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Beprobung mit List

Wildtierbiologie. - Die europäische Wildkatze ist ein extrem scheues Tier - und gehört zu den gefährdeten Tieren, die in Deutschland auf der Roten Liste stehen. Nur mit Tricks kann man die Tiere zu Gesicht bekommen, die Bestandsaufnahme, die der BUND mit dem Projekt "Wildkatzensprung" anstrebt, muss mit besonderen Listen arbeiten.

Von Lucian Haas |
    Wildkatzen sind sehr scheue Tiere. Dass Menschen sie in freier Wildbahn zu Gesicht bekommen, ist äußerst selten. Wer ihr Vorkommen in den Wäldern nachweisen will, muss sich schon eines Tricks bedienen. Hilfreich ist zum Beispiel ein Lockstock.

    "Die Lockstock-Methode funktioniert so: Man nimmt ein Stück Dachlatte, spitzt es zu und haut es im Wald in den Boden rein. Und dann besprüht man diesen Pflock mit Baldrianlösung. Und wenn eine Wildkatze in der Nähe ist, wird sie das riechen, wird zu dem Stock kommen und da am rauen Holz ein paar Haare hinterlassen."

    Der Geruch von Baldrian locke die Wildkatzen an, sagt Thomas Mölich. Er leitet das Wildkatzenbüro des Naturschutzverbandes BUND und ist verantwortlich für die erste bundesweite Wildkatzeninventur. Unter dem Projektnamen "Wildkatzensprung" sind seit rund einem Jahr mehrere hundert ehrenamtliche Helfer dabei, dem scheuen Jäger bundesweit auf die Spur zu kommen. Sie stellen und kontrollieren regelmäßig die Lockstöcke im Wald – nach einem strengen räumlichen Schema. 17 Untersuchungsregionen gibt es mit jeweils 225 Quadratkilometer Fläche, die in 25 Probenparzellen von je drei mal drei Kilometer Größe unterteilt sind.

    "Nur durch diese standardisierte Erfassung, die überall gleich sein muss, können wir später auf die Populationsgröße im jeweiligen Gebiet zurück schließen","

    sagt Carsten Nowak, Leiter des Fachgebietes Naturschutzgenetik am Forschungsinstitut Senckenberg. Er bekommt vom BUND die Haarproben geliefert, die die Wildkatzen zurücklassen, wenn sie sich an den Lockstöcken reiben. In seinem Labor werden die Haare dann genetisch untersucht.

    ""Da wird fast das Identische gemacht, was man zum Beispiel in der humanen Forensik oder in der Kriminalistik macht, nämlich einen genetischen Fingerabdruck."

    Anhand der aus den Haarwurzeln gewonnenen DNA erkennt Carsten Nowak, ob es sich bei den erfassten Tieren überhaupt um Wildkatzen und nicht um streunende Hauskatzen handelt, ob sie männlich oder weiblich sind, und wie viele Tiere in einer Untersuchungsregion vorkommen. Doch die Analyse der Gene liefert noch weitere Erkenntnisse.

    "Und zwar verraten sie uns etwas, zum Beispiel über die Isolation der Populationen und den Grad der Habitatfragmentierung. Eine kleine isolierte Population, die sich nicht austauscht mit anderen, verarmt im Laufe der Zeit. Und das können wir durch den Vergleich von benachbarten Populationen nachweisen."

    Zerschnittene Landschaften behindern das Wanderverhalten und damit den genetischen Austausch der Wildkatzen, aber auch anderer Tierarten des Waldes. Das Projekt "Wildkatzensprung" umfasst darum nicht nur den Aufbau einer Gendatenbank der Wildkatzen in Deutschland. Der BUND will auch die heute bekannten Verbreitungsgebiete der Wildkatze, zum Beispiel Eifel, Westerwald, Thüringer Wald, Hainich und Harz untereinander vernetzen. Dafür gibt es einen Wildkatzenwegeplan. Er weist 20.000 Kilometer vorhandene und geplante Waldkorridore quer durch Deutschland aus. Thomas Mölich:

    "Diese Korridore, das sind die Linien in der Landschaft, auf denen noch genug Strukturen liegen, die man überhaupt verbinden kann."

    Dort wo offene Landschaften das Wanderverhalten der Wildkatzen stören, sollen bis zu 50 Meter breite grüne Streifen aus Bäumen und Büschen neu gepflanzt werden. In der Region Hainich in Thüringen ist das bereits gelungen. Mölich:

    "Da haben wir 1,2 Kilometer Korridor tatsächlich pflanzen können. Und das hat eine Lücke geschlossen. Das führt jetzt dazu, dass Wildkatzen auf ungefähr 120 Kilometer Länge wieder relativ gefahrlos wandern können."

    Es werden noch viele Jahre vergehen, bis alle vorgesehenen grünen Korridore komplett sein werden. Erste Ergebnisse aus der Lockstock-Inventur geben allerdings schon jetzt Anlass zur Hoffnung, dass die Wildkatze in Deutschland durchaus noch ihre Überlebensnischen findet. Die genetischen Untersuchungen legen nahe, dass die scheuen Tiere sich weiter ausbreiten. Sie kommen auch im Odenwald und sogar in stadtnahen Wäldern wie dem Kottenforst bei Bonn vor, der zuvor lange als unbesiedelt galt. Dort gelang es, anhand von Haarproben elf verschiedene Wildkatzen nachzuweisen.