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Bella Italia - ich fahr mit der Schwebebahn zu dir!

Im 19. Jahrhundert erkundete man Italien entlang der "Grand Tour". Diese Strecke führte von Verona bis Pompeji. 210 Originalfotografien und Gemälde zwischen 1815 - 1900 werden nun in Wuppertal ausgestellt.

Von Cristiana Coletti |
    Der Sommer in Deutschland kann sehr schön sein. Auch für mich als Südländerin! Es gibt jedoch Momente, wo meine Sehnsucht nach Italien kaum noch erträglich ist. Ich brauche die Stimmung, die Landschaften und die wunderschönen Städte meiner Heimat. Ich halte es nicht mehr aus! - Ich fahre nach Wuppertal!

    "Ja, wir zeigen in unserer Ausstellung "Bella Italia" etwa 200 Fotografien aus dem Italien des 19. Jahrhunderts. Das heißt, diese Ausstellung ist eine Reise in die Vergangenheit und man kann wunderbar vergleichen, wie das heute ist und wie es vor über hundert Jahren war. Die Reise beginnt im Norden, also natürlich mit Venedig, wir reisen dann weiter nach Turin, Milano, nach Genua und von dort aus geht es dann über Bologna nach Süden, nach Florenz, wir kommen in der Heiligen Stadt Rom an. Wir reisen bis nach Sizilien, wir sehen Palermo. Also die Reise umfasst ganz Italien."

    Gerhard Finckh, Direktor des Von der Heydt-Museums in Wuppertal, lädt mich ein, einige ausgesuchte Etappen dieser imaginären Reise auf den Spuren der damals berühmten "Grand Tour" zu entdecken. Wir starten im Jahre 1870 in Genua mit einem Foto von Francesco Ciappei, der zu den wichtigen Fotografen seiner Zeit gehörte. Finckh:

    "Diese Aufnahme zeigt dieses Idealbild, das die Deutschen sich von Italien gemacht haben, nämlich ein Land, in dem man sorgenlos lebt. Ja, wir sehen in dem Foto eine abschüssige Gasse, da geht eine Treppe hinunter, mit einem kleinen Platz. Wir sehen links und rechts die Häuser und wir sehen auf Anhieb mindestens fünfzehn verschiedene Leinen, die sich gegenseitig überkreuzen, und da dran hängt die unterschiedlich farbige Wäsche, helle und dunkle und es ist die Stimmung einer gewissen Heiterkeit aber es ist auch eine gewisse Gespanntheit eigentlich in diesem Bild, denn es stehen eine Menge Menschen unten auf der Gasse. Der Fotograf hat einen erhöhten Standpunkt eingenommen und die Menschen schauen alle auf den Fotografen hin. Sie sind offenbar ganz fasziniert davon, zu sehen, was der da macht. Denn dieses Fotografieren im 19. Jahrhundert war nicht Knipsen wie heute, sondern es war ein ganz aufwendiges Verfahren. Man hatte ein großes Stativ und eine riesige Kamera, die da drauf befestigt war. Das heißt, da haben sich eine Menge Leute eingefunden und haben zugeschaut, überlegt, was macht denn dieser Mensch in seinem dunklen Umhang hinter der Kamera. Und das sieht man auf diesem Foto: diese Neugier, diese Gespanntheit. Und man hat das Gefühl, einzelne davon posieren so richtig und wollen sagen: Ich bin dabei gewesen bei diesem Ereignis."

    Meine italienischen Landsleute - wie die kleinen Jungs im Vordergrund, eine lächelnde Mutter, die liebevoll das eigene Kind der Kamera zeigt - sie haben eine Weile posieren müssen, denn die Belichtungszeiten waren lang: Es hat manchmal bis zu 24 Stunden gedauert, bis ein Foto belichtet war! Mit einer Aufnahme von den Fratelli Alinari aus dem Jahre 1855 geht die Reise weiter nach Florenz. Sie zeigt die Loggia dei Lanzi an der Piazza Signoria. Was kann man hier entdecken? Finckh:

    "In dieser Loggia dei Lanzi steht noch die berühmte Raptusgruppe von Gianbologna, Raub der Sabinerinnen, und links daneben sehen wir dann den berühmten David von Michelangelo noch an seiner alten Stelle untergebracht mit einem kleinen Baldachin darüber. Heute ist es ganz anders. Heute sind erstmal da viel mehr Touristen, als damals auf dem Foto zu erkennen wären, und heute ist es natürlich so, dass diese Gruppen längst ersetzt worden sind durch Kopien und das ist natürlich nicht mehr das, was es mal war. Die Originale stehen im Museum. Ja, ein bisschen von der Aura ist dadurch verloren gegangen. Und wenn wir uns diese alten Fotos anschauen, empfinden wir so ein bisschen diese Sehnsucht nach diesem alten idealen Zustand eigentlich."

