"Nachdem ich ihn getötet hatte, ging ich nach Hause und bekam die Anweisung: 'Fahr nach Brügge, Brügge, Brügge', 'Brügge, Wo ist denn das?' 'In Belgien'."
Der Kinofilm ‚Brügge sehen und sterben‘ hat die kleine Stadt im flämischen Teil von Belgien auch über Europas Grenzen hinweg bekannt gemacht. Seit Jahren steigen hier die Besucherzahlen. 2018 kamen mehr als 8 Millionen Touristen, im Jahr davor waren es noch eine Million weniger.
"An manchen Tagen kommen auf 100 Einwohner 300 Touristen, dann ist es unheimlich voll. Das sind die Tage, die wir nicht mögen",
erzählt Philip Pierins, der Stadtrat für Tourismus.
Zehntausende schieben sich durch die Gassen
An diesen Tagen schieben sich Zehntausende durch die Gassen der mittelalterlichen Kleinstadt und drängen sich für Selfies auf den Brücken üben den kleinen Grachten. Rund drei Viertel der Touristen sind Tagesausflügler und verbringen nur einige Stunden in der Stadt. Viele davon kommen mit den Kreuzfahrtschiffen, die einige Kilometer entfernt im Hafen anlegen.
Zu viel für Brügge, befand die Stadtregierung im vergangenen Jahr und erließ Maßnahmen. Man wolle kein Disneyland werden, betonte der Bürgermeister. Die Zahl der Kreuzfahrtschiffe ist jetzt auf zwei am Tag begrenzt. Dieses Jahr, das weiß Stadtrat Pierins bereits, wird ein Viertel weniger kommen als im letzten Jahr. Und er sei ständig im Gespräch mit den Kreuzfahrtbetreibern, um die Tagesausflüge besser auf die Woche zu verteilen.
Zudem wurde die Werbung für Tagesausflüge nach Brügge in nahegelegenen europäischen Städten wie Paris oder Amsterdam gestoppt.
"Wir sagen niemandem: Bitte kommt alle nach Brügge für einen 3-Stunden-Trip. Wir machen nur Werbung für Übernachtungstouristen."
Die Mieten sind gestiegen
Der Tourismus hat Brügge verändert. Normale Läden, einfache Bäcker zum Beispiel oder Fleischereien sind aus der Innenstadt nahezu verschwunden. Für sie sind die Mieten zu hoch geworden.
Einer, der sich dennoch hartnäckig hält, ist Daniel. Zwischen Souvenirgeschäften und Waffelläden verkauft er in einem verwinkelten Laden auf zwei Etagen seit 40 Jahren Comics.
"Ich bin einer der letzten hier aus Brügge. Die meisten anderen Ladenbesitzer in der Straße kommen nicht mal aus Belgien. Die Mentalität hat sich geändert. In den 90ern, da kannten sich die Ladenbetreiber, wir haben miteinander gesprochen, zusammen Dinge auf der Straße organisiert. Heute geht es nur noch ums Business. Jeder kämpft für sich. Und früher war es auch noch günstig, hier was zu mieten. Ich hatte 30 Jahre lang denselben Vermieter. Der ist dann gestorben und ich musste einen neuen Vertrag aushandeln. Die Miete ist dann extrem gestiegen und es wurde finanziell ganz schön schwierig."
Ende Januar hat das Tourismusinstitut der Region Flandern eine Studie dazu veröffentlicht, wie die Brügger den Tourismus sehen. Rund drei Viertel bewerteten ihn als grundsätzlich positiv für die Stadt, vor allem wirtschaftlich. Aber zwei Drittel sagten auch, sie würden die Innenstadt meiden, und die Hälfte äußerte Angst vor Verdrängung durch steigende Mieten.
Um das zu verhindern, hat die Stadt einen Komplettstopp für neue Ferienwohnungen und Hotels verhängt. Und Pierins meint, auch für manche Läden wäre ein Stopp eigentlich sinnvoll. Zum Beispiel die Chocolaterien, von denen es in der Innenstadt über 80 gibt. Aber man könne eben niemandem vorschreiben, welchen Laden er aufmachen dürfe.
Chantal, eine kleine Frau um die 50 steht hinter der Theke ihrer Chocolaterie und packt Schokoladenherzen in rote Folie.
"Wir sind hier in Brügge nur fünf traditionelle Chocolatiers, alles andere kommt aus großen Fabriken. Jeder schreibt drauf, das ist homemade Schokolade. Aber so ist das. Alles, was die Leute wollen, ist möglichst viel Schokolade, möglichst billig. Das ist das Problem."
Obwohl sie wirtschaftlich von ihnen abhängt, findet sie die Maßnahmen zur Begrenzung der Tagestouristen sinnvoll.
"Das ist das gleiche in Venedig, in Florenz."
"Wir brauchen die Touristen. Auch an die von den Kreuzfahrtschiffen verkaufen wir immer viel. Also kann ich nicht sagen, ich bin gegen den Kreuzfahrttourismus. Aber für ein paar Stunden gibt es hier dann 3.000 oder 4.000 Menschen zusätzlich. Und die rennen nur ihren Guides hinterher. Eigentlich sind sie gar nicht wirklich interessiert. Das ist das gleiche in Venedig, in Florenz, überall."
Etwa 6000 Jobs in der Stadt hängen direkt am Tourismus. Das, so sagt Pierins, soll sich auch nicht ändern. Das Ziel ist nicht weniger, sondern anderer Tourismus. Für 40 Millionen Euro entsteht am Rand der Innenstand gerade ein großes Ausstellungs- und Kongresszentrum. Man hofft auf Ärzte, Juristen und Kunstliebhaber; Menschen mit Geld, die über Nacht bleiben, gut essen und an den vielen Museen in der Stadt nicht nur in Eile vorbeirennen.