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Beratungsstelle U25
Jugendliche helfen Jugendlichen

Die häufigste Todesursache der 15 bis 25-Jährigen in Deutschland ist der Autounfall – die zweithäufigste der Suizid. Pubertät, berufliche Orientierung, erste Liebe – junge Menschen sind besonders krisengefährdet, und sie wissen oftmals nicht, an wen sie sich mit ihren Problemen wenden sollen. Ein Hilfsangebot von Gleichaltrigen ist U25.

Von Maike Strietholt |
    Sieben junge Leute zwischen 17 und 24 Jahren greifen zu, während Teamleiterin Nina von Ohlen Laptop und Beamer startklar macht. Die Stimmung ist entspannt, obwohl die meisten in der Runde an diesem Abend direkt vom Job, der Ausbildung oder dem Studium hergekommen sind...
    "Was machen wir heute – selbstverletzendes Verhalten. Ein Thema, das wir bei denen, die uns schreiben, sehr oft haben, in ganz unterschiedlichen Varianten. Ganz kurz der Ablauf – und zum Schluss biete ich euch noch einmal eine Mail an."
    Denn darum geht es hier: Verzweifelten Jugendlichen per E-Mail Hilfe anzubieten. Depressionen, Essstörungen, Selbstmordgedanken – das sind einige der Probleme, und somit dreht sich die sechsmonatige Ausbildung vor allem um verschiedene Krankheitsbilder:
    Im Raum herrscht nun konzentrierte Stille. Nina von Ohlen klickt sich durch die Folien, erläutert, beantwortet Rückfragen, und ruft immer wieder in Erinnerung, dass von den angehenden Beraterinnen und Beratern kein Expertenwissen verlangt wird:
    "Ganz viele Dinge müsst ihr sowieso noch einmal ergoogeln oder nachfragen – aber um einfach einen kurzen Link zu haben – worum geht's und womit haben wir es zu tun."
    Womit sie es zu tun haben, zeigt auch Melanies Email. Melanie, 17 Jahre alt, ist eine fiktive Ratsuchende – ihre Anfrage ist aber aus realen Anfragen zusammengebastelt. Eine Teilnehmerin liest vor:
    "Hallo. Ich weiß nicht was ich tun soll. Ich bin SVVlerin, seit drei Jahren jetzt schon. Und in letzter Zeit wird es immer schlimmer. Gestern habe ich mal wieder beschlossen aufzuhören – mal schaun wie lange es diesmal gut geht..."
    Die Gruppe greift zu Zettel und Stift vertieft sich in die Antwortbriefe – es ist ein wichtiger Teil der Ausbildung, das Schreiben zu üben. Nina von Ohlen wird die Briefe gegenlesen – so wie auch später in der richtigen Beratungsarbeit.
    Die schlanke, blonde Enddreißigerin erzählt, was dieses Projekt einzigartig macht:
    "Es ist möglich, anonym, kostenlos, auf eine ganz einfache Weise Beratung zu bekommen. Auf Augenhöhe habe ich da jemanden, dem ich etwas sagen kann – der mir aber auch etwas sagt."
    "Beziehungen verhindern Suizid"
    Die große Resonanz gibt dem Konzept Recht: Es gibt weitaus mehr Anfragen, als die aktuell 21 aktiven Hamburger Beraterinnen und Berater bearbeiten können. Das Thema Suizid taucht dabei fast immer auf, die meisten im Beratungsteam sind damit aber bereits aus dem eigenen Alltag vertraut. Auch die Neulinge - Schülerin Jara, 18, und Psychologiestudentin Marie, 24 Jahre alt:
    "Ich hatte eine Freundin, die solche Probleme hatte, durch sie bin ich in das Thema mit reingekommen und habe mich dann informiert und angefangen, Bücher darüber zu lesen." - "Ich habe in meinem Umkreis viele Freundinnen, die depressiv sind, und sich zum Beispiel selber ritzen. Ich bin in dem Bereich schon relativ abgehärtet."
    Für Nina von Ohlen ist dieser direkte Bezug zur Lebenswelt der Hilfesuchenden ein entscheidender Vorteil: Die Jugendlichen würden oftmals ganz anders auf die geschilderten Probleme schauen als sie selbst als ausgebildete Pädagogin - dann aber keineswegs schlechter beraten.
    Sorgen vor dem, was im Beratungsalltag passieren könnte, gibt es aber dennoch - Ronja, 24 Jahre alt:
    "Klar, Ängste und Sorgen sind da: Sind da vielleicht Themen, die mich überfordern? Aber dafür haben wir ja unsere Supervision."
    Die Supervision findet zweimal im Monat statt. Hier wird im Zweifelsfall auch entschieden, ob eine Kontaktperson wechselt, weil die Chemie nicht stimmt – und wie damit umzugehen ist, wenn sich ein hilfesuchender Mensch verabschiedet.
    "Natürlich gibt es auch junge Menschen, die den Suizid vollziehen. Daher ist ein wichtiger Teil der Ausbildung auch Trauerbegleitung."
    In den meisten Fällen fühlen sich die Hilfesuchenden aber gut und vielleicht sogar entscheidend in ihrer Krisensituation unterstützt, diese Kontakte bestehen über viele Monate und begleiten manchmal auch noch eine beginnende Psychotherapie. Eine professionelle Hilfe ist in vielen Fällen Ziel der Beratungsarbeit.
    "Wir sind keine Therapeuten, ersetzen auch keine. Man geht davon aus, ein Suizid, eine ganz große Krise entsteht dadurch, dass Menschen beziehungslos sind. Das heißt: Beziehungen verhindern Suizid."