen, seien sicher. Auf die deutliche Bitte aus Deutschland reagierte der Chef der Atomaufsicht daher eher verschnupft: Es gebe keine neuen Aspekte von deutscher Seite, lässt sich Jan Barns zitieren, insofern ändere sich auch nichts an den Schlussfolgerungen. Die hatte die Sprecherin der Atomaufsicht, Neele Scheerlick, mit Verweis auf den Betreiber so umschrieben:
"Eletrabel hat beweisen könne, dass die Anwesenheit dieser Wasserstoffflocken im Stahl eigentlich nicht grundsätzlich die Eigenschaft des Stahls grundsätzlich beeinflusst. Es wäre möglich, dass diese Wasserstoffflocken die Stärke oder Bruchzähigkeit des Stahls beeinflussen. Aber man hat gesehen, dass das nicht so ist".
Doch nun steht wissenschaftliche Aussage gegen wissenschaftliche Aussage. Und der politische Druck aus Berlin wächst. Rechtlich gesehen gibt allerdings es keine Handhabe – der Betrieb der Atomkraftwerke sowie die Aufsicht darüber sind Sache der Mitgliedstaaten. Aber hier sei das letzte Wort noch nicht gesprochen, hofft zumindest Grünen-Chefin Harms:
"Was ganz wichtig ist, dass die Debatte über zu große Risiken im belgischen Atomprogramm auch nach Belgien übergesprungen ist. Man hat das jetzt gesehen nach der Diskussion nach den Terroranschlägen. Die behauptete große Akzeptanz der belgischen Bürger gegenüber der belgischen Atomindustrie – die gibt es auch nicht mehr".
Doch bislang sind es vor allem die belgischen Grünen, die sich ebenfalls klar für eine Abschaltung von Tihange 2 und Doel 3 ausgesprochen haben.