Ein paar Bauarbeiter und ein Planungsteam sind die einzigen Menschen, die am Montag vor der Quarterback-Immobilienarena zu sehen sind. Das soll sich am Samstag ändern, dann werden hier gut 2.000 Besucher eines Tim Bendzko-Konzerts erwartet, erklärt Studienleiter Dr. Stefan Moritz, Chef der klinischen Infektiologie des Uniklinikums Halle.
"Also wir wollen eine Großveranstaltung nachstellen hier unter Studienbedingungen, wo wir ein bisschen was messen können. Was wir messen wollen hauptsächlich, das sind die Kontakte, die hier stattfinden. Und wir wollen messen, einmal, wo finden die Kontakte hier statt, und wie viele Kontakte sind das überhaupt?"
"Also wir wollen eine Großveranstaltung nachstellen hier unter Studienbedingungen, wo wir ein bisschen was messen können. Was wir messen wollen hauptsächlich, das sind die Kontakte, die hier stattfinden. Und wir wollen messen, einmal, wo finden die Kontakte hier statt, und wie viele Kontakte sind das überhaupt?"
RESTART-19: Eine Studie, die vielleicht Geschichte schreibt
Popmusiker Tim Bendzko unterstützt die Studie RESTART-19 nur allzu gern. "Bei all den Förderprogrammen wurde dieses Feld ignoriert - nach dem Motto: Kultur ist nicht systemrelevant", sagte Bendzko im Dlf. Dabei habe die Geschichte gezeigt, dass Kultur in schweren Zeiten immer wichtiger für die Menschen geworden sei.
Popmusiker Tim Bendzko unterstützt die Studie RESTART-19 nur allzu gern. "Bei all den Förderprogrammen wurde dieses Feld ignoriert - nach dem Motto: Kultur ist nicht systemrelevant", sagte Bendzko im Dlf. Dabei habe die Geschichte gezeigt, dass Kultur in schweren Zeiten immer wichtiger für die Menschen geworden sei.
Experiment simuliert verschiedene Konzertsituationen
Das Ziel der aufwendigen Aktion: herausfinden, wie sich das Infektionsrisiko bei Großveranstaltungen reduzieren lässt. Matthias Kölmel, der Geschäftsführer der Arena Leipzig wüsste das gern. Denn seit dem 10. März finden hier keine Veranstaltungen mehr statt.
"Aber es geht ja nicht nur um uns, sondern es geht ja um die gesamten Branche. Es fängt beim Künstler an, über die Veranstalter über die Veranstaltungstechniker. Das sind so Punkte, wo ich mir denke, diese ganze Struktur, die sich über Jahre aufgebaut hat, läuft natürlich schon Gefahr, wegzubrechen."
Die Umsatzeinbußen der Veranstaltungsbranche sind dramatisch, Marktforscher beziffern sie auf 80-100 Prozent. Als Stefan Moritz von der kritischen Lage Wind bekam, hatte er die Idee zur RESTART-19-Studie. "Und da hat er eben gesagt, ob wir prinzipiell dabei wären und ob wir uns vorstellen könnten, da Kooperationspartner zu werden. Und da haben wir gesagt, ja klar!"
Damit war der Weg frei für ein Massenexperiment, das es so noch nirgends gab: Die Simulation einer Konzertveranstaltung mit tausenden Teilnehmern, zwischen 18 und 50 Jahren, deren Kontakt untereinander ständig protokolliert wird. Mit streichholzschachtelgroßen Geräten, die jeder umgehängt bekommt, sogenannten Tracern, erklärt Studienleiter Stefan Moritz:
"Und diese Tracer machen Folgendes: Sie messen permanent den Abstand zu allen anderen Tracern. Also immer, wenn er einen Kontakt hatte - als Kontakt zählen wir alles, was unter 1,5 Metern ist - wird das eben registriert. Und wenn irgendwann eine Zeit überschritten ist, dann nehmen wir das als kritischen Kontakt."
Um zu messen, wo die längeren Kontakte stattfinden, sollen 50 Sensoren in der Arena per Funk ständig die Position aller Tracer lokalisieren. Und zwar während drei Konzertszenarien, die nacheinander durchgespielt werden.
"Und diese Tracer machen Folgendes: Sie messen permanent den Abstand zu allen anderen Tracern. Also immer, wenn er einen Kontakt hatte - als Kontakt zählen wir alles, was unter 1,5 Metern ist - wird das eben registriert. Und wenn irgendwann eine Zeit überschritten ist, dann nehmen wir das als kritischen Kontakt."
Um zu messen, wo die längeren Kontakte stattfinden, sollen 50 Sensoren in der Arena per Funk ständig die Position aller Tracer lokalisieren. Und zwar während drei Konzertszenarien, die nacheinander durchgespielt werden.
Zuschauer sollen sich wie bei normalem Konzert verhalten
"Das erste Szenario ist im Prinzip das, wie man ein Konzert vor der Pandemie kannte: Wir haben zwei Eingänge und da gehen alle rein, sitzen eins zu eins nebeneinander."
Beim zweiten Szenario sollen die Besucher durch acht statt zwei Eingängen in die Arena strömen, um Kontakte zu reduzieren. Außerdem wird das Publikum etwas weiter auseinander sitzen und in vier abgetrennte Blöcke aufgeteilt.
