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Bénédicte Savoys Kampf für die Restitution
„Geteiltes Erbe gibt es nicht“

Die französische Kunstwissenschaftlerin Bénédicte Savoy mischt die ethnologische Museumslandschaft auf. Ihr Buch "Die Provenienz der Kultur" steht nach wie vor auf Platz eins der Sachbuch-Bestenlisten. Darin kämpft Savoy für eine Rückgabe der geraubten Kulturschätze.

Stefan Koldehoff im Gespräch mit Angela Gutzeit |
    Bénédicte Savoy: "Die Provenienz der Kultur"
    Bénédicte Savoys Kampf für die Restitution kolonialer Kunst (Matthes&Seitz/picture alliance/dpa/Foto: Bernd von Jutrczenka)
    Stefan Koldehoff umreißt im Gespräch mit Angela Gutzeit die Kernthesen des Buchs: Savoy plädiere für einen radikalen Blickwechsel. Nicht vom Besitz oder dem heutigen Standort der Kunstobjekte aus den einstigen Kolonialstaaten her sei zu denken, sondern allein von den Objekten her. Europäische Museen sollten sich nicht mehr auf ihr Besitzrecht kolonialer Schätze berufen, denn an denen klebe nicht selten Blut.
    Ihre Geschichte sei geprägt von Kriegen, Eroberungen und ungerechten Herrschaftssystemen. Und für die Herkunftsländer hätten diese Kulturgüter deutlich mehr Bedeutung als für Deutschland. Savoy mache in erfrischend klarer Sprache deutlich, so Koldehoff, dass es keinen Grund dafür gebe, Echnaton oder andere Werke der großen Ausgrabungen bis hin zur Nofretete aus nationalpolitischen Gründen und um jeden Preis in Berlin zu belassen. Savoys persönliches Engagement, in die Länder, in die Dörfer und zu den Herkunftsorten der Objekte zu fahren und dort mit den Menschen das Gespräch zu suchen, sei genau der richtige Ansatz, so Stefan Koldehoff.
    Emmanuel Macron unterstützt Engagement von Savoy
    Die französische Kunstwissenschaftlerin engagiert sich schon lange für die Rückgabe kolonialer Raubkunst. Wegen der undurchsichtigen Ausstellungspolitik des Berliner Humboldt-Forums mit seinen außereuropäischen Sammlungen der Stiftungen Preußischer Kulturbesitz hat Savoy den Beirat verlassen. Die Wissenschaftlerin, die seit 2009 an der Technischen Universität Berlin Kunstgeschichte lehrt, wurde 2016 zusätzlich auf den Lehrstuhl für die Kulturgeschichte des künstlerischen Erbes in Europa am Pariser Collège de France berufen.
    Rückenwind für ihr Engagement erhält sie vom französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron, der öffentlich verkündete, innerhalb von fünf Jahren zusammen mit afrikanischen Staaten die Rückgabe ihrer Kunstschätze oder auch den Verbleib in Frankreich zu regeln. Mit der Leitung der Kommission zur Restitution kolonialer Kunst betraute Macron Bénédicte Savoy wie den senegalesichen Wissenschaftler Felwine Sarr. Savoys Schrift "Die Provenienz der Kultur" beruht auf der Antrittsvorlesung der Kunstwissenschaftlerin am Collége de France am 30. März 2017.
    Bénédicte Savoy: "Die Provenienz der Kultur. Von der Trauer des Verlusts zum universalen Menschheitserbes
    Matthes & Seitz, Berlin. 80 Seiten. 10 Euro