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Benito Mussolini
Vom Sozialisten zum Faschisten

Benito Mussolini kam 1922 in Italien an die Macht. Und obwohl der Gründer der faschistischen Partei Hitlers Vorbild war, gilt er noch heute als weniger gefährlich, weniger radikal. Der Historiker Hans Woller hat mit "Mussolini. Der erste Faschist" eine Biografie vorgelegt, die mit den Legenden und Beschönigungen des italienischen "Duce" aufräumt.

Von Eva Pfister |
    Porträtaufnahme von Benito Mussolini in Uniform
    Undatierte Aufnahme von Benito Mussolini (picture alliance / dpa)
    Eine der vielen Legenden, die sich um Benito Mussolini ranken, ist der "Marsch auf Rom". Die drohende Einnahme der italienischen Hauptstadt durch faschistische Milizen soll 1922 den Regierungswechsel bewirkt haben. Aber Mussolini, so wie Hans Woller ihn in seiner neuen Biografie vorstellt, war ein ewiger Taktierer und Zauderer, und pfiff seine Schwarzhemden teilweise zurück:
    "Die militärische Bedrohung vor Rom bestand so am Morgen des 28. Oktober nicht aus 300.000 Kämpfern, wie später behauptet wurde, sondern aus kaum mehr als 5.000 Mann, die noch dazu ein Bild des Jammers boten. Sie waren schlecht ausgerüstet, übermüdet und von einem Dauerregen zermürbt, der die ganze Gegend in Schlamm und Sumpf verwandelte und einen geordneten Vormarsch unmöglich machte. Erst im Laufe des Tages wuchs die faschistische Streitmacht auf 15.000 Squadristen an."
    Auch damit wären die Regierungstruppen leicht fertig geworden. Das Problem war aber, dass in vielen Regionen Italiens die Faschisten bereits Rathäuser und Kasernen besetzt hatten, und dass es im Land eine breite Unterstützung für die neuen Kräfte gab. So trat die Regierung zurück, und König Vittorio Emanuele III. berief Benito Mussolini zum Ministerpräsidenten. Mit ihm sollten die erstarkten Sozialisten bekämpft und eine bolschewistische Revolution verhindert werden. Die "Fasci di combattimento", zu Deutsch: "Kampfverbände" waren seit 1919 ja vor allem gegen aufständische Arbeiter vorgegangen:
    "Die Faschisten stellten sich hier in den Dienst der alten Eliten und wurden von diesen binnen weniger Monate materiell und finanziell derart großzügig ausstaffiert, dass sie mit Aussicht auf Erfolg zur Verteidigung der Klasseninteressen der Bosse und Magnaten ins Feld geschickt werden konnten."
    Vom Sozialisten zum Faschisten
    Benito Mussolini hatte sich nie gegen die Gewalttätigkeit seiner Schlägertrupps ausgesprochen, die 1922 schon 3.000 Italiener auf dem Gewissen hatten. Dabei kam er ursprünglich selbst aus dem linken Lager. Geboren war der spätere Diktator am 29. Juli 1883 als Sohn eines Hufschmieds und trat wie sein Vater in die sozialistische Partei ein, wo er sich als begabter Agitator und Journalist erwies. Er war allerdings nicht linientreu. Als er den Patrioten in sich entdeckte und für Italiens Eintritt in den Ersten Weltkrieg plädierte, schloss ihn die Partei aus. Mussolini zog freiwillig in den Krieg, wo er neue Zukunftsvisionen entwickelte. Ende 1916 schrieb er:
    "Ich habe ungeachtet aller Unbill und aller Gefahren das Privileg, der Entstehung der Aristokratie des Schützengrabens beizuwohnen, der neuen und besseren Elite, die das Italien von morgen beherrschen wird."
