Der belgische Regierungschef Charles Michel dürfte ziemlich genau gewusst haben, dass er eine gute Stunde bohrender Fragen über sich würde ergehen lassen müssen, als er in Brüssel vor die versammelte internationale Presse trat. Daher versuchte er seine Hauptbotschaft - eine Botschaft der Beruhigung - auch gleich zu Beginn loszuwerden. "Wir wollen wieder zurück zu einem normalen Leben in Brüssel. Dafür werden wir alles tun", versprach der belgische Premier.
Doch die zahlreich versammelten Journalisten schienen nicht bereit, die verabreichte Beruhigungs-Pille zu schlucken: Immer wieder stellten sie - mal mehr, mal weniger direkt - die Frage, ob die Regierung und die Polizei in Belgien eigentlich überhaupt in der Lage sind, es mit einer terroristischen Bedrohung aufzunehmen. "Ich akzeptiere nicht die Sichtweise, dass ein einziges Land - Belgien - dramatisch schlechter sein soll als andere, die ebenfalls von Anschlägen erschüttert wurden", entgegnet Michel.
Bin Laden wurde auch lange gesucht
Nun hatten es in der Tat auch die durchaus mächtigeren Geheimdienste in den USA, Großbritannien und Frankreich nicht vermocht, den Terror von New York, London und Paris zu verhindern. Belgien fühlt sich also ungerecht behandelt. Doch ob es als Verteidigungs-Strategie von Seiten des Premiers klug war, die Festnahme des mutmaßlichen Paris-Attentäters Salah Abdeslam Mitte März in Brüssel mit dem Aufspüren des einst meist-gesuchten Mannes der Welt (in Pakistan) zu vergleichen, ist noch die Frage: "Wir haben Abdeslam nach einigen Monaten gefasst. Manche haben behauptet, das sei eine skandalös lange Zeit gewesen. Ich stelle fest, dass es 10 Jahre gedauert hat, bis man Osama bin Laden gefunden hat. Den die ganze Welt gesucht hat."
Jedenfalls wird nun das belgische Parlament untersuchen, welche Versäumnisse Regierung und Polizei vorzuwerfen sind. Oft wird das komplizierte Geflecht von Behörden in Belgien - zusätzlich gelähmt dadurch, dass sie oft unterschiedliche Sprachen sprechen - als Grund dafür angeführt, dass der Sicherheitsapparat gar nicht wirklich funktionieren kann: "Ich glaube nicht, dass eine große Reform des Staatsapparats wie durch ein Wunder Attentate verhindern würde. Natürlich wird es bei uns eine Zeit vor und eine Zeit nach dem 22. März geben. Genau wie es in den USA eine Zeit vor und eine nach dem 11. September gab. Wir müssen die Lehren ziehen."
Michel fordert besseren Datenaustausch
Auf der Suche nach Lösungen guckt Charles Michel gerne über die Landesgrenzen hinaus. Viele Terroristen in Europa seien den Behörden bereits vor den jeweiligen Anschlägen bekannt gewesen. Die Sicherheitskräfte müssten also EU-weit Daten viel besser austauschen. "Daher habe ich ja den Vorschlag gemacht, dass die europäischen Sicherheitsbehörden sich wie die US-Bundespolizei FBI oder der Geheimdienst CIA besser vernetzen."
Um seiner Botschaft Nachdruck zu verleihen, dass die belgische Hauptstadt dabei sei, zur Normalität zurückzukehren, führte der Regierungschef unter anderem die Brüsseler Metro an, die in der kommenden Woche wieder zum üblichen Fahrplan zurückkehren soll. Während die Menschen in Brüssel versuchen, sich so gut es geht in den Alltag zurück zu tasten, wird sich die Regierung aber weiter unangenehmen Fragen die Sicherheit betreffend ausgesetzt sehen. Von belgischen und ausländischen Journalisten.