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BER-Eröffnung 2020
"Zweifel, dass der Termin eingehalten werden kann"

Das neueste Datum für den Flughafen Berlin Brandenburg sei "genauso realistisch wie alle anderen bislang angekündigten Eröffnungstermine", sagte Axel Vogel, Fraktionschef der Grünen im Brandenburger Landtag im Dlf. Die Flughafengesellschaft sei nicht in der Lage, das Bauvorhaben zum Ende zu bringen.

Axel Vogel im Gespräch mit Jonas Reese |
    Der Schriftzug am Flughafen Berlin Brandenburg (BER) aufgenommen am 19.05.2017 in Schönefeld.
    Nun steht ein erneuter Eröffnungstermin für den Pannenflughafen Berlin Brandenburg (picture alliance/dpa - Bernd Settnik)
    Jonas Reese: Herbst 2020, für wie realistisch halten Sie jetzt diesen Eröffnungstermin?
    Axel Vogel: Nun, ich halte ihn für genauso realistisch wie alle anderen bislang angekündigten Eröffnungstermine. Der Eröffnungstermin, um das mal gleich klar zu sagen, gibt ja allein die Sichtweise der Flughafengesellschaft und dessen Geschäftsführer wieder. Er ist bislang nicht mit der Baubehörde des zuständigen Landkreises Dahme-Spreewald abgestimmt, deren Behörden weiter auch überhaupt nicht wissen, auf welchen Annahmen überhaupt dieser Termin fußen soll.
    Reese: Also Sie sind da skeptisch, warum dann diese Ankündigung?
    Vogel: Nun, vermutlich fühlte sich die SPD unter Druck, einen Zeitplan vorzulegen. Der letzte Zeitplan war ja ohne Puffer geplant, wie wir allerdings auch erst im Nachhinein erfahren haben. Zunächst mal hieß es, es sei ausreichend Puffer vorhanden, letzte Woche hieß es dann, es sei bewusst ohne Puffer geplant, um maximalen Druck auf die beteiligten Baufirmen auszuüben. Eine völlig absurde Diskussion, meine ich. Und es ist zu erwarten, dass mit dem neuen Zeitplan wieder Druck ausgeübt werden soll auf die Baufirmen, endlich fertig zu werden. Das heißt, es steuert jetzt praktisch alles auf einen einzigen Zeitpunkt zu, der auch unbedingt eingehalten werden muss und der auch nur eingehalten werden kann, wenn nichts mehr schiefgeht. Nachdem bei diesem Flughafen aber so ziemlich alles schiefgegangen ist, was schiefgehen kann, habe nicht nur ich, sondern haben praktisch alle Mitglieder des Flughafenausschusses ernste Zweifel daran, dass dieser Termin eingehalten werden kann.
    "Physikalisch fast unmöglich, die Entrauchung zu beherrschen"
    Reese: Also wenn ich das richtig verstehe, dann sind diese Brandschutzanlage beziehungsweise überhaupt einige Sicherheitsmaßnahmen da noch der Knackpunkt. Können Sie das vielleicht ein bisschen erklären, warum ist das denn da so schwierig, eine Sprinkleranlage zum Funktionieren zu bekommen oder eine Notstromversorgung?
    Axel Vogel bei einer Pressekonferenz nach der Fraktionssitzung
    Axel Vogel bei einer Pressekonferenz nach der Fraktionssitzung von Bündnis 90/Die Grünen (picture alliance / dpa / Bernd Settnik)
    Vogel: Nun, zunächst einmal war das Terminal ja – und wir reden hier nur über das Hauptterminal, wir reden nicht über die Start- und Landebahn und den Tower und so weiter, das ist ja alles funktionsfähig an diesem Flughafen, wir reden nur über das Hauptterminal. Das Hauptterminal wurde mal als ein großes lichtdurchflutetes Gebäude geplant und wurde im weiteren Planungsprozess umgewandelt in ein vollgestopftes Gebäude mit einer zusätzlichen Zwischendecke, um möglichst viel Raum für Ladenlokale zu schaffen. Insgesamt sind in diesem Gebäude 3.000 Räume untergebracht, die keinen Anschluss nach außen haben, also innenliegende Gebäude. Hier gibt es Vorschriften aus der Bauordnung, dass normalerweise ein Fluchtweg von 40 Meter sicherzustellen ist, wir haben dort aber Gänge, die 140 Meter lang sind. Diese Gänge müssen rauchfrei gehalten werden bis in eine Höhe von 2,50 Meter. Das Problem ist, dass in den abgehängten Decken inzwischen sich so viele Kabelleitungen, Röhren befinden, dass sie als Abzugsraum nicht mehr zur Verfügung stehen. Das heißt, es ist inzwischen physikalisch fast unmöglich, die Entrauchung zu beherrschen, und man versucht mit immer neuen technischen Mitteln, also elektronischer Steuerung, unglaublich vielen Klappen, die sich zum richtigen Zeitpunkt öffnen und schließen müssen, dies zu beherrschen. Und ehrlich gesagt, ich habe meine Zweifel daran, dass das jemals beherrschbar sein wird.