    Diese Idee einer neuen Elite verfolgte er konsequent. Hans Woller legt Wert darauf zu zeigen, dass Mussolini nicht im Fahrwasser Hitlers zum Rassisten wurde, sondern dass ihn schon früh Theorien zu einer Verbesserung der Rasse interessierten. Der italienische Faschismus sollte einen neuen Menschen begründen, den "Römer der Moderne".
    "Am liebsten, sagte er schon 1925 vor zahlreichen Parteigenossen, würde er den neuen Italiener in der Retorte züchten: 'Hin und wieder schwebt mir die Idee vor, Generationen im Labor zu schaffen, etwa die Klasse der Krieger – immer bereit zu sterben - , … die Klasse der großen Industriekapitäne, der großen Forscher, der großen Herrscher. Durch diese methodische Auslese schafft man Eliten, die ihrerseits Imperien schaffen.'"
    Als Antisemit fiel Mussolini erst später auf. In den 1920er-Jahren war der Faschist noch mit der jüdischen Kunstkritikerin Margherita Sarfatti liiert, die 1925 die erste Mussolini-Biografie verfasste. Sie hieß "Dux", das lateinische Wort für Führer, das dem "Duce" seinen Namen gab, und wurde zum internationalen Bestseller. Mussolini wurde damals im Ausland noch als Hoffnungsträger angesehen.
    Ab 1935 abhängig von Deutschland
    Das änderte sich, als Italien am 3. Oktober 1935 ohne Kriegserklärung in Abessinien, dem heutigen Äthiopien, einmarschierte. Der Völkerbund verhängte daraufhin Sanktionen, von denen sich nur das Deutsche Reich distanzierte. Italien wurde zunehmend abhängig von deutscher Wirtschaftshilfe; das Kräfteverhältnis der beiden Diktatoren änderte sich. War Mussolini lange Jahre Hitlers Vorbild gewesen, verfolgte der "erste Faschist" nun im Windschatten der Nationalsozialisten seine Träume vom neuen römischen Imperium und wütete mit brutalem Rassismus in Nordafrika.
    Am 10. Juni 1940 trat Italien an der Seite des Deutschen Reichs in den Krieg ein.
    Kriegserklärung von Benito Mussolini:
    "Scendiamo in campo contro le democrazie plutocratiche e reazionarie dell’ Occidente…"
    Kein Beleg für Judenverfolgung ohne deutschen Druck
    Aber obwohl Mussolini den "plutokratischen und reaktionären Demokratien des Westens" so vollmundig den Kampf angesagt hatte, war Italien militärisch schwach und den Achsenpartnern Deutschland und Japan eher eine Last als eine Stütze. Am 25. Juli 1943, kurz nach der Landung der Alliierten auf Sizilien, wurde das faschistische Regime gestürzt; die deutschen Verbündeten wandelten sich zu Besatzern. Sie ließen Mussolini noch in einer Schattenrepublik am Gardasee regieren, bis er am 28. April 1945 ermordet wurde.
    Hans Wollers detaillierte Biografie wendet sich vor allem gegen die Verharmlosung Mussolinis, wie sie in der italienischen Geschichtsschreibung nach 1945 gepflegt wurde und noch heute sein Bild in der Öffentlichkeit bestimmt. Zuweilen schießt Woller aber über das Ziel hinaus; so kann er etwa nicht wirklich belegen, dass Mussolini auch ohne deutschen Druck gegen die Juden vorgegangen wäre. Italien nahm seit 1933 jüdische Flüchtlinge auf; bis 1935 hatten Juden sogar noch wichtige Ämter in der Partei inne. Erst am 17. November 1938 – eine Woche nach der Reichspogromnacht - trat ein Rassengesetz in Kraft, das die Juden aus dem öffentlichen Leben ausschloss.
    Hans Woller:
    Mussolini. "Der erste Faschist. Eine Biografie". (Diktatoren des 20. Jahrhunderts. Eine Reihe des Instituts für Zeitgeschichte) Verlag C.H. Beck, München 2016, 397 Seiten, 26,95 Euro