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BER: Vor zehn Jahren
Bundesverwaltungsgericht weist Klage gegen Flughafenbau zurück

Am 7. Februar 2006 eröffnete das Bundesverwaltungsgericht ein Verfahren, denn gegen den Bau des Großflughafens "BER - Berlin Brandenburg International" wurde geklagt. Am 16. März 2006, heute vor zehn Jahren, gab das Gericht seine Entscheidung bekannt.

Von Monika Köpcke |
    Baustelle Flughafen Berlin Brandenburg (BER) Willy Brandt.
    Baustelle Flughafen Berlin Brandenburg (BER) Willy Brandt. (dpa / picture-alliance / Ulrich Baumgarten)
    "Ich hatte das schon so ungefähr erwartet, die Gerichte geben doch immer den Haien recht. Wir wohnen direkt in der Einflugschneise nachher, wenn das fertig ist. Die Grundstückspreise sind jetzt schon nur noch ein Drittel, zu dem wir sie mal gekauft haben. Ja, und die Alterssicherung ist damit so weitestgehend auch im Eimer."
    Soeben hatte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig das Urteil verkündet. Es war sein bis dahin größtes Verfahren, in dem es über die Frage zu entscheiden hatte: Darf der alte DDR-Zentralflughafen Schönefeld zum Großflughafen BBI - Berlin-Brandenburg-International - ausgebaut werden?
    "Für mich ist dieser BBI quasi die Startbahn in die Zukunft für unsere Region, bringt uns noch mehr Touristen, noch mehr neue Technologien, bringt uns Tausende Jobs. Und es wird auch, und das hat dieser schwierige Prozess auch zum Inhalt gehabt, ein Flughafen sein, der zu uns passt: Es wird ein erreichbarer, es wird ein gastfreundlicher und ein umweltverträglicher Flughafen werden."
    Was für den brandenburgischen Ministerpräsidenten Matthias Platzeck der Einstieg in goldene Zeiten verhieß, bedeutete für die Bewohner der Orte rund um Schönefeld die Aussicht auf ein Leben in Lärm und Abgasen.
    "Wir müssen halt damit leben, ob wir wollen oder nicht. Für uns ist das eigentlich`ne Katastrophe, sag ich mal."
    Großflughafen in der Nachbarschaft
    Auch dieser Mann gehörte zu den 4.000 Betroffenen, die gegen den Ausbau von Schönefeld geklagt hatten. Als er sein Eigenheim baute, war noch keine Rede von einem Großflughafen in der unmittelbaren Nachbarschaft.
    "Seit 94’ wohnen wir hier, eigentlich sehr glücklich und zufrieden. Alles eigene Handarbeit. Das ist für mich so bitter, weil man ja sehr viel Kraft und Geld reingesteckt hat, das hätte ich ganz anders verleben können."
    Schon bald nach der Wiedervereinigung waren sich Berlin und Brandenburg einig: Die Region braucht einen neuen Flughafen. Neben Schönefeld wurden auch die dünner besiedelten Regionen um Jüterbog und Sperenberg begutachtet. Doch wegen der Nähe zu Berlin fiel 1996 die Entscheidung für Schönefeld. In den zehn folgenden Jahren stritten nun die Anwohner mit den Behörden um Baugenehmigungen und Lärmbelastung, um Entschädigungen und Umsiedlungen. 2006 mündete dieser Streit in einer Klage von 4000 Betroffenen vor dem Bundesverwaltungsgericht. Es ging ums Ganze: Man wollte erreichen, dass die Entscheidung für den Standort Schönefeld wegen Unzumutbarkeit für seine Anwohner rückgängig gemacht werden musste.
    Bernd Habermann: "Nachts kann man nicht mehr bei angekippten Fenstern schlafen. Und wenn ich in der Nacht mehr als sechsmal aufgeweckt werde durch Fluglärm, dann ist die Gesundheit akut gefährdet."
    Auch Bernd Habermann aus Blankenfelde hatte die Klage mit eingereicht. Ihren Erfolg schätzte er allerdings gering ein.
    "Ich erwarte, dass der Planfeststellungsbeschluss in der vorliegenden Form nicht bestätigt wird, sondern dass Nachbesserungen im Bereich Lärmschutz und im Bereich Nachtflug erfolgen werden."
    Gericht verschärfte die Auflagen
    Bernd Habermann sollte Recht behalten. Nach gut fünf Wochen Verhandlung verkündete das Bundesverwaltungsgericht am 16. März 2006 das Urteil: Der Ausbau von Schönefeld verstößt nicht gegen Recht und Gesetz. Die Planungsbehörden, so die Urteilsbegründung, wollten eben eine komplizierte Flughafensituation, wie sie durch die deutsche Teilung entstanden war, bereinigen. Und dafür stünde ihnen planerische Freiheit zu. Allerdings verschärfte das Gericht die Auflagen für Schönefeld: Es verhängte ein Nachtflugverbot zwischen 0 und 5 Uhr und erhöhte die Anforderungen an den Schallschutz. Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit hielt das nicht vom Jubeln ab:
    "Mit der positiven Entscheidung aus Leipzig können wir jetzt richtig voll durchstarten. Wir haben gute Voraussetzungen schon bislang geschaffen. Aber jetzt kann’s richtig losgehen. Der Eröffnungstermin wird am 1. November 2011 sein!"
    So ist es bekanntlich nicht gekommen. Belastet von Pannen und Skandalen hat sich der neue Großflughafen zu einer milliardenschweren Dauerbaustelle entwickelt. Man muss sparen, und so wurde von den 700 Millionen Euro, die für den Lärmschutz veranschlagt sind, bislang nur ein Bruchteil eingesetzt. 25.500 Haushalte rund um den BER, wie der Flughafen mittlerweile genannt wird, haben Anspruch auf Schallschutz. Zumindest theoretisch. Denn zu niedrige Decken, zu kleine Zimmer oder der Anbau eines Wintergartens können diese Ansprüche zu Nichte machen. So hat es die Flughafengesellschaft definiert - zur Empörung der Anwohner. Es wird also kräftig weitergestritten.