Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz hatte erklärt, der "Flügel" sei nun als "erwiesen extremistische Bestrebung" eingestuft. Zur Begründung sagte er, der Thüringer Fraktionsvorsitzende Björn Höcke und der Brandenburger Fraktionschef Andreas Kalbitz seien Rechtsextremisten. Nach Schätzungen des Verfassungsschutzes gehören dem "Flügel" rund 7.000 Anhänger an.
Der AfD-Bundestagsabgeordnete Armin-Paul Hampel widersprach dem Vorwurf, die AfD sei attraktiv für Rechtsextremisten. Auch in den Äußerungen der wichtigsten Vertreter des "Flügels", des Thüringer Fraktionsvorsitzenden Björn Höcke und des Brandenburger Fraktionschefs Andreas Kalbitz, erkenne er nichts, was er als rechtsextrem ansehe. Vielmehr erlebe er unter den Mitgliedern der Partei eine Vielzahl von Menschen, die ein normales bürgerliches Leben geführt hätten und jetzt als Nazis diffamiert würden.
Höcke hatte im Jahr 2017 beispielsweise gesagt, es sein ein großes Problem, dass man Hitler als das absolut Böse darstelle. Auch Hampel kritisierte, Deutschland beschäftige sich - etwa im Fernsehen - ununterbrochen mit dem Dritten Reich: "Der Nationalsozialismus hat bei uns ein Dauerprogramm." Man müsse aufpassen, dass man die Menschen nicht nur auf diese Zeit fokussiere.
Das Interview in voller Länge:
Christoph Heinemann: Herr Hampel, stützen oder stutzen? Wie sollte die AfD-Führung mit dem "Flügel" umgehen?
Armin-Paul Hampel: Ich habe das schon seit vielen Jahren immer gesagt. Die AfD ist auf dem Weg, eine Volkspartei zu werden, und eine Volkspartei ist breit aufgestellt. Das heißt für mich, dass der "Flügel" zur AfD gehört. Das ist ähnlich, wie ich das in früheren Jahren erlebt habe, bei der CDU/CSU. Ein Franz-Josef Strauß wurde bei seiner Kandidatur als Kanzlerkandidat als Nazi diffamiert, beschimpft, ausgegrenzt. Der "Flügel" ist genauso in der gleichen Situation für mich heute. Das ist ein politischer Kampf und hat mit Inhalten nichts zu tun.
Heinemann: Gehören Rechtsextremisten zu Ihrer Volkspartei?
Hampel: Nö! Aber ich habe ja in meiner Zeit als Landesvorsitzender in Niedersachsen erlebt, dass wir von Anfang an ehemalige Mitglieder von NPD und DVU nicht aufgenommen haben. Allerdings ich habe die Aufnahmeanträge damals als Landesvorsitzender gesehen, und da war die Frage nicht, waren Sie in der NPD oder in der DVU. Die Frage war, in welchen Parteien waren Sie vorher. Und dann war überraschenderweise hier und da, auch gar nicht so oft, eine NPD/DVU-Mitgliedschaft angegeben, aber interessanterweise: die waren danach oder davor alle in der CDU, in der SPD, in der FDP, ja selbst bei den Grünen und bei den Linken. Die haben die Herrschaften damals und heute nicht aufgenommen. Das ist die Frage, die etablierten Parteien müssen darüber nachdenken, wie viele ehemalige NPDler/DVUler, heute ja Nazis und Faschisten genannt, in ihren Parteien damals und heute noch waren und sind.
"Die AfD ist nicht attraktiv für Rechtsextremisten"
Heinemann: Nur wenn die sich rechtsextremistisch geäußert haben, sind sie rausgeworfen worden. Warum ist die AfD attraktiv für Rechtsextremisten?
Hampel: Herr Heinemann, ich war mal 1994 oder 1995 auf einem CDU-Parteitag. Ich meine, es war in Karlsruhe. Da bin ich durch die hinteren Reihen gegangen und habe einen Dialog mitbekommen von sechs bis acht Personen. Das war, wie wir es heute sagen würden, tief braun gefärbt. Als ich eine halbe Stunde später auf dem Podium war und einen CDU-Spitzenmann fragte oder informierte, da habt ihr aber eine recht braune Gesinnung in der Reihe 26 dahinten, dann sagte er zu mir, Paul, das sind unsere üblichen zehn Prozent. Das hat den gar nicht aufgeregt.
Heinemann: Tempi passati! Herr Hampel, warum ist die AfD attraktiv für Rechtsextremisten?
Hampel: Die AfD ist nicht attraktiv für Rechtsextremisten. Sie haben ja gerade die Stimmen aus Brandenburg gehört.
Heinemann: Das hat der Verfassungsschutz gestern festgestellt.