"Im dritten Szenario machen wir das ähnlich, bloß dass wir die Abstände auf den Tribünen noch weiter erhöhen. Und da ist es dann so, dass jeder wirklich 1,5 Meter um sich herum hat."
Beim zweiten Szenario sollen die Besucher durch acht statt zwei Eingängen in die Arena strömen, um Kontakte zu reduzieren. Außerdem wird das Publikum etwas weiter auseinander sitzen und in vier abgetrennte Blöcke aufgeteilt.
"Im dritten Szenario machen wir das ähnlich, bloß dass wir die Abstände auf den Tribünen noch weiter erhöhen. Und da ist es dann so, dass jeder wirklich 1,5 Meter um sich herum hat."
Bei den Szenarien nehmen die Forscher auch den Eingangsbereich, die Toilettengänge und das Catering ins Visier. Um auch die Kontakte bei der Anreise zu untersuchen, erhalten etwa 600 Konzertbesucher ihre Tracer, bevor Sie in zehn Sonderzügen der Leipziger Straßenbahnen zum Konzert fahren. Für all diese Teilaspekte einer Großveranstaltung sammeln die Tracer im 5-Sekundentakt Daten. Insgesamt rechnen die Wissenschaftler mit etwa 4 Terabyte, die sie auswerten müssen. Außerdem modellieren sie die Luftströmungen in der Arena.
"Wir haben die gesamte Arena im Computer nachgebaut und haben die Lufträume dort in Kubikzentimeter große Würfel zerlegt und haben 4.000 fiktive Probanden hineingesetzt in die Arena, die ständig Aerosole ausatmen. Und da haben wir berechnen lassen von einem Computer: Wo werden die Aerosole mit der Raumlufttechnik und der Thermodynamik hin transportiert?"
Hohes Hygiene- und Sicherheitskonzept für alle Teilnehmenden
Auch mögliche Hotspots für Schmierinfektionen sollen aufgespürt werden. Ein fluoreszierendes Desinfektionsmittel, das alle Besucher am Eingang erhalten, soll verraten, welche Oberflächen besonders häufig berührt werden. Alle Daten sollen dann die Grundlage für ein präzises mathematisches Modell bilden:
"Und wir können dann ausrechnen: Um wie viel können wir das Risiko denn wirklich reduzieren, mit Maßnahmen, die wir ergreifen?"
"Und wir können dann ausrechnen: Um wie viel können wir das Risiko denn wirklich reduzieren, mit Maßnahmen, die wir ergreifen?"
Um das Risiko einer Sars-CoV-2-Infektion bei den Versuchsteilnehmern und Teilnehmerinnen am Studientag zu minimieren, haben alle vorab ein COVID-19-Testkit erhalten. Zwei Tage vor dem Versuch müssen die über 2.000 Abstriche ausgewertet werden. Wer positiv getestet wurde, muss zuhause bleiben – ebenso alle, die aus Risikogebieten kommen oder Fieber und andere Symptome zeigen.
"Dann setzen wir jedem FFP-2-Masken auf. Und das sind ja die Masken, mit denen wir im Krankenhaus unsere COVID-19-Patienten behandeln. Hinzu kommt noch, dass wir Desinfektionsmittel wirklich für jeden haben. Und letztlich haben wir noch 40 Hygiene-Stewards in der Halle."
"Dann setzen wir jedem FFP-2-Masken auf. Und das sind ja die Masken, mit denen wir im Krankenhaus unsere COVID-19-Patienten behandeln. Hinzu kommt noch, dass wir Desinfektionsmittel wirklich für jeden haben. Und letztlich haben wir noch 40 Hygiene-Stewards in der Halle."
Die sollen darauf achten, dass niemand in der Halle die Maske abnimmt und dass nur im Freien und mit genügend Abstand gegessen und getrunken wird. Trotz der umfassenden Infektionsschutzmaßnahmen und dem großen Medieninteresse haben sich für das achtstündige Massenexperiment nur 2.210 Freiwillige angemeldet. Ursprünglich geplant waren 4.200.
"Da müssen wir natürlich auf ein paar der Effekte verzichten. Aber den Großteil der Informationen werden wir natürlich kriegen, in dem wir einfach Bereiche der Arena absperren."
Studienleiter Moritz schätzt, dass es sechs Wochen dauern wird, alle Daten auszuwerten. Die Ergebnisse dürften nicht nur hierzulande auf Interesse stoßen. Forschergruppen in Belgien und Australien planen ähnliche Großversuche und sind gespannt auf die Erfahrungen am Wochenende in Leipzig.
"Da müssen wir natürlich auf ein paar der Effekte verzichten. Aber den Großteil der Informationen werden wir natürlich kriegen, in dem wir einfach Bereiche der Arena absperren."
Studienleiter Moritz schätzt, dass es sechs Wochen dauern wird, alle Daten auszuwerten. Die Ergebnisse dürften nicht nur hierzulande auf Interesse stoßen. Forschergruppen in Belgien und Australien planen ähnliche Großversuche und sind gespannt auf die Erfahrungen am Wochenende in Leipzig.