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Todestag vor 125 Jahren
Benjamin Gould - ein Pionier der US-Astronomie

Als erster Amerikaner mit einem Doktorgrad in Astronomie hatte Benjamin Gould seine Berufung gefunden. Er wollte die Himmelsforschung in den USA aus ihrer „Rückständigkeit“ auf ein professionelles Niveau zu heben. Vor 125 Jahren starb der Astronom, dessen Wirken bis heute fortlebt.

Von Dirk Lorenzen | 26.11.2021
Benjamin Gould führte eine komplette Durchmusterung des Südhimmels durch
Benjamin Gould führte eine komplette Durchmusterung des Südhimmels durch (Stellarium)
"Dr. Gould zeigte als Erster, wie präzise fotografische Himmelsbeobachtungen sind. Selbst im Ruhestand hat er noch rastlos die Fotoplatten ausgewertet. Der letzte Teil seines 15-bändigen Sternkatalogs ist nur Stunden vor seinem Tod erschienen.“

Komplette Durchmusterung des Südhimmels

So schwärmte die Königliche Astronomische Gesellschaft in England von Benjamin Gould. Der Wissenschaftler aus Boston war ein Pendler zwischen den Kontinenten und hat die moderne astronomische Forschung in Nord- und Südamerika begründet.
Mitte des 19. Jahrhunderts war nur wenig über den südlichen Sternenhimmel bekannt – Benjamin Gould hat diese Lücke beherzt geschlossen, erklärt Trudy Bell, Expertin für amerikanische Astronomie-Geschichte aus Cleveland: "Gould war sehr daran interessiert, auf die Südhalbkugel zu reisen und den Himmel fotografisch zu erfassen. Statt der ursprünglich geplanten drei blieb er 15 Jahre in Córdoba und führte eine komplette Durchmusterung des Südhimmels durch. Seine dort errichtete Sternwarte wurde später das Nationalobservatorium Argentiniens."
Damals blickten die meisten Astronomen noch durch das Okular eines Teleskops und fertigten Zeichnungen an. Auch Gould hat lange auf diese Weise beobachtet. Dann aber richtete er sein Fernrohr mit einer Kamera an den Himmel und erfasste die genaue Position Zigtausender Sterne.

Studium auch in Deutschland

"Dr. Gould hat sich mit den Aufnahmen zweier Sternhaufen des Amateurastronomen Lewis Rutherfurd beschäftigt. Er erkannte sofort, welche Bedeutung die Fotografie für die Himmelskunde in Zukunft haben würde und nahm in Córdoba rund 1400 Fotoplatten auf."
Wie wichtig geeignete Instrumente sind, war ihm schon in jungen Jahren in Europa klargeworden. Nach dem Studium in Harvard sah sich Benjamin Gould in London, Paris und Berlin moderne Sternwarten an. Schließlich verbrachte er mehr als ein Jahr in Göttingen bei Carl Friedrich Gauß, dem damals weltweit führenden Mathematiker und Astronomen, erklärt Axel Wittmann, Astronom im Ruhestand an der Göttinger Universitätssternwarte:
"Also er war Student, Gauß war der Professor und hat ihn unterrichtet. Unter anderem hat er 14-fache Bahnelemente des kleinen Planeten Iris aus Beobachtungen von Gauß und anderen berechnet innerhalb von drei Tagen. Das kann nicht jeder. Da war er Doktorand und hat dann diese Dissertation ein Jahr später abgeliefert."

Erster Amerikaner mit Doktorgrad in Astronomie

Als erster Amerikaner mit einem Doktorgrad in Astronomie hatte Benjamin Gould seine Berufung gefunden – und drängte darauf, die Himmelsforschung in den USA aus ihrer „Rückständigkeit“, wie er sagte, auf ein professionelles Niveau zu heben. Einen besonderen Impuls erhielt er während seines viermonatigen Aufenthalts bei Hans Christian Schumacher im damals dänischen Altona bei Hamburg.
„Dort lernte er unter anderem die von Schumacher herausgegebene Zeitschrift ‚Astronomische Nachrichten‘ näher kennen und fasste sicher dort den Plan, eine ähnliche Zeitschrift in den USA herauszugeben, die es ja noch nicht gab. Er hat nach Rückkehr in die USA 1849 die Zeitschrift ‚Astronomical Journal‘ gegründet.“

Entdecker des Gouldschen Gürtels

So konnten sich endlich auch in den USA die Astronomen über aktuelle Forschungsthemen austauschen. Nach 20 Jahren an verschiedenen Sternwarten zog Benjamin Gould dann nach Argentinien, wo er seine besten Forschungsjahre erlebte: “Zu den Dingen, die er in Argentinien entdeckt hat, gehört der Gouldsche Gürtel. Das ist am Himmel eine lange Linie aus hellen Sternen und leuchtenden Gaswolken, die sich durch viele Sternbilder erstreckt. Der Gouldsche Gürtel ist rund 3000 Lichtjahre groß und Teil eines großen Spiralarms unserer Milchstraße.“
1885 kehrte er in die USA zurück. Er starb am 26. November 1896 im Alter von 72 Jahren an den Folgen eines Treppensturzes. Benjamin Gould ist selbst unter Fachleuten weitgehend vergessen. Aber sein Wirken lebt bis heute fort – durch das Astronomical Journal, das noch immer zu den führenden Fachzeitschriften weltweit gehört. Und natürlich funkelt in der Milchstraße auch weiterhin der Gouldsche Gürtel.