"Das macht sehr viel Angst. Ich möchte auf jeden Fall, dass das geschlossen wird."
Ich finde, dass das nicht richtig ist, dass man diese jungen Atomdinger wieder ans Werk schließt."
"Da sollen die Politiker mal was unternehmen."
Da sollen die Politiker mal was unternehmen. Und nun tun sie es auch. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks von der SPD wird heute mit der belgischen Regierung über die Sicherheit der beiden umstrittenen, 40 Jahre alten Atomkraftwerke sprechen: Tihange, 70 Kilometer von Aachen, und Doel bei Antwerpen. Reaktorblock 2 in Tihange und 3 in Doel waren nach Pannen vom Netz genommen worden. Doch auch nachdem sie erneut hochgefahren wurden, gab es Zwischenfällen. Bei dem Gespräch soll es auch um eine Liste mit 15 Fragen gehen, die Experten des Bundesumweltministeriums Mitte Januar der belgischen Atomaufsicht eingereicht hatten. Die Antworten stehen noch aus.
"Wir können den belgischen Behörden ganz deutlich sagen, dass die deutschen Bürger aus unserer Sicht zu Recht beunruhigt sind", sagt Bundesumweltministerin Hendricks. Zwar seien die jüngsten Störfälle nicht im nuklearen Bereich passiert, aber die Pannenserie zeige eines deutlich: "Das ist ja Flickschusterei, was die da betreiben."
Haarrisse schon seit 2012 bekannt
Flickschusterei? Experten hatten bereits 2012 Tausende von Haarrissen in Reaktorbehältern von Tihange und Doel. Nach einer Überprüfung teilte die belgische Atomaufsichtsbehörde mit, dass es sich dabei um ein Problem handele, das keine Gefahr für die Sicherheit darstelle. Ein Gutachten, dass die Grünen im Europaparlament in Auftrag gegeben hatten, kommt zu einem anderen Ergebnis: Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Haarrisse während des Betriebs vergrößern, sagt die Grünen-Europaabgeordnete Rebecca Harms.
"Also ich bin davon überzeugt, dass es unverantwortlich ist, Doel 3 und Tihange 2 in Betrieb zu lassen. Es ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Sicherheit."
Die Betreiberfirma Electrabel sieht das ganz anders. Das Atomkraft Tihange ist sicher, sagt Unternehmenssprecherin Anne-Sophie Hugé. Das hätten mehrere belgische Behörden bestätigt.
Mehr als die Hälfte ist Atomstrom
Belgien hatte schon 2003 entschieden, aus der Kernenergie auszusteigen - und zwar bis 2025. Die Reaktoren sollten ursprünglich nach jeweils 40 Jahren endgültig abgeschaltet werden. Tihange 1 zum Beispiel sollte ursprünglich im Oktober vergangenen Jahres vom Netz genommen werden. Auch der Betreiber Electrabel war damit einverstanden, weil sich weitere Investitionen nicht mehr lohnen. Mitte 2012 die damalige belgische Regierung unter dem sozialistischen Premierminister Elio di Rupo jedoch dem Betreiber eine Laufzeitverlängerung für Tihange 1 gewährt: um zehn Jahre – also bis 2025. Man fürchtete Engpässe in der Stromversorgung. In Belgien wird mehr als die Hälfte des Stroms aus Atomkraft gewonnen. Für die Reaktorblöcke Blöcke 2 und 3 erlischt die Genehmigung nach 40 Jahren, also 2023 beziehungsweise 2025.
Das ärgert Menschen, die in der Region leben, wie diese Frau aus Aachen.
"Ich kann es nicht fassen, das eine entwickelte Industrienation wie Belgien ein so marodes Werk ans Netz lässt und wir in der EU nichts dagegen tun. Dass wir in der EU nicht dafür sorgen, dass zumindest die Sicherheitsrichtlinien, wenn schon alles Mögliche vereinheitlicht wird, inklusive Flaschen von Olivenöl, nicht vereinheitlicht und durchgehalten werden."
Die EU-Kommission sieht bislang keinen Anlass einzuschreiten, sagte eine Sprecherin von Energiekommissar Cañete auf Nachfrage des WDR-/NDR-Studios Brüssel. Man stehe in Kontakt mit den belgischen Behörden. Bislang habe es keinen Hinweis darauf gegeben, dass Belgien gegen die europäische Richtlinie für die nukleare Sicherheit verstoßen habe. Fragen der Energieversorgung werden nicht von der EU, sondern von den Mitgliedsländern entschieden.
Aachen will gegen Tihange klagen
Die EU-Kommission könnte aber aktiv werden, wenn ein Land, zum Beispiel Deutschland oder die Niederlande, sich an die Kommission wenden und eine Überprüfung fordern würde, sagte die Kommissionssprecherin. Nun kommt es also auf die Bundesregierung an. Und natürlich auch auf die belgische Regierung.
Die Städteregion Aachen setzt schon jetzt ein deutliches politisches Signal: Sie will gegen das Atomkraftwerk Tihange klagen. Die zehn Kommunen werden sich vor dem obersten belgischen Verwaltungsgericht, dem Staatsrat, gegen die Wiederinbetriebnahme von Tihange 2 wehren. Zusätzlich wolle man vor einem Gericht in Brüssel die generelle Stilllegung von Tihange 2 erreichen. Drei niederländischen Kommunen wollen sich der Klage anschließen. Die Kommunalpolitiker haben offenbar verstanden, dass nukleare Bedrohung keine Grenzen kennt und viele Menschen in der Grenzregion sehr besorgt sind.
"Das betrifft uns ja alle, wenn was mit dem Atomkraftwerk passiert und deshalb sollten wir wirklich darauf aufmerksam machen."
"Das gelingt nur, in dem auch alle Leute zeigen, dass das nichts ist, was man mal so einfach auf die lange Bank schieben kann."