    Die Sprinkleranlagen sind natürlich auch in den Decken untergebracht. Es gibt hydraulische Berechnungen, die dann aufgezeigt haben, dass die zu klein dimensioniert waren, es muss nachgelegt werden. Jetzt stellt sich heraus, dass die neuen hydraulischen Berechnungen nicht vorgelegt werden können, es sind also Probleme ohne Ende mit dieser Brandschutzanlage verbunden.
    "Ausgliederung des Baus BER in eine eigenständige Baugesellschaft"
    Reese: Also das ist wirklich eine einmalige Schreckens- und Leidensgeschichte, die sich jetzt schon seit langen Jahren hinzieht. Zig Verschiebungen, Milliarden an Mehrkosten, die bislang entstanden sind. Das ist jetzt wahrscheinlich nicht mehr zu ändern, aber auch aus Ihrer Partei kommt ja immer wieder auch der Ruf nach einem radikalen Kurswechsel, nach einem Plan B für den BER. Wie sollte der denn aussehen?
    Vogel: Als Allererstes müssen wir mal konstatieren, dass die Flughafengesellschaft nicht in der Lage ist, dieses Bauvorhaben zum Ende zu bringen. Wir müssen eine Ausgliederung des Baus BER in eine eigenständige Baugesellschaft als allerersten Schritt vollziehen, mit Bauleuten an der Spitze, mit Experten, die schon Flughäfen oder zumindest Großvorhaben abgewickelt haben und von denen man denken kann, dass sie in der Lage sein werden, dieses Projekt weiterzubringen.
    Reese: Also die Politik muss da raus?
    Vogel: Nein, die Flughafengesellschaft selber ist ja momentan nicht politisch beherrscht, sondern die Flughafengesellschaft ist mal gegründet worden, um Flughäfen zu betreiben, sie wurde nie gegründet, um einen Flughafen zu bauen. Sie ist schlichtweg strukturell und personell mit dieser Aufgabe überfordert. Das Zweite, was angesagt ist: Ich denke, man muss vorurteilsfrei prüfen, ob man nicht zu dem genehmigten Terminal von 2006 – da war Baubeginn – zurückkehren kann. Das bedeutet, dass man das inzwischen errichtete Zwischengeschoss auch wieder entfernt – der Begriff heißt Entkernung. Und wie wir gelernt haben bei unserem letzten Besuch, war man 2012 praktisch schon so weit, ernsthaft über eine Entkernung beziehungsweise sogar über einen Abriss des Gebäudes zu diskutieren, weil wenn man nicht neue technische Lösungen in Aussicht gehabt hätte, das gesamte Bauvorhaben nicht mehr beherrschbar gewesen wäre. Wenn ich aber eine Entkernung tatsächlich als möglich ansehe, dann muss ich natürlich auch sofort einen Baustopp verhängen, weil alles, was wir aktuell noch zusätzlich in dieses Gebäude einbauen, natürlich nur zusätzliche Kosten verursacht, wenn es dann anschließend auch wieder abgerissen werden muss. Von daher: Baugesellschaft bilden, Baustopp verhängen, Neubeplanung des Terminals, und dazu kommt natürlich, weil wir diesen Flughafen auch sehr schnell eröffnen wollen, dass die vorhandenen Seitenpiers mit Terminals, mit neuen Terminals erschlossen werden. Da gibt es übrigens auch Planungen in der Flughafengesellschaft, wesentlich breitere Terminals als dieser Hauptterminal, man könnte auch an Leihterminals denken. Es gibt also eine ganze Masse von Möglichkeiten auch jenseits einer Inbetriebnahme des Hauptterminals, diesen Flughafen in Betrieb zu nehmen.
    "Politisch besetzter Aufsichtsrat"
    Reese: Herr Vogel, Sie haben das Ganze mal ein systemisches Versagen genannt. Können Sie das vielleicht ein bisschen genauer erklären, was meinen Sie damit?
    Vogel: Ja, damit meine ich, dass wir auf der einen Seite lange Jahre einen politisch besetzten Aufsichtsrat hatten, wo also Herr Platzeck, Herr Wowereit, Staatssekretäre aus den Bundesministerien, aber auch Minister und Senatoren aus Berlin und Brandenburg den Ton angegeben haben, die allesamt keine Ahnung von einem solchen Bauvorhaben hatten. Wir hatten Geschäftsführer, die vermutlich sehr gut darin waren, Start- und Landegebühren für Flughäfen zu berechnen und Passagiere anzulocken, die aber auch keinerlei Ahnung von komplexen Bauvorhaben hatten. Und wir hatten Landesregierungen, die über Fehler in den Aufsichtsräten hinweggeguckt haben und auch Koalitionen in den einzelnen Parlamenten, sowohl in Berlin als auch in Brandenburg, die ihre Ministerpräsidenten oder regierenden Bürgermeister und Minister und Senatoren nicht beschädigen wollten und von daher auch versucht haben, kritische Diskussionen unterm Tisch zu halten. Das alles ist am Ende ein System, das versagt hat.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.