    In der Wahl der Motive: Denkmäler, antike Monumente oder romantische Panoramen, wurde die frühe Fotografie stark von der Malerei beeinflusst. Umgekehrt fungierte sie als präzises Abbild der Wirklichkeit, als perfektes Vorbild für Gemälde. Dank Fotografien wie dieser von der Loggia dei Lanzi kann ich ein Italien nacherleben, das es so heute nicht mehr gibt. Ulrich Pohlmann, Kurator der Ausstellung und Leiter der Sammlung Fotografie im Münchener Stadtmuseum:

    "Wir haben hier eine Aufnahme von Pompeo Molins, die er vom Monte Pincio auf das Stadtbild von Rom aufgenommen hat. "

    "Man sieht zwei Paare mit einem Hund, sehr gut gekleidet und im Hintergrund scheint ebenso durch den Dunst die Kuppel von Sankt Peter auf. Das ist ein Blick, den man heute natürlich auch haben kann. Damals war es nur wenigen erlaubt, am Monte Pincio spazieren zu gehen. Das waren die Adeligen, es waren die Großbürger, weil der Pincio eben für die Bevölkerung in dieser Zone um 1860 gesperrt war."


    "Ja, wenn man sich heute dort befindet, dann hat man natürlich auch den Geräuschpegel. Man hört die Stadt. Man sieht die Stadt, aber man hat Andenkenverkäufer. Es gibt auch Imbissläden, also fahrende Händler. Insofern hat es sich schon sehr verändert, weil man dort eben merkt, dass man Tourist ist. Während dieses Foto einem eher den Eindruck vermittelt, ja ... man macht eine passeggiata, also einen kleinen Spaziergang durch eine Stadt und man ist da sozusagen unter sich in der Familie."

    Auch wenn das Volk damals nicht überall hingehen durfte, war das Volksleben in Italien ein starkes Element der Faszination. Pittoreske Aufnahmen galten als begehrtes Souvenir für wohlhabende Reisende aus Mittel- und Nordeuropa. Und Neapel war der Gipfelpunkt eines quirligen, exotisch wirkenden Schauspiels auf den Straßen der dicht besiedelten Stadt.

    "Wir haben hier eine Aufnahme von Giorgio Sommer, die im Studio entstanden ist, in Neapel um 1865 und man sieht verschiedene Personen beim Makkaroniessen. Ja was machen die da? Die nehmen die Makkaroni in die Hand, nehmen sie in den Mund, riesige Mengen, so scheint es. Und auf den ersten Blick wirkt es erstmal unzivilisiert. Wenn man aber in den Reiseberichten der damaligen Zeit nachliest, dann sieht man, dass das genau die Art und Weise war, wie die Bevölkerung Makkaroni gegessen hat. Man hatte die Mütze, in die Mütze kamen die Makkaroni, die Soße, die hat man dann mit den Händen gegessen und hinterher die Mütze im Meer ausgespült. Heute verbinden wir einfach mit Italien natürlich das Essen, die viele Pasta, die Makkaroni, die Linguine, die Tagliatelle und natürlich die Spaghetti, das gute Essen, den guten Wein! Also heute schmunzeln wir ein bisschen über dieses Bild, aber es ist auch ein Bild, was wir mit sehr viel Sympathie uns ansehen, weil wir natürlich merken, dass es inszeniert ist, aber es gibt auch etwas von dieser Lebensfreude und von der Lebenskultur von Italien im 19. Jh. wieder, die wir heute, glaube ich, auch wieder entdecken."

    Dieser Blick voller Zuneigung ist auch der Grund, warum ich als Italienerin die Makkaroniesser lustig und berührend finde. Man weiß natürlich, dass diese Menschen posiert haben, um ihren Tageslohn zu verdienen. Dass sie zum Teil auch ein Klischee bedienten. Aber Klischees hat es immer und überall gegeben. Manchmal enthalten sie auch einen Teil der Wahrheit, amüsieren und verbinden uns!

    Eine wunderbare, kolorierte Fotomontage, eine Szene, in der die Tarantella gespielt und getanzt wird, zieht mich zum Schluss in den Bann. Ich glaube sogar, in der Ferne, Musik zu hören.