Eine Partisanentruppe will endlich in die entscheidende Schlacht gegen die Besatzungsmacht ziehen, doch ihre Anführerin zögert, den Angriffsbefehl zu geben. Regisseur Christof Loy und sein Bühnenbildner Raimund Orfeo Voigt verlegen Belcanto-Drama um die Priesterin Norma aus der Römerzeit in eine nicht allzu weit entfernte Vergangenheit. Die Holztäfelung des Einheitsraums und die Kostüme von Ursula Renzenbrink lassen etwa an die Vierziger oder 50er-Jahre denken, ohne sich unnötig festzulegen. Im Rekordtempo zerbricht hier die Welt der alleinerziehenden Mutter und Erfolgsfrau Norma. Vom ohnehin unzuverlässigen Liebhaber für eine jüngere Frau verlassen, von ihm gedemütigt und gekränkt, driftet sie unter dem gesellschaftlichen Druck unmerklich an den Rand des Wahnsinns. Mal kapselt sie sich völlig von ihrer Umwelt ab, mal kommt sie ihren Widersachern mit beängstigender Zärtlichkeit viel zu nah.
"Die Oper muss das Publikum zum Sterben bringen"
Regisseur Christof Loy ist ein Meister der psychologischen Aufladung jener langen Szenen der italienischen Belcanto-Opern, die bei vielen seiner Kollegen nur zu langweiligem Rampenstehen führen. "Loy beherrscht das Kunststück, sowohl zu psychologisieren als auch die große Opernform zu erhalten." In Frankfurt wird schnell klar, was Bellini mit seinem Ausspruch meinte, die Oper müsse das Publikum zu Tränen, zum Schauder, zum Sterben bringen. Mal deckt sich das Bühnengeschehen mit der Brutalität von Bellinis Komposition, die seine Zeitgenossen verschreckte, mal steht das in scheinbarem Kontrast zur Schönheit von Bellinis Melodien, doch immer sitzt das Bühnengeschehen passgenau auf der Musik.
Applaus für die Solisten, Buhs für die Regie
Auch der Dirigent Antonino Fogliani setzt eher auf einen kräftigen Tonfall statt auf wohlig-verwaschene Pastelltöne. Umso beeindruckender fallen dann die Momente der Ruhe und Annäherung der Personen aus. Das Ereignis des Abends ist zweifellos die Norma der Elza van den Heever. Ob Koloratur oder Rezitativ, weit geschwungene Melodielinie oder entsetzter Ausruf, dieser Gesang bebt von emotionaler Intensität, setzt aber nie auf billige Effekte. Die Stimme mischt sich ideal mit der von Gaelle Arquez (Adalgisa) und geht auf Konfrontationskurs mit dem robusten Pollione des Tenors Stefano La Colla. Der mächtige Chor heizt die Stimmung kriegerisch auf und wird hinterher mit den Solisten vom Publikum gefeiert. Nur das Regieteam musste sich einige Buhs gefallen lassen.
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