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Belgrads Stolperstein auf dem Weg zum EU-Beitritt

Der Norden Kosovos, mehrheitlich von Serben bewohnt, lehnt die Unabhängigkeit ab und will den Anschluss an Serbien. Dort versucht man sich in einem gefährlichen Spagat zwischen Wählergunst im eigenen Land und Dialog mit dem Kosovo wegen des möglichen EU-Beitritts. Im Dezember soll in Brüssel über den Status Serbiens entschieden werden.

Von Johanna Herzing |
    Grenzkonflikte zwischen Serbien und Kosovo
    Grenzkonflikte zwischen Serbien und Kosovo (picture alliance / dpa EPA/VALDRIN XHEMAJ)
    Milan zuckt mit den Achseln. Immer wieder muss der junge Mann seine Kunden vertrösten. "Die Brücke über die Drina", das große Epos vom Jugoslawien der vielen Völker ist restlos ausverkauft. Und so schlichtet Milan Stapel mit Dostojewski, Tolstoi, Shakespeare und anderen Klassikern auf die Plastiktische vor seinem Marktstand. Aber ohnehin ist das Jugoslawien des verstorbenen Literaturnobelpreisträgers Ivo Andric längst Vergangenheit, wenn auch nicht in den Köpfen:

    Kosovo gehört zu Serbien - diese Meinung teilt der junge Verkäufer mit einem Großteil seiner Landsleute. Ob das der serbischen Regierung nun gefällt oder nicht.

    Trotz aller Versuche der Regierung, die Kosovo-Frage nicht hochkochen zu lassen, ist das Thema besonders in den letzten Wochen ständig präsent. Täglich berichten die Medien über die Entwicklungen im Nord-Kosovo, über die Barrikaden, die ortsansässige Serben dort errichtet haben, um kosovarischen Beamten den Zutritt zu verwehren. Die serbische Regierung bringt die Situation in die Zwickmühle: Auf der einen Seite will man die Wähler nicht verprellen, indem man zu sehr auf die kosovo-albanische Regierung in Pristina zugeht. Auf der anderen Seite soll Serbien Mitglied der EU werden. Die Europäische Union hat aber jegliche Beitrittsperspektive an Fortschritte im Dialog mit dem Kosovo geknüpft.

    Bojko Stefanovic muss also den Spagat schaffen. Seit diesem Frühjahr verhandelt er für die serbische Regierung mit Vertretern der kosovo-albanischen Seite. Er ist jung, redegewandt und wirkt pragmatisch:

    "Was die Zugänge angeht, so sollten wir eine Lösung finden, die sowohl den Interessen der Serben im Nord-Kosovo und allgemein den Interessen Serbiens entgegenkommt, als auch den Interessen der internationalen Gemeinschaft in Pristina. Dafür gibt es bereits ein Modell und ich hoffe, dass wir das bald erörtern können. Sollte uns das gelingen, sind Barrikaden überflüssig und es wird wieder volle Bewegungsfreiheit im Nord-Kosovo geben."

    Stefanovic sagt, er sei optimistisch. Gleichzeitig macht aber schon der sprachliche Eiertanz deutlich, wo die Bereitschaft zu Zugeständnissen endet: Da ist von "Zugängen", also "Gates" die Rede, nicht von "Grenzübergängen". Die Grenze selbst bezeichnet die serbische Seite als "administrative Linie" und Pristina ist für Serbien nicht der Sitz der kosovarischen Regierung, sondern der internationalen Gemeinschaft, also der EU-Mission EULEX und der KFOR-Truppen.

    Annäherung ja, aber eine Anerkennung des Kosovo unter keinen Umständen. Die Situation ist verfahren. Die Brüsseler Treffen zwischen Vertretern Serbiens und des Kosovo liegen seit der Eskalation im Nord-Kosovo auf Eis. Beide Seiten belauern sich, wollen dem anderen nur entgegenkommen, wenn es zugleich auch Zugeständnisse gibt. Und dann sind da noch die Meinungsverschiedenheiten in der serbischen Regierung. Koalitionspartner des proeuropäischen Parteien-Bündnisses ist die sozialistische Partei, also die frühere Milosevic-Partei. Deren Chef Ivica Dacic führt derzeit das Innenministerium, außerdem ist er stellvertretender Premierminister des Landes:

    "Sie werden keinen einzigen Serben finden, der es hinnehmen würde, in einem unabhängigen Kosovo zu leben. Die sagen, man sollte diese Menschen einfach nach Serbien umsiedeln. Aber worüber reden wir hier eigentlich? Ist das das 21. Jahrhundert? Dann fehlen ja nur noch die Gaskammern."

    Kosovaren, die gibt es in den Augen des Innenministers gar nicht, sondern lediglich Albaner, die im Kosovo leben. Und welches Volk der Welt habe denn Anspruch auf zwei Staaten, fragt der Minister.

    "Serbien gehört das serbische Territorium und Albanien das albanische - so einfach ist das."

    Ginge es also nach Dacic, dann stünde dem Kosovo eine Teilung bevor - der Norden würde dann wieder zu Serbien gehören. Dass er sich damit gegen die Haltung seiner eigenen Regierung stellt, die den Konflikt gerne beruhigen möchte, ist dem Mann egal. In der Kosovo-Frage hört - jedenfalls bei ihm - die Kompromissbereitschaft auf.