Hampel: Der Verfassungsschutz ist für mich inzwischen ein politisches Instrument geworden. Eine aufstrebende junge Partei, die konservativ ist, die in Teilen rechts ist, aber nicht rechtsradikal und schon gar nicht extremistisch, darf es in der Bundesrepublik Deutschland nach dem Willen der etablierten Parteien nicht geben. Jetzt wird alles eingesetzt, um diese Partei klein zu halten beziehungsweise aus dem politischen Umfeld zu verdrängen. Wenn man schon einen Verfassungsschutzchef absetzen muss, um einen neuen zu installieren, dann spricht das nicht gegen die AfD; dann spricht das gegen den Verfassungsschutz.
"Verfassungsschutz als politisches Instrument missbraucht"
Heinemann: Herr Hampel, ich höre bei Ihnen jetzt zwei Strategien heraus. Sie versuchen, einerseits den "Flügel" zu verharmlosen und andererseits den Verfassungsschutz in Verruf zu bringen. Warum?
Hampel: Herr Heinemann, wenn ich eine Geschichte umschreiben würde und würde Herrn Höcke bezichtigen, dass die Mordwaffe Lübcke in seinem Handschuhfach seines Autos gefunden wurde, dass er Terroristen der NSU in seinem Haus beherbergt habe, dass er mit Molotow-Cocktails auf Polizisten geworfen hat und dass er Schießübungen im Thüringer Wald gemacht hat, dann brauchen Sie den Namen Höcke nur zu streichen und Fischer zu setzen. Das sind genau die Dinge, die der ehemalige Außenminister Joschka Fischer nachweislich in den 70er-Jahren getan hat. Da hat sich kein Mensch und kein Verfassungsschutz um den damaligen Außenminister gekümmert. Der Vergleich hinkt für mich extrem und dann ist das kein Ausweichen, sondern ich versuche, die Dinge wieder mal geradezurücken in diesem Lande.
Heinemann: Das Bundesamt für den Verfassungsschutz ist eine Bundesbehörde. Wer, wenn nicht diese Behörde sollte die Verfassungsmäßigkeit von Organisationen oder Personen bewerten?
Hampel: Ach wissen Sie, Herr Heinemann, ich war immer beeindruckt in Großbritannien oder in den Vereinigten Staaten. Da braucht man keinen Dienst, der eine Verfassung und Verfassungstreue beobachtet. Ich habe großes Vertrauen in die Bürger dieses Landes und die Bürger dieses Landes haben zurzeit ein Gefühl, dass vieles falsch läuft in unserem Land. Und ich sage noch mal, ich habe es ja selber teilweise erlebt: Ich sehe hier den Verfassungsschutz missbraucht! Ja, ich sehe ihn missbraucht als politisches Instrument und nicht mehr als eine unabhängige Behörde, die dazu ausgewählt ist, dass sie die Verfassungstreue von seinen Bürgern, die Verfassungstreue von seinen Bürgern überprüft und ausschnüffelt sozusagen. Sie haben es ja gerade bei den Brandenburgern gehört.
Gerichtsurteil über Höcke
Heinemann: Das Verwaltungsgericht in Meiningen hatte ja vorher schon entschieden, dass Herr Höcke als Faschist bezeichnet werden darf.
Hampel: Herr Heinemann, das hat das Gericht nicht entschieden.
Heinemann: Darf ich meine Frage noch stellen? Wie viele Behörden müssen Herrn Höckes rechtsextreme Gesinnung noch dokumentieren, bevor Sie das glauben?
Hampel: Das Gericht hat genau eben dies nicht entschieden. Das Gericht hat entschieden, dass ein Plakat, in dem Höcke als Faschist diffamiert wurde, noch gerade zur Meinungsfreiheit oder unter Meinungsfreiheitsschutz gestellt ist. Über Höcke hat das Gericht überhaupt kein Urteil gefällt. Es hat über ein Plakat entschieden.
Heinemann: Auf dem Herr Höcke als Faschist bezeichnet wird.
Hampel: Das können Sie jetzt indirekt wieder umpolen. Aber das war nicht die Entscheidung des Gerichtes und auch das werfe ich unseren Medien vor, dass da nicht mehr differenziert berichtet wird. Das Gericht hat explizit nicht entschieden, dass Herr Höcke als Faschist bezeichnet werden darf. Es hat dieses Plakat noch zugelassen. Das ist etwas völlig anderes!
"Ganz normale Bürger werden ausgegrenzt"
Heinemann: Sie haben den Bericht von Christoph Richte
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gerade mitgehört. Was war daran nicht differenziert?
Hampel: Ich habe über die Berichterstattung über das Urteil gesprochen eben gerade.
Heinemann: Ach so! Der Bericht, den Sie eben gehört haben, der war differenziert.
Hampel: Ja. Aber, Herr Heinemann, dann muss doch auch bei Ihnen langsam mal die Klingel angehen. Sie haben doch die Leute gehört in ihren Reaktionen. Das sind ehemalige DDR-Bürger. Die haben in ihrem Leben erlebt, was es bedeutet, wenn eine politische Institution ihre politische Gesinnung ausschnüffelt. Das Wort "Stasi" kam ja mehrfach vor!
Heinemann: Und Sie haben auch die anderen Leute gehört, die zu Wort kamen in dem Bericht, die die AfD für eine große Gefahr halten. Das nennen wir Ausgewogenheit, wenn beides vorkommt. Sie auch?
Hampel: Ich habe nicht gesagt, dass sie das nicht gesagt haben. Ich sage nur, es müsste langsam bei einigen in unserem Staat mal klingeln, auch bei den Medien mal klingeln, dass sie ganz normale Bürger gerade im Begriff sind auszugrenzen. Es hat ja der eine Herr ganz schön gesagt, was er in seinem Leben geleistet hat, und ich kann nur sagen, ob in der AfD-Fraktion im deutschen Bundestag oder bei mir in Niedersachsen in der Mitgliederschaft erlebe ich eine Vielzahl von Leuten, die ein ganz normales bürgerliches Leben geführt haben und die jetzt als Nazis diffamiert werden. Das ist der springende Punkt.
Einordnung von Höcke und Kalbitz
Heinemann: Herr Hampel, wieso sollten bürgerliche Parteien, Parteien, die keine Rechtsextremisten in ihren Reihen dulden, jemals mit einer Partei zusammenarbeiten, die Rechtsextremisten in ihren Reihen dulden und weiterhin dulden werden, wenn ich Sie richtig verstanden habe?
Hampel: Herr Heinemann, ich habe Ihnen gerade belegt, aufgrund meiner Erfahrung als Landesvorsitzender in Niedersachsen, dass die etablierten Parteien selbstverständlich ehemalige NPDler und DVUler über Jahre und Jahrzehnte in ihren Reihen geduldet haben. Sie sind dann nur nicht in die entsprechenden Positionen gekommen, wie bei uns übrigens auch nicht, und das ist für mich der springende Punkt.
Heinemann: Herr Höcke und Herr Kalbitz sind in führenden Positionen in der AfD.
Hampel: Aber Herr Höcke und Herr Kalbitz gehören auch für mich nicht zu diesem Personenkreis.
Heinemann: Zu welchem Personenkreis?
Hampel: Ich erkenne an den Äußerungen von Herrn Höcke und Herrn Kalbitz nichts, was ich als rechtsextrem oder rechtsradikal sehen würde. Gar nichts! Sie haben eine konservative, eine manchmal national eingestellte Position. Das muss in einer Demokratie doch möglich sein. Rassismus wurde der Vorwurf gemacht von den Leuten, die da gegen die Veranstaltung demonstriert haben.
Heinemann: Sie meinen den ausgewogenen Bericht.
Hampel: Ja. – 2013 haben wir ein Programm vorgestellt, Einwanderung nach kanadischem Vorbild. Was ist denn da Rassismus? Das praktizieren die Kanadier seit Jahrzehnten. Genau das haben wir eingefordert und machen das ja heute noch, dass wir sagen, wir wollen wissen, wer in unser Land kommt, in welcher Zahl und mit welchen Informationen noch.
"Der Nationalsozialismus hat bei uns ein Dauerprogramm"
Heinemann: Herr Hampel, Sie kennen die einschlägigen Äußerungen von zum Beispiel Herrn Höcke. Ich nehme jetzt nur mal eine von sehr, sehr vielen. In einem Interview im März 2017 hat er, Herr Höcke, es als ein großes Problem bezeichnet, dass Hitler als absolut böse dargestellt werde. Entspricht das Ihrem Geschichtsbild?
Hampel: Man muss immer auch raushören, was will derjenige, nicht nur Herr Höcke, damit sagen.
Heinemann: Warum muss man eigentlich jede Äußerung von Herrn Höcke erklären?
Hampel: Nö, die muss man gar nicht erklären. Ich sehe eins: Ich sehe heute im deutsche Fernsehen, dass wir uns ununterbrochen, und zwar täglich, mit dem Dritten Reich beschäftigen. Das könnte – und da hat Herr Höcke gar nicht Unrecht – zu der Reaktion führen, dass wir, besonders die jungen Leute sagen, ich kann das nicht mehr ab, im Geschichtsunterricht, in allen anderen Unterrichten von der 5. bis zur 13. Klasse höre ich nur Drittes Reich.
Heinemann: Sie haben meine Frage nicht beantwortet.
Hampel: Doch, natürlich!
Heinemann: Nein.
Hampel: Das ist eine Sache, damit müssen wir uns auseinandersetzen. Ich sage immer, letztendlich hat der Nationalsozialismus bei uns ein Dauerprogramm in Deutschland, und das hat Höcke ja auch beklagt, auch Gauland hat das beklagt. Wir haben eine großartige Geschichte über 1100 Jahre. Ja, es waren zwölf dunkle und schwarze Jahre dabei. Das streitet auch gar keiner ab und dementiert auch gar keiner. Aber man muss aufpassen, dass man nicht ununterbrochen die Menschen nur auf diese Zeit fokussiert. Ja, da hat er Recht